Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehung ehrenamtlicher Richter
Leitsatz (NV)
Zur Reihenfolge bei der Heranziehung ehrenamtlicher Richter.
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1, § 27
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) forderte von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit zwei Bescheiden die Ausfuhrerstattung für Rindfleisch mit der Begründung zurück, das Fleisch sei nicht nachweislich auf den Markt eines Drittlandes gelangt und sei auch nicht erstattungsfähig gewesen. Gegen das die Klage abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) legte die Klägerin Revision ein, mit der sie die nicht ordnungsgemäße Besetzung des FG in der mündlichen Verhandlung vom ... (Sitzung X) rügt.
Sie ist der Ansicht, daß an der Sitzung nach dem Geschäftsverteilungsplan des FG statt der ehrenamtlichen Richter B und C die ehrenamtlichen Richter D und E hätten teilnehmen müssen. Nach dem Geschäftsverteilungsplan würden die ehrenamtlichen Richter in der Reihenfolge zu den Sitzungen geladen, wie sie in den Anlagen ... zum Geschäftsverteilungsplan für das Jahr ... aufgeführt seien. Zur Teilnahme an der der Sitzung X vorangegangenen Sitzung vom ... seien (nacheinander) die ehrenamtlichen Richter F, D und E geladen worden. Aufgrund von Absagen dieser Richter sei schließlich der ehrenamtliche Richter G zu dieser Sitzung herangezogen worden. Ein Grund für die Absage der Richter sei in den Ladungsverfügungen nicht vermerkt worden. Das Ausbleiben eines Richters aufgrund einer Absage ohne nähere Begründung könne aber nicht dazu führen, daß statt ihrer andere Richter eingesetzt würden. Eine derartige Handhabung verstoße gegen den Wesensgehalt der Vorschrift des Art. 101 des Grundgesetzes (GG). Bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise hätten daher die Richter D und E noch für die Heranziehung zur Teilnahme an der Sitzung X zur Verfügung gestanden. Außerdem sei ein Verstoß gegen Art. 101 GG darin zu sehen, daß beim FG kein ergänzender Geschäftsverteilungsplan des Vorsitzenden existiere, der den Einsatz ehrenamtlicher Richter regele, sofern diese aus wichtigen Gründen verhindert seien, an Sitzungen des Senats teilzunehmen.
Entscheidungsgründe
Die auf § 116 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Verfahrensrevision der Klägerin ist unzulässig und deshalb nach § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.
Eine Revision ist ohne besondere Zulassung nach § 116 Abs. 1 FGO nur statthaft, wenn mit ihr einer der in dieser Vorschrift abschließend aufgeführten Verfahrensmängel geltend gemacht und schlüssig vorgetragen wird (§ 120 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat jedoch den von ihr geltend gemachten Verfahrensmangel der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des FG in der Sitzung am 15. November 1993 (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO) nicht - wie nach § 1120 Abs. 2 FGO erforderlich - schlüssig dargelegt.
1. Die Ausführungen der Klägerin ergeben nicht, daß das FG durch Heranziehung der ehrenamtlichen Richter B und C in der Sitzung X nicht vorschriftsmäßig besetzt war und damit ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO vorliegt.
Die Heranziehung ehrenamtlicher Richter zu den Sitzungen des FG ist durch § 27 FGO geregelt. Danach bestimmt das Präsidium des FG vor Beginn des Geschäftsjahres durch Aufstellung einer Liste die Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen heranzuziehen sind (§ 27 Abs. 1 FGO). Der von der Klägerin vorgelegte Geschäftsverteilungsplan des FG für das Jahr ... enthält als Anlagen für jeden Senat eine Liste, in der die dem Senat zugeteilten ehrenamtlichen Richter in namentlicher Reihenfolge aufgeführt sind. Zusätzlich bestimmt der Geschäftsverteilungsplan über ehrenamtliche Richter folgendes:
1. Die ehrenamtlichen Richter sind - anschließend an die Reihenfolge der Heranziehungen im vorangegangenen Geschäftsjahr - in der Reihenfolge zu den Sitzungen zu laden, wie sie in den Anlagen ... zum Geschäftsverteilungsplan aufgeführt sind.
2. An die Stelle eines verhinderten ehrenamtlichen Richters tritt der ihm in der Liste folgende ehrenamtliche Richter.
3. Jeder ehrenamtliche Richter, der zu einer Sitzung geladen ist, gilt als zu einer Sitzung herangezogen im Sinne des § 27 Finanzgerichtsordnung.
4. Ein an der Teilnahme verhinderter ehrenamtlicher Richter wird erst dann zu einer Sitzung herangezogen, wenn er nach Nummer 1 wieder an der Reihe ist.
Durch diese Regelung ist die Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richter zu den einzelnen Sitzungen heranzuziehen sind, nach allgemeinen Merkmalen im voraus eindeutig bestimmt. Den Anforderungen, die Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG an die Bestimmung des gesetzlichen Richters auch hinsichtlich der ehrenamtlichen Richter stellt (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. August 1966 I 94/65, BFHE 86, 747, BStBl III 1966, 655), ist damit Genüge getan.
Die ehrenamtlichen Richter B und C sind in Übereinstimmung mit der durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmten Reihenfolge zu der Sitzung X herangezogen worden. Die in der Liste vor ihnen stehenden ehrenamtlichen Richter D, E und G galten gemäß Ziff.3 der zitierten Regelung über die Heranziehung ehrenamtlicher Richter zu Sitzungen des FG durch ihre Ladung für die der Sitzung X vorangegangene Sitzung als bereits zu einer Sitzung herangezogen und schieden damit gemäß Ziff.1 dieser Regelung für die Teilnahme an der Sitzung X aus.
Unerheblich ist, ob diese Richter zu Recht für die der Sitzung X vorangegangene Sitzung geladen worden waren. Denn nach der in Ziff.3 getroffenen Regelung kommt es für die Frage, ob ein Richter als zu einer Sitzung herangezogen gilt und damit - bis die Reihe wieder an ihm ist - zu einer weiteren Sitzung nicht mehr herangezogen werden kann, allein auf den formalen Umstand seiner Ladung zu einem bestimmten Termin an. Dabei ist es ohne Belang, welche Umstände zu seiner Ladung geführt haben, insbesondere auch, ob die vor ihm geladenen ehrenamtlichen Richter zu Recht als verhindert angesehen worden sind. Diese Umstände könnten allenfalls in dem Verfahren eine Rolle spielen, in dem die Sitzung stattgefunden hat, zu der der betreffende ehrenamtliche Richter geladen worden ist.
Deshalb liegen die Ausführungen der Klägerin, die darauf hinaus laufen, daß das FG Richter zu Unrecht für die der Sitzung X vorangegangene Sitzung geladen hat, die den ehrenamtlichen Richtern B und C in der durch die Liste festgelegten Reihenfolge vorgingen, neben der Sache und vermögen eine unvorschriftsmäßige Besetzung des FG in dem anhängigen Verfahren, in dem die geschäftsplanmäßig vorgegebene Reihenfolge für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter eingehalten wurde, nicht zu begründen.
2. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO ergibt sich im Streitfall auch nicht aus der Behauptung, daß ein ergänzender Geschäftsverteilungsplan des Vorsitzenden des FG über die Ersetzung verhinderter durch andere ehrenamtliche Richter fehle. Denn hierauf kommt es schon deswegen nicht an, weil sich im vorliegenden Fall die Notwendigkeit einer Vertretung nicht ergab.
Fundstellen