Nachweis der betrieblichen Nutzung eines PKW für Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibung
Hintergrund: Private Nutzung eines betrieblichen PKW
Der selbständig tätige Rechtsanwalt R hatte in 2009 und 2013 für die künftige Anschaffung eines PKW jeweils einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) gebildet.
In 2011 schaffte er einen PKW (Audi Q 5) an, den er bis 2016 behielt. Für das Fahrzeug nahm er in 2013 eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in Anspruch. In 2016 erwarb er einen weiteren Audi Q 5. Beide Fahrzeuge ordnete er dem Betriebsvermögen zu.
Daneben hielt R einen weiteren PKW (BMW Z 4) im Betriebsvermögen, der von seiner in der Kanzlei angestellten Ehefrau auch für private Fahrten genutzt wurde. Zudem stand R selbst ein weiterer PKW für Privatfahrten zur Verfügung.
Das FA war der Auffassung, die zwei in 2009 und 2013 angeschafften PKW seien auch für private Zwecke genutzt worden. Da die von R geführten Aufzeichnungen nicht als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anerkannt werden könnten, sei die ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung nicht nachgewiesen. Dieser Nachweis könne nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erbracht werden. Die Berechnung nach der "1 %-Methode" genüge nicht, da diese Methode auf einer etwa 20 %-igen Privatnutzung beruhe. Die IAB und die Sonderabschreibung seien daher nach § 7g Abs. 4, Abs. 6 Nr. 2 EStG rückgängig zu machen.
Das FG wies die Klage ab. Der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung sei wegen der fehlerhaften Aufzeichnungen nicht erbracht worden.
Entscheidung: Keine eingeschränkte Beweisführung für die fast ausschließliche betriebliche Nutzung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Die fast ausschließliche betriebliche Nutzung kann nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Der Nachweis kann auch durch andere Unterlagen geführt werden.
Rechtslage
IAB und Sonderabschreibung setzen voraus, dass das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (§ 7g Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG). In beiden Fällen ist eine betriebliche Nutzung von mindestens 90 % erforderlich (BFH v. 6.4.2016, X R 28/14, BStBl II 2017, S. 302, Rz. 29; BMF-Schreiben v. 20.11.2013, BStBl I 2013, S. 1493, Rz. 39, und v. 20.3.2017, BStBl I 2017, S. 423, Rz. 42). Der Nachweis obliegt dem Steuerpflichtigen.
Keine ordnungsgemäßen Fahrtenbücher
Zu einem ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuch i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG gehört, dass es zeitnah und in geschlossener Form geführt ist und die zu erfassenden Fahrten vollständig und fortlaufend wiedergibt (BFH v. 16.3.2006, VI R 87/04, BStBl II 2006, 625). Diese Anforderungen sind im Streitfall (nach der Würdigung des FG) nicht erfüllt. Die lückenhaften Aufzeichnungen des R sind daher nicht geeignet, den erforderlichen Nachweis der fast ausschließlich betrieblichen Nutzung zu erbringen.
Nachweis nach allgemeinen Grundsätzen
Der BFH bekräftigt die neuere Rechtsprechung, die den Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung nicht auf ordnungsgemäße Fahrtenbücher beschränkt. Der Nachweis kann (nach allgemeinen Beweisgrundsätzen) auch durch andere Beweismittel geführt werden (BFH v. 15.7.2020, III R 62/19, BFH/NV 2021, S. 704). Denn die Fahrtenbuchmethode stellt keine allgemeine Vorschrift zum Nachweis der Nutzungsanteile von Kfz dar. Ihre Anwendung kommt daher (mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Verweisung) im Rahmen des § 7g EStG nicht in Betracht (BFH v. 15.7.2020, III R 62/19, BFH/NV 2021, S. 704, Rz. 29 ff. und 34).
Kein Nachweis anhand der 1 %-Regelung
Beim Fehlen ordnungsgemäßer Fahrtenbücher kann der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines PKW auch nicht anhand der 1 %-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG) geführt werden. Denn der Durchschnittswert von monatlich 1 % des Bruttolistenpreises entspricht etwa einer Privatnutzung von 20 bis 25 %, also mehr als nur 10 % (BFH v. 3.1.2006, XI B 106/05, BFH/NV 2006, S. 1264). Die "1 %-Regelung" ist (als Ausnahmen von den allgemeinen Bewertungsregeln, BFH v. 19.3.2009, IV R 59/06, BFH/NV 2009, S. 1617) nicht auf § 7g EStG übertragbar.
Zurückverweisung an das FG
Der BFH musste den Fall an das FG zurückverweisen. R hatte vor dem FG den Beweisantrag gestellt, die Zeugin Z zum Umfang der betrieblichen bzw. privaten Nutzung der PKW zu vernehmen, insbesondere zu den in den vorgelegten Listen aufgeführten Terminen des R zu hören. Mit der Ablehnung dieses Beweisantritts hat das FG die ihm nach § 76 Abs. 1 FGO auferlegte Sachaufklärungspflicht verletzt.
Hinweis: Fortführung der Rechtsprechung
Der BFH (III. Senat) hat bereits in dem (allerdings nicht zur amtlichen Veröffentlichung frei gegebenen) Urteil v. 15.7.2020, III R 62/19 (BFH/NV 2021, S. 704) entschieden, dass die Anteile der betrieblichen und außerbetrieblichen Nutzung eines PKW im Rahmen des § 7g EStG nicht nur durch ein Fahrtenbuch, sondern auch durch andere Beweismittel geführt werden kann. Diese Rechtsprechung führt der BFH im Streitfall (VIII. Senat) fort.
Übergehen eines Beweisantrags als Verfahrensmangel
Der BFH weist ergänzend darauf hin, dass es sich bei dem Verfahrensmangel der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung um einen Verfahrensfehler handelt, auf dessen Rüge verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Wird der Verfahrensfehler vor dem FG nicht geltend gemacht, liegt ein Rügeverzicht vor, der den Verlust des Rügerechts auslöst. Das hat zur Folge, dass der Verfahrensfehler vor dem BFH nicht mehr gerügt werden kann. Im Streitfall kann allerdings nicht von einem Rügeverzicht ausgegangen werden. Zum einen hat R den Beweisantrag vor Stellung der Sachanträge ausdrücklich wiederholt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er auf der beantragten Beweiserhebung besteht. Zum anderen hat er ausweislich des Sitzungsprotokolls unmittelbar vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung das Übergehen der Beweisanträge und die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG gerügt.
BFH Urteil vom 16.03.2022 - VIII R 24/19 (veröffentlicht am 02.06.2022)
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