Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaß aus Billigkeitsgründen und Erlaßwürdigkeit
Leitsatz (NV)
1. Die Ablehnung eines Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen ist nicht ermessenswidrig, wenn es an der Erlaßwürdigkeit des Antragstellers fehlt.
2. An der Erlaßwürdigkeit kann es dann fehlen, wenn der Antragsteller in grober Weise steuerrechtliche Verpflichtungen vernachlässigt hat. Für die Erfüllung dieser Voraussetzung spricht eine Verurteilung des Antragstellers wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe.
3. Die Gefährdung der Existenz des Antragstellers durch eine Einziehung der Steuerforderungen zwingt nicht ohne weiteres zum Erlaß aus Billigkeitsgründen.
Normenkette
AO 1977 § 227
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) hat in den Jahren 1972 bis 1976 mindestens 400 000 Liter Heizöl bestimmungswidrig als Dieselkraftstoff verkauft und dadurch Mineralölsteuer in Höhe von 161 518 DM verkürzt. Das Schöffengericht hat ihn aufgrund dieses Verhaltens wegen fortgesetzter Mineralölsteuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.Der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA -) nahm den Beschwerdeführer wegen der unbedingt gewordenen Mineralölsteuer als Haftenden in Anspruch. Den Antrag auf Erlaß aus Billigkeitsgründen, den der Beschwerdeführer damit begründet hatte, er befinde sich in einer wirtschaftlichen Notlage, lehnte das HZA ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Der Beschwerdeführer erhob beim Finanzgericht (FG) Klage mit dem Antrag, den Ablehnungsbescheid des HZA aufzuheben und das HZA zu verpflichten, ihm - dem Beschwerdeführer - die geschuldete Mineralölsteuer zu erlassen. Außerdem beantragte er, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Das FG lehnte den Antrag auf Prozeßkostenhilfe aus folgenden Gründen ab: Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Aufgrund der Klage sei nur zu entscheiden, ob die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme rechtswidrig sei, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden sei. Das treffe nicht zu. Sachliche Billigkeitsgründe seien vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden. Für einen Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen fehle es an der Erlaßwürdigkeit, weil der Beschwerdeführer die Steuerhinterziehung begangen habe, um sich eine Einnahmequelle zu verschaffen.
Seine Beschwerde gegen die Entscheidung des FG begründet der Beschwerdeführer wie folgt: Die Ablehnung des Antrags auf Erlaß aus Billigkeitsgründen verstoße gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Ausfluß des Schutzes der Menschenwürde sei. Die physische Existenz des Beschwerdeführers würde gefährdet, wenn er aus seinen geringen Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung, die nach Erfüllung der Unterhaltspflichten das Existenzminimum nicht überschritten, die Mineralölsteuerschulden tilgen müsse.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Rechtsverfolgung mit der vom Beschwerdeführer erhobenen Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und dem Beschwerdeführer deshalb die Bewilligung einer Prozeßkostenhilfe für diese Klage zu versagen ist (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage fehlt, wenn das HZA sich zur Ablehnung des Erlasses aus Billigkeitsgründen auf fehlende Erlaßwürdigkeit berufen kann. Denn die Entscheidung des HZA über die Ablehnung des Antrags auf Erlaß aus Billigkeitsgründen ist nach den Grundsätzen zu überprüfen, die für die Nachprüfung einer Ermessensentscheidung zu beachten sind (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 4. Juli 1986 VII B 56/86, BFH / NV 1987, 20, 22). Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, daß im Streitfall nur ein Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen in Betracht kommt. Die Ablehnung eines Erlasses aus derartigen Gründen ist nicht ermessenswidrig, wenn es an der Erlaßwürdigkeit des Antragstellers fehlt (vgl. BFH / NV 1987, 20, 22; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Februar 1985 II R 83/83, BFH / NV 1985, 6).
An der Erlaßwürdigkeit kann es u. a. dann fehlen, wenn der Antragsteller in grober Weise steuerrechtliche Verpflichtungen vernachlässigt hat (vgl. BFH / NV 1985, 6, 8). Im Streitfall ist bei einer für die Entscheidung über den Antrag auf Prozeßkostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten bei der Weitergabe von Heizöl als Dieselkraftstoff diese Voraussetzung erfüllt hat. Dafür spricht schon, daß er aufgrund dieses Verhaltens wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Da die Ablehnung des Erlasses aus Billigkeitsgründen auch auf dieses Verhalten gestützt worden ist, erscheint sie folglich - zumindest bei der gebotenen summarischen Prüfung - nicht ermessenswidrig.
Einen Anspruch auf Erlaß aus Billigkeitsgründen vermag bei summarischer Prüfung auch nicht der Einwand des Beschwerdeführers zu begründen, seine Existenz sei bedroht, wenn er von seinen geringen Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung auch noch Zahlungen zur Tilgung der Mineralölsteuerschuld zu erbringen habe. Wird durch die Einziehung von Steuerforderungen die Existenz des Steuerschuldners gefährdet und liegt damit eine Bedürftigkeit zum Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen vor, so folgt daraus nicht ohne weiteres, daß die Steuerforderungen aus Billigkeitsgründen erlassen werden müßten. Weitere Voraussetzung ist vielmehr, daß auch Erlaßwürdigkeit besteht (BFH / NV 1987, 20, 22). Daran fehlt es bei summarischer Prüfung im Streitfall, wie oben dargelegt worden ist.
Ob der Beschwerdeführer gleichwohl einen Erlaß aus Billigkeitsgründen fordern könnte, wenn er ohne einen solchen Erlaß hinsichtlich der Gefährdung seiner Existenz schutzlos wäre, braucht nicht entschieden zu werden. Denn der Existenzsicherung dienen die Vorschriften der Abgabenordnung - AO 1977 - (vgl. §§ 295, 319) über die Beschränkungen und Verbote von Pfändungen auch von Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung (vgl. dazu Wolff in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3. Aufl., § 319 Rdnr. 4 ff., 4/3).
Fundstellen