Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz
Leitsatz (NV)
Grundsätzlich wird das Vertrauen eines Steuerpflichtigen auf eine bisherige Verwaltungsübung oder Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht geschützt.
Normenkette
AO 1977 § 4
Verfahrensgang
Gründe
Die Entscheidung ergeht gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind unterrichtet und gehört worden.
a) Das FA ist bei der Veranlagung an eine Rechtsauffassung, die es bei vorhergehenden Veranlagungen zugrunde gelegt hat, grundsätzlich nicht gebunden, und zwar selbst dann nicht, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (Urteil des BFH vom 10. November 1982 I R 142/79, BFHE 137, 202, BStBl II 1983, 280). Unerheblich ist daher, daß - wie der Kl. vorträgt - das FA in zwei anderen Verfahren (X und Y) gering verzinsliche öffentliche Wohnungsbaudarlehen anders behandelt und sich ,,deutlich erkennbar zu Beginn des (vorliegenden) Besteuerungsverfahrens mit dem Kläger auf den Boden der Rechtsanwendung stellte, der nach den beiden . . . Entscheidungen des erkennenden Senats aus dem Jahr 1967 vorgegeben war". Letzteres kam dadurch, daß das BFH-Urteil vom 12. Dezember 1979 II R 127/74 (BFHE 129, 404, BStBl II 1980, 218) erst im Verlauf des Einspruchsverfahrens ergangen und dem FA bekanntgeworden war. Daß das FA vor Abschluß des Kaufvertrages vom 20. Mai 1974 verbindlich eine bestimmte grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung zugesagt habe, behauptet der Kl. nicht.
Die Verfahrensrügen des Kl., das FG habe seine Aufklärungspflicht nach § 76 FGO verletzt und nicht berücksichtigt, daß das FA in den Verfahren X und Y und auch zunächst im vorliegenden Besteuerungsverfahren eine andere Auffassung hinsichtlich gering verzinslicher öffentlicher Wohnungsbaudarlehen vertreten habe, ist daher unbegründet. Das FG-Urteil ,,beruht" nicht auf diesen behaupteten Verfahrensmängeln (§ 118 Abs. 1 FGO).
Ebensowenig hat der Kl. ganz allgemein Anspruch darauf, ,,entsprechend der Rechtsprechung des Senats" (Urteile vom 14. Februar 1967 II 69/63, BFHE 87, 547, BStBl III 1967, 203, und vom 9. Mai 1967 II R 118/66, BFHE 88, 390, BStBl III 1967 427) ,,besteuert zu werden, die dem letzten Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Vornahme des Verfahrens gegenständlichen Grundstücks-Kaufvertrages entsprochen hat". Einen allgemeinen Vertrauensschutz dieser Art gibt es nicht. Das würde eine Erstarrung der Rechtsprechung zur Folge haben. Denn nach dem System der FGO ist es nicht möglich, einer Anfechtungsklage stattzugeben und gleichzeitig in den Gründen des Urteils entgegengesetzte verbindliche ,,Richtlinien" für künftige Fälle zu geben. Die FGO kennt nur die Entscheidung des bereits verwirklichten Einzelfalles (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 27. Januar 1972 II R 148/70, BFHE 105, 68, BStBl II 1972, 431).
Offen mag bleiben, ob Ausnahmen von dem vorgenannten Grundsatz angesichts der geschilderten eindeutigen, in dem System der FGO zum Ausdruck kommenden Ansicht des Gesetzgebers möglich sind. Eine außergewöhnliche Situation, wie sie dem BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 III R 16/78 (BFHE 127, 476, BStBl II 1979, 455) zugrunde lag, besteht hier nicht; die Gegenleistung nach § 11 GrEStG hat keinen der Investitionszulage vergleichbaren wirtschaftslenkenden Inhalt.
Fundstellen
Haufe-Index 413791 |
BFH/NV 1985, 62 |