Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB-Begründungsfrist; Darlegung von Wiedereinsetzungsgründen im Krankheitsfall
Leitsatz (NV)
1. Eine NZB ist unzulässig, wenn sie nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) begründet wird.
2. Für den Fall einer krankheitsbedingten Abwesenheit von Bürokräften sind für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Angaben dazu erforderlich, welche organisatorischen Vorkehrungen für einen solchen Fall zur Vermeidung von Fristversäumnissen getroffen wurden. Dazu ist im Einzelnen darzulegen, wie die Fristenkontrolle im Büro des postulationsfähigen Steuerpflichtigen bei ‐ wie auch immer (hier: durch Krankheit) bedingter ‐ Abwesenheit der in seiner Kanzlei nahezu ausschließlich für ihn tätigen und in persönlichen Angelegenheiten allein und ausschließlich zuständigen, langjährigen und als zuverlässig beschriebenen Mitarbeiterin geregelt ist.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, 2 S. 1, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 Sätze 1-4
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 02.02.2006; Aktenzeichen 15 K 6871/02 F) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist begründet wurde und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof (BFH) unter Darlegung der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO schriftlich zu begründen. Im Streitfall ist diese Frist für das am 9. März 2006 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) am 9. Mai 2006 abgelaufen (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Dadurch ist das angefochtene Urteil rechtskräftig geworden. Die erst am 6. Juni 2006 beim BFH eingegangene Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) war mithin verspätet, da eine Verlängerung der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO) nicht rechtzeitig vor Ablauf der Begründungsfrist, sondern erst mit Fax am 10. Mai 2006 beantragt und auch nicht gewährt worden war.
2. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und insbesondere der rechtzeitigen Verlängerung dieser Frist kann nicht gewährt werden.
a) Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen bzw. bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2002 VII B 150/02, BFH/NV 2002, 1489; vom 25. Juni 2003 XI B 186/02, BFH/NV 2003, 1589). Für den Fall einer krankheitsbedingten Abwesenheit von Bürokräften sind Angaben dazu erforderlich, welche organisatorischen Vorkehrungen für einen solchen Fall zur Vermeidung von Fristversäumnissen getroffen wurden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. März 2002 V B 189/01, BFH/NV 2002, 946; vom 13. Juni 2005 III B 3/04, nicht veröffentlich, juris-web Nr.STRE200550924). Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
b) Danach kommt die beantragte Wiedereinsetzung nicht in Betracht; denn der --i.S. des § 62a FGO postulationsfähige-- Kläger war nicht unverschuldet an der Einhaltung der Begründungsfrist gehindert.
Zum einen ist weder dargelegt noch aus seinem Vorbringen ersichtlich, wie die Fristenkontrolle in seinem Büro bei Abwesenheit der in seiner Kanzlei nahezu ausschließlich für ihn tätigen und in persönlichen Angelegenheiten allein und ausschließlich zuständigen, langjährigen und als zuverlässig beschriebenen Mitarbeiterin Frau H geregelt ist; daraus ergibt sich bereits ein Organisationsverschulden des Klägers.
Zum anderen und vor allem war dem Kläger die Situation der krankheitsbedingten Abwesenheit der Frau H ab dem 5. Mai 2006 bekannt; er selbst hatte sie wegen ihrer ersichtlich stark eingeschränkten Arbeitsfähigkeit am 5. Mai 2006 gegen 9 Uhr nach Hause geschickt. In Kenntnis seiner Büroorganisation und der Tatsache, dass die Wiedervorlage von Fristsachen in seiner Kanzlei regelmäßig täglich zwischen 9.30 Uhr und 10.00 Uhr zu erledigen ist, hat er es unterlassen, für eine entsprechende Vertretung zu sorgen oder sonst für die Wiedervorlage der Fristsachen Sorge zu tragen. In diesem zumindest fahrlässigen Verhalten liegt das eigene Verschulden des Klägers.
Fundstellen