Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrgewinne aufgrund einer Betriebsprüfung nach Ausscheiden eines BGB-Gesellschafters
Leitsatz (NV)
Werden nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters einer Personengesellschaft durch eine Betriebsprüfung Mehrgewinne festgestellt, die dem Gesellschafter anteilig zugerechnet werden, so erhöht sich hierdurch nicht zwangsläufig sein Kapitalkonto im Zeitpunkt des Ausscheidens. Er erleidet daher nicht notwendigerweise einen Veräußerungsverlust, wenn die Abfindung hinter dem ihm zugerechneten Anteil des Mehrgewinns zurückbleibt.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 04.07.2003; Aktenzeichen 11 K 4022/01 F) |
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist mit Wirkung vom 31. Oktober 1998 aus der Anwaltssozietät (GbR), der er bisher angehörte, ausgeschieden. Die Sozietät ermittelte ihre Gewinne nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
In einer zwischen den früheren Sozien getroffenen Absprache vom 7. März 2000 ist unter II. u.a. Folgendes vereinbart:
1. Zwischen der Sozietät einerseits und Herrn A (Kläger) andererseits besteht Einigkeit, dass wechselseitige Ansprüche anlässlich des Ausscheidens von Herrn A aus der Sozietät zum 31. Oktober 1998 nicht mehr bestehen und auf eventuell noch bestehende Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, verzichtet wird, wobei die Verzichtserklärungen wechselseitig angenommen werden.
2. Herr A wird im Innenverhältnis von Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen … voll umfänglich freigestellt.
3. Herr A verzichtet auf seinen Anteil am Rückkonto einschließlich aufgelaufener Zinsen zugunsten der Sozietät.
Die von der Sozietät erklärten Einkünfte für das Streitjahr (1998) hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zunächst erklärungsgemäß festgestellt und verteilt.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung änderte das FA den Bescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Prüferin hatte festgestellt, dass das in der Vereinbarung vom 7. März 2000 erwähnte Rücklagenkonto (Sparkonto bei der X-Bank) zum 31. Oktober 1998 zugunsten des Klägers ein Guthaben in Höhe von 66 152 DM auswies. In dieser Höhe nahm sie einen Veräußerungsverlust an, weil der Kläger in der Vereinbarung vom 7. März 2000 auf die Auszahlung verzichtet hatte.
Außerdem waren nach Auffassung der Prüferin die laufenden Gewinne der GbR zu erhöhen. Die auf den Kläger entfallenden Gewinnerhöhungen beliefen sich für die Jahre 1995 bis 1998 per Saldo auf 145 407 DM.
Der Kläger erhob gegen den Änderungsbescheid Einspruch und anschließend Klage. Er machte geltend, für das Streitjahr sei ihm ein zusätzlicher Veräußerungsverlust in Höhe von 145 407 DM entstanden; denn die von der Betriebsprüferin angesetzten Gewinnerhöhungen könnten ihm aufgrund der Vereinbarung vom 7. März 2000 nicht mehr zufließen. Das ergebe sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Oktober 1996 IV R 90/94 (BFHE 181, 476, BStBl II 1997, 241).
Das Finanzgericht (FG) lud die übrigen (ehemaligen) Sozien zum Verfahren bei und wies die Klage ab.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die auf Verfahrensmängel und Divergenz gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das FG ist nicht von der Senatsentscheidung in BFHE 181, 476, BStBl II 1997, 241 abgewichen. Der Senat hat in diesem Urteil entschieden, dass ein Gesellschafter einen Veräußerungsverlust erleidet, wenn er nach Auffüllung seines negativen Kapitalkontos ohne Abfindung ausscheidet, eine spätere Betriebsprüfung jedoch Gewinne feststellt, die bei ihm zu einem positiven Kapitalkonto führen. Von diesem Rechtssatz ist das FG nicht abgewichen. Zwar ist der Streitfall mit dem vom Senat entschiedenen Fall insoweit vergleichbar, als nach Ausscheiden eines Gesellschafters durch eine Betriebsprüfung Gewinne festgestellt wurden, die dem Ausgeschiedenen anteilig zuzurechnen waren. Im Gegensatz zu dem Fall, der dem Senatsurteil in BFHE 181, 476, BStBl II 1997, 241 zugrunde lag, haben diese Gewinne nach den Feststellungen des FG jedoch nicht dazu geführt, dass sich --bezogen auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens-- das Kapitalkonto des Klägers erhöhte.
Scheidet ein Gesellschafter aus einer GbR aus, so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen kraft Gesetzes (§ 738 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) den verbleibenden Gesellschaftern zu. Steuerlich ist hierin eine Veräußerung des Gesellschaftsanteils an die verbleibenden Gesellschafter zu sehen (Senatsurteil in BFHE 181, 476, BStBl II 1997, 241).
Der dabei zu berücksichtigende Veräußerungsgewinn oder -verlust bestimmt sich nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG. Danach ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Beim Ausscheiden aus einer Gesellschaft ist daher maßgeblich die Differenz zwischen einer ggf. gezahlten Abfindung und dem Kapitalkonto des Ausscheidenden. Der Wert des Anteils am Betriebsvermögen (Kapitalkonto) ist für den Zeitpunkt des Ausscheidens nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Der Anteil des Klägers am Betriebsvermögen betrug im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der Sozietät nach den Feststellungen des FG 66 152 DM, entsprach demnach dem auf ihn entfallenden Anteil an dem Sparkonto bei der X-Bank (Rücklagenkonto). Das wird vom Kläger offenbar nicht in Zweifel gezogen. Da der Kläger im Vertrag vom 7. März 2000 auf die Auszahlung dieses Betrages verzichtet hatte, entstand ihm in dieser Höhe ein Veräußerungsverlust.
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sein Veräußerungsverlust erhöhe sich um die ihm zugerechneten, nachträglich festgestellten Mehrgewinne der Jahre 1995 bis 1998. Vom FA festgestellte steuerliche Mehrgewinne erhöhen das Betriebsvermögen im Zeitpunkt des Ausscheidens nicht in jedem Fall. Zum einen kommt es zu überhaupt keiner Erhöhung des Betriebsvermögens, sofern die Mehrgewinne --wie ein Teil der hier in Rede stehenden Beträge-- darauf beruhen, dass nach Auffassung des FA privat veranlasste Ausgaben zu Unrecht als Betriebsausgaben erfasst wurden. Aber auch sofern Gewinne zunächst das Betriebsvermögen erhöht haben, kann sich dieser Effekt in späteren Jahren durch Entnahmen wieder verflüchtigt haben.
Die früheren Sozien des Klägers haben als Beigeladene im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass die Entnahmen des Klägers in den Jahren 1995 bis 1998 um 234 472 DM über seinen Gewinnanteilen gelegen hätten (Schriftsatz vom 5. Februar 2003). Diese Mehrentnahmen meint das FG offenbar, wenn es von "Verbindlichkeiten" des Klägers gegenüber der Sozietät spricht. Einen Hinweis darauf bietet das Protokoll des Erörterungstermins vom 12. Februar 2003, in dem der Berichterstatter darauf hinwies, dass nach seiner Auffassung --zumindest inzidenter-- eine Auseinandersetzungsbilanz aufgestellt worden sei, die im Ergebnis zu einem Kapital bei dem ausgeschiedenen Kläger in Höhe von 66 152 DM geführt habe. Weiter heißt es:
"Sollte nunmehr eine hiervon geänderte Bilanz aufgestellt werden, ist nach Auffassung des Berichterstatters zu beachten, dass nicht nur Forderungen einzustellen sind, sondern auch mögliche Verbindlichkeiten. Davon dass solche Verbindlichkeiten aus der Sicht des Klägers bestehen, dürfte auf der Grundlage der Ausführungen im Schriftsatz der Beigeladenen vom 5. Februar 2003 auszugehen sein."
Für die Richtigkeit dieser Würdigung spricht, dass der Kläger in der Absprache vom 7. März 2000 unter II.3. auf die Auszahlung seines Anteils am Rücklagenkonto verzichtet hat.
Im Urteil des FG kommt diese Erwägung nicht mehr zum Ausdruck. Dort heißt es vielmehr, Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Sozietät in Höhe von 145 407 DM seien aus der Regelung unter II.1. des Vertrags vom 7. März 2000 herzuleiten, in der es heiße, dass keine gegenseitigen Ansprüche bestünden.
Mag diese Erklärung nicht einleuchten, so beinhaltet sie doch entgegen der Auffassung des Klägers keinen Verfahrensfehler, der zu einer Zulassung der Revision führen könnte. Selbst wenn man annehmen wollte, dass das Bestehen von Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Sozietät von den aus den Urteilsgründen ersichtlichen Feststellungen des FG nicht gedeckt gewesen sei, so läge hierin ein Fehler des materiellen Rechts (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. April 1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670). Ein solcher Fehler kann nur im Revisionsverfahren, nicht jedoch im Streit um die Zulassung der Revision beachtet werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 81, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1215481 |
BFH/NV 2004, 1526 |