Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung grundsätzlicher Bedeutung; keine Revisionszulassung zur Prüfung des Berliner Grundsteuer-Hebesatzes
Leitsatz (NV)
1. Die allgemeinen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gelten auch, wenn es um die Vereinbarkeit einer Vorschrift mit Verfassungsrecht oder sonstigem höherrangigen Recht geht.
2. Die Erforderlichkeit der verfassungsrechtlichen Prüfung des Berliner Grundsteuer-Hebesatzes kann nicht mit dem "Äquivalenzprinzip" begründet werden.
Normenkette
GG Art. 106 Abs. 6 S. 2; GrStG § 25 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) für die von ihnen im November 1992 für 145 000 DM erworbene Eigentumswohnung in Berlin für das Jahr 2002 Grundsteuer von 187,77 € fest und berücksichtigte dabei den nach § 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Satz 1 des Vorschaltgesetzes zum Haushaltsgesetz 2002/2003 vom 29. April 2002 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 2002, 129) geltenden Grundsteuerhebesatz von 660 v.H. Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Erhöhung des seit 1995 geltenden Hebesatzes von 600 v.H. wandte und eine Herabsetzung der Grundsteuer auf 170,72 € beantragte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 390 veröffentlichten Urteil aus, der den Gemeinden eingeräumte Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Grundsteuerhebesätze sei nicht überschritten. Der festgesetzte Hebesatz von 660 v.H. verstoße nicht gegen das Übermaßverbot und beeinträchtige die Vermögenssituation der Grundstückseigentümer nicht grundlegend, wie ein Vergleich der im Streitfall festgesetzten Grundsteuer mit dem Kaufpreis des Objekts zeige. Auch das Äquivalenzprinzip habe der Erhöhung des Hebesatzes nicht entgegengestanden. Bezüglich der Grundsteuer bestehe keine wie auch immer ausgestaltete gesetzlich angeordnete Zweckbestimmung. Die Grundsteuer diene vielmehr nach § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) der Erzielung von Einnahmen.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend, ob es mit dem der Grundsteuer zugrunde liegenden Gedanken der Äquivalenz vereinbar sei, dass der gemeindliche Gesetzgeber bei der Bemessung des Grundsteuerhebesatzes sich allein auf den aktuellen Finanzbedarf der Gemeinde stütze, ohne bei seiner Willensbildung die jeweilige Erhöhung in eine plausible (mittelbare) Beziehung zur Entwicklung der prinzipiell äquivalenten Leistungen der Gemeinde für das örtliche Grundstückseigentum zu setzen und ohne erkennbar zu machen, dass er sich des Äquivalenzprinzips als des die Grundsteuer tragenden (und damit auch begrenzenden) Gedankens jedenfalls bewusst gewesen sei und gerade im Blick hierauf eine Erhöhung des Hebesatzes für veranlasst gehalten und gewollt habe. Es gehe bei der Beantwortung dieser Frage um die Klärung einer zweifelhaften Rechtslage im allgemeinen Interesse. Zwar lägen, soweit ersichtlich, ausdrückliche Äußerungen zu ihr in Literatur und Rechtsprechung nicht vor. Zweifel ergäben sich aber aus der gesetzlichen Anerkennung des Äquivalenzprinzips als Begründung der Grundsteuer einerseits und der parlamentarischen Praxis des Berliner Landesgesetzgebers, in dessen Willensbildung im aktuellen Fall der Äquivalenzgedanke nicht eingegangen sei, andererseits.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Klägerin hat ihre Beschwerde zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
II. A. Das Beschwerdeverfahren der Klägerin ist im Hinblick auf die von ihr erklärte Rücknahme der Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzutrennen.
B. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
1. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (BFH-Beschlüsse vom 1. September 2004 II B 156/03, BFH/NV 2005, 71, und vom 7. März 2005 II B 49/04, BFH/NV 2005, 1335, je m.w.N.). Diese Anforderungen gelten auch, wenn es um die Vereinbarkeit einer Vorschrift mit Verfassungsrecht oder sonstigem höherrangigen Recht geht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Mai 2003 IV B 206/01, BFH/NV 2003, 1394; vom 26. Juni 2003 III B 126/02, BFH/NV 2003, 1415; vom 30. Juni 2003 II B 88/02, BFH/NV 2003, 1439; vom 13. November 2003 XI B 106/03, BFH/NV 2004, 928; in BFH/NV 2005, 71, und vom 21. Januar 2005 VIII B 93/03, BFH/NV 2005, 894).
2. Solche Darlegungen fehlen im Streitfall. Der Kläger räumt selbst ein, dass die von ihm herausgestellte Frage in Rechtsprechung und Literatur nicht streitig sei. Er hat nicht hinreichend dargetan, woraus sich dennoch die Zweifelhaftigkeit der Rechtslage ergeben solle. Er hat nicht ausgeführt, aus welchen konkreten bundesrechtlichen Vorschriften er ableiten will, dass das von ihm angesprochene Äquivalenzprinzip nicht nur als Gedanke der Grundsteuer zugrunde liege, sondern das durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) garantierte und in § 25 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) vorgesehene Recht der Gemeinden zu bestimmen, mit welchem Hundertsatz des Steuermessbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz), begrenze. In dem vom Kläger angeführten Beschluss vom 20. Dezember 2002 II B 44/02 (BFH/NV 2003, 508) hat der BFH zwar ausgeführt, die Grundsteuer entspreche in besonderem Maße dem Äquivalenzgedanken, hieraus aber keine Begrenzung des den Gemeinden bei der Festsetzung der Hebesätze eingeräumten Ermessensspielraums abgeleitet. Der BFH hat vielmehr lediglich den engen Zusammenhang zwischen den Leistungen der Gemeinde für die Daseinsvorsorge und dem Grundsteueraufkommen hervorgehoben und weiter dargelegt, dass diese Leistungen für kinderreiche Familien etwa auf dem Gebiet der Kindergärten und Schulen besonders ins Gewicht fielen. Der BFH hat also den Äquivalenzgedanken entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur auf Leistungen der Gemeinde für das örtliche Grundstückseigentum bezogen, sondern wesentlich weiter gefasst. Mit dieser Rechtsprechung hat sich der Kläger nicht auseinander gesetzt und nicht dargetan, dass das Grundsteueraufkommen nach der Erhöhung des Hebesatzes auf 660 v.H. in Berlin die Ausgaben dieses Landes für die Daseinsvorsorge überschreiten würde.
Der Kläger hat sich auch nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224, BStBl II 1978, 125) und des BFH (Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464) befasst, wonach es sich beim Äquivalenzprinzip nur um eine pauschale Rechtfertigung der Gewerbesteuer insgesamt handelt, nicht aber um einen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, und nicht dargelegt, aus welchen Gründen es sich bei der Grundsteuer anders verhalten solle. Der Kläger hat schließlich auch nicht seine Ansicht begründet, die Erhöhung des Hebesatzes durch den Berliner Landesgesetzgeber verstoße schon deshalb gegen höherrangiges Recht, weil sich eine Beachtung des Äquivalenzprinzips nicht aus den Gesetzesmaterialien ergebe, ohne dass es auf den objektiven Inhalt der gesetzlichen Regelung und deren Folgen für die Steuerpflichtigen einerseits und das gesamte Grundsteueraufkommen im Verhältnis zu den Ausgaben für die Daseinsvorsorge andererseits ankomme.
Fundstellen
Haufe-Index 1434774 |
BFH/NV 2005, 2054 |