Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen von Beweisanträgen; grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Leitsatz (NV)
- Wird eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch Nichterhebung eines in der Klageschrift beantragten Beweises geltend gemacht, ist darzulegen, dass die Nichterhebung des Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war. Gibt die Sitzungsniederschrift zu diesem Punkt nichts her, muss vorgetragen werden, dass die Protokollierung der Rüge verlangt und ‐ im Falle einer Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen ‐ eine Protokollberichtigung beantragt worden ist.
- Ein Verfahrensmangel ist nur das Übergehen eines erheblichen Beweisantrages.
- Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO §§ 164-165, 295
Gründe
Die Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―im Folgenden: FGO n.F.―.
1. Mit der Rüge, das Finanzgericht (FG) habe durch Nichterhebung angebotener Beweise ―im Streitfall: Vernehmung des Zeugen X― seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, macht der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO n.F. geltend. Den Anforderungen der Vorschrift genügt sein Vorbringen aber nicht, denn die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung angebotener Beweise setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N., und BFH-Beschluss vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777, m.w.N.) voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt:
a) die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,
b) die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen,
c) die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminprotokolle), in denen die Beweisthemen angeführt worden sind,
d) das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme und
e) inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann.
Da § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte ―ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge― verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―), muss außerdem vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 1994 I B 19-21/94, BFH/NV 1995, 441; vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238; vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608).
Diesen an eine Nichtzulassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht:
a) Zum einen kann das Übergehen eines Beweisantrages nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Beteiligte den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hat, obwohl dort zu erkennen war, dass das Gericht den Beweis nicht erheben werde (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372). Dass der Kläger das Übergehen eines Beweisantrages gerügt hätte, ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2000 jedoch nicht. Der Kläger hätte daher vortragen müssen, in der mündlichen Verhandlung eine Protokollierung der Rüge verlangt, und ―im Falle der Weigerung des Gerichts, die Protokollierung vorzunehmen― eine Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. den §§ 160 Abs. 4, 164 ZPO beantragt zu haben (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 1999 II B 14/99, BFH/NV 2000, 582). Dazu fehlt jeglicher Vortrag.
b) Zum anderen ist nur das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags ein Verfahrensmangel (vgl. u.a. BFH-Beschluss in BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372, und Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 76 Rz. 24, m.w.N.). In der Klagebegründung im erstinstanzlichen Verfahren hat sich der Kläger zwar auf das Zeugnis des Steuerberaters X zum Beweis der Tatsache berufen, dass in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr Schuldzinsen in Höhe von 14 531 DM als Werbungskosten aus Kapitalvermögen angesetzt wurden. Das war zwischen den Beteiligten jedoch nicht streitig, vielmehr ging es um die Frage, ob die unstreitig gezahlten Schuldzinsen steuerrechtlich als Werbungskosten zu beurteilen waren. Insoweit handelt es sich aber um eine rechtliche Wertung und nicht um vom Gericht festzustellende Tatsachen.
2. Die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es den Steuerberater X von Amts wegen hätte vernehmen und die Steuerakten der damaligen Ehefrau des Klägers beiziehen müssen, ist nicht zulässig erhoben. Denn bei einer Rüge der Verletzung der von Amts wegen gebotenen Sachaufklärungspflicht gehören nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 802; BFH-Beschlüsse vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37, und vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236) zu einem schlüssigen Sachvortrag u.a. Ausführungen dazu, welche Tatsachen das FG hätte aufklären oder welche Beweise es hätte erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Substantiierter Vortrag des Klägers in diesem Sinne liegt nicht vor. Soweit sich der Kläger darauf beruft, das FG habe seiner Entscheidung zu Unrecht einen nicht unterzeichneten Darlehensvertrag zugrunde gelegt, den sein damaliger Steuerberater dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) vorgelegt habe, ist dieses Vorbringen nicht schlüssig. Denn die Frage, ob ein wirksamer Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der GmbH zustande gekommen ist, war für das FG nicht entscheidungserheblich. Das FG hat bei seiner Entscheidung letztlich nicht auf das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein eines Darlehensvertrages abgestellt, sondern darauf, dass die Übernahme der Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens der damaligen Ehefrau durch den Kläger und die darauf beruhenden Zinszahlungen durch die Scheidungsvereinbarung des Klägers mit seiner damaligen Ehefrau und damit privat veranlasst waren. Auf welcher rechtlichen Grundlage zwischen GmbH und Kläger dessen Zahlungen gründeten, war insoweit ohne Belang.
Gleiches gilt für eine etwaige Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Nichtbeiziehung der Steuerakten der damaligen Ehefrau des Klägers. Weder hat der Kläger dargelegt, welche Aufschlüsse genau aus diesen Akten voraussichtlich zu gewinnen gewesen wären, noch dass Feststellungen aus diesen Steuerakten für sein Verfahren von Bedeutung sein könnten bzw. inwieweit das FG-Urteil auf der unterlassenen Sachverhaltsaufklärung beruhen kann.
3. Die hilfsweise geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F.) hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 7, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 31. Mai 2000 IV B 55/99, juris). Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F.). Die bloße Behauptung, die Streitsache sei klärungsbedürftig und habe daher grundsätzliche Bedeutung, reicht nicht. Vielmehr muss der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen und überdies Ausführungen machen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. November 1989 VII S 10/89, BFH/NV 1990, 585, 586; vom 25. Mai 1999 V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497, sowie vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51). Insoweit hat sich durch die Neufassung der Vorschriften über die Revisionszulassung nichts geändert (vgl. BFH-Beschluss vom 14. August 2001 XI B 57/01, a.a.O.).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Denn das Vorbringen des Klägers, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil ein unterschriftsloser Darlehensvertrag als dennoch gültig angesehen werde und daher Rechtswirkungen für ihn habe, kann keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es für das FG letztlich nicht darauf ankam, ob zwischen dem Kläger und der GmbH ein unterzeichneter und wirksamer Darlehensvertrag zustande gekommen war, ist aus der Beschwerdeschrift nicht ersichtlich, weshalb es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Rechtsfrage handelt. Überdies fehlen jegliche Ausführungen dazu, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist. Mit der bloßen Behauptung, das Urteil sei rechtsfehlerhaft, ist die grundsätzliche Bedeutung jedenfalls nicht dargelegt (BFH-Beschluss vom 26. November 1998 XI B 167/97, BFH/NV 1999, 658).
4. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO n.F. abgesehen.
Fundstellen