Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen bei Auslandsbeziehungen eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen besteht.
2. Die Feststellungslast trifft den Steuerpflichtigen jeden- falls dann, wenn die aufzuklärenden Tatsachen allein in seiner Verantwortungssphäre liegen.
Orientierungssatz
Die betriebliche Veranlassung von Zahlungen an eine sog. Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb in Liechtenstein hat der Steuerpflichtige nachzuweisen. Im Streitfall (AdV-Verfahren) konnten Honorare für die Überlassung von Typenprogrammen und Zinsen für die Gewährung ungesicherter Darlehen nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, weil der Steuerpflichtige nicht aufgeklärt hat, wer die Domizilgesellschaft beherrschte und welche Person die Programme tatsächlich fertigte.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; AO 1977 § 90 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2 S. 1; FGO § 69 Abs. 3; AO 1977 § 88 Abs. 1 S. 1, § § 88 ff.
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) betreiben den Kauf, die Bebauung und den Verkauf von Grundstücken in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
Am 5.Juli 1973 wurde mit der X-Anstalt Vaduz/Liechtenstein (X) vereinbart, ein von der Firma entwickeltes Typenprogramm (Norm-, Serien- bzw. Systemhaus) zu verkaufen. Die X sollte pro Wohneinheit ein Honorar von 8 000 DM erhalten. Außerdem gewährte die X den Antragstellern in den Jahren 1973 bis 1975 Darlehen. Die Verbindlichkeiten gegenüber der X entwickelten sich wie folgt:
DM DM
-- --
Zugang Darlehen 1.Juli 1973 30 000
Stand 31.Dezember 1973 30 000
Zugang Darlehen 18.November 1974 + 19 000
Zins 1.Juli 1973 -
31.Dezember 1974 + 5 882
Stand 31.Dezember 1974 54 882
Zugang Darlehen 7.Februar 1975 + 31 499
Honorar 1974 + 112 000
Zinsen 1975 + 23 416
Stand 31.Dezember 1975 221 797
Darlehen Rückzahlung 1976 ./. 150 000
Honorar 1975 128 000
Zinsen 1976 + 24 250
Stand 31.Dezember 1976 224 047
Darlehen Rückzahlung 1977 ./. 100 000
Honorar 1976 + 168 000
Zinsen 1977 + 30 185
Stand 31.Dezember 1977 322 232
Honorar 1977 + 256 000
Zinsen 1978 + 46 258
Stand 31.Dezember 1978 624 490
Honorar 1978 + 32 000
Zinsen 1979 + 52 519
Stand 31.Dezember 1979 709 009
Umbuchung ./. 10 018
Zinsen 1980 + 56 720
Stand 31.Dezember 1980 755 711.
Eine Betriebsprüfung, die die Jahre 1976 bis 1980 umfaßte, ging davon aus, daß die Antragsteller ihrer Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) und nach § 16 des Außensteuergesetzes (AStG) nicht nachgekommen seien; die gezahlten Darlehenszinsen und Honorare wurden deshalb als Betriebsausgaben nicht anerkannt.
Es ergingen geänderte Gewinnfeststellungsbescheide und Gewerbesteuermeßbescheide für die Jahre 1976 bis 1980. Da eine Bilanzberichtigung für die Jahre 1973 bis 1975 nicht mehr möglich war, wurde insoweit der Bilanzansatz des Jahres 1976 geändert. Geändert wurden auch die Bescheide betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens (zum 1.Januar 1976, 1.Januar 1977, 1.Januar 1978, 1.Januar 1979 und 1.Januar 1980).
Gegen die Änderungsbescheide legten die Antragsteller Einsprüche ein.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wies die Einsprüche als unbegründet zurück.
Mit der Klage machten die Antragsteller geltend, daß es nicht unüblich sei, mit den Repräsentanten eines Unternehmens Geschäfte abzuwickeln, ohne eine Gesellschafterliste zu verlangen.
Den Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Bescheide hat das FA mit Schreiben vom 13.August 1985 abgelehnt.
Die Antragsteller haben darauf beim Finanzgericht (FG) beantragt, die Vollziehung der Bescheide auszusetzen.
Das FG hat den Gewinn des Jahres 1976 für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung um einen Betrag von 141 298 DM niedriger angesetzt, und entsprechend die Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von 25 952 DM gewinnerhöhend aufgelöst; im übrigen hat das FG den Antrag als unbegründet angesehen.
Gegen die Zurückweisung des Antrages richtet sich die Beschwerde.
Zur Begründung ihrer Beschwerde verweisen die Antragsteller auf die an das FA gerichtete Einspruchsbegründung sowie auf ihre Klagebegründung.
Daneben machen sie geltend, daß auch die Honorare für das Jahr 1975 in Höhe von 128 000 DM im Jahre 1976 gewinneutral in die Position "Verbindlichkeiten X" eingebucht worden seien. Der Betrag von 128 000 DM sei 1975 als Aufwand behandelt und als Lieferantenverbindlichkeit eingebucht worden. Im Jahre 1976 sei die Umbuchung aus den Lieferantenverbindlichkeiten in die Position "Darlehen X" erfolgt. Die Antragsteller verweisen auf die Umbuchung Nr.37 der Umbuchungsliste vom 31.Dezember 1976, die sie der Beschwerdeschrift beigefügt haben.
Die Antragsteller beantragen,
1. den Beschluß des FG aufzuheben, soweit er die Aussetzung der Vollziehung ablehnt;
2. die Vollziehung der nachstehend aufgeführten Steuerbescheide in folgendem Umfang auszusetzen:
a) Gewinnfeststellungsbescheide 1976 bis 1980 vom 3.August 1984 in Höhe von
DM
--
1976 255 348
1977 174 385
1978 256 858
1979 80 319
1980 56 720.
b) Gewerbesteuermeßbescheide vom 4.Februar 1985 für 1976, 11.Oktober 1984 für 1977, 12.Oktober 1984 für 1978, 5.September 1984 für 1979 und 1980 in Höhe von
DM
--
1976 11 555
1977 7 210
1978 10 530
1979 1 390
1980 --.
c) Einheitswertbescheide für das Betriebsvermögen vom 9.Oktober 1984 auf den 1.Januar 1976 und vom 30.Oktober 1984 auf den 1.Januar 1978 und den 1.Januar 1979 in vollem Umfang sowie vom 30.Oktober 1984 auf den 1.Januar 1977 und vom 29.August 1984 auf den 1.Januar 1980 in folgender Höhe
DM
--
1. Januar 1977 217 000
1. Januar 1980 627 000.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Antragsteller können nicht verlangen, daß die Vollziehung der angefochtenen Bescheide in noch weiterem Umfange ausgesetzt wird als bereits vom FG verfügt.
1. Das FG nahm bei seiner Entscheidung zu Recht an, daß hinsichtlich der angefochtenen Bescheide ernstliche Zweifel insoweit nicht bestehen, als das FA der X zugesagte Darlehenszinsen und Honorare nicht als Betriebsausgabe anerkannte. Das FA konnte bei der Beurteilung des Sachverhalts davon ausgehen, daß keine Tatsachen vorliegen, die die geltend gemachten Aufwendungen als betrieblich veranlaßt (§ 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) erscheinen lassen. Das FA war hierzu befugt, weil die Antragsteller nicht dem Verlangen nachgekommen sind aufzuklären, wer die X beherrscht und welche Person die Typenprogramme tatsächlich fertigte. Die Finanzbehörde hat zwar nach § 88 Abs.1 Satz 1 AO 1977 die Sachverhalte von Amts wegen zu ermitteln und dabei auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 88 Abs.2 AO 1977). Andererseits sind die Beteiligten --hier die Antragsteller-- gemäß § 90 Abs.1 Satz 1 AO 1977 zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Der Umfang der Amtsermittlungspflicht und der Mitwirkungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (§ 88 Abs.1 Satz 3, § 90 Abs.1 Satz 3 AO 1977). Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO 1977 bezieht, hat der Steuerpflichtige diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (§ 90 Abs.2 Satz 1 AO 1977). Die Antragsteller sind dieser Mitwirkungspflicht mit den von ihnen gemachten Angaben nicht nachgekommen.
Die betriebliche Veranlassung ist nach den Umständen des Einzelfalls nicht durch die Zahlungen als solche und durch den Umstand belegt, daß den Antragstellern das Typenprogramm in Form von Folien zur Verfügung stand. Die Begleitumstände lassen es zweifelhaft erscheinen, ob den Aufwendungen betriebliche Vorgänge zugrunde lagen. Bei der X handelt es sich nach den Feststellungen des Bundesamts für Finanzen, denen die Antragsteller nicht widersprochen haben, um eine sog. Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Bei Einschaltung einer derartigen Gesellschaft besteht die Möglichkeit, daß sie dazu dient, Auslandsguthaben durch eine Darlehensaufnahme in das Inland zurückzuverlagern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5.März 1981 IV R 94/78, BFHE 133, 379, BStBl II 1981, 658) bzw. Entnahmen als Betriebsausgaben erscheinen zu lassen, indem ein Leistungsverkehr mit einem Kunden fingiert wird. Hinzu kommt, daß die Höhe des Honorars für das Typenprogramm ungewöhnlich ist. Nach den Ausführungen der Betriebsprüfung, denen die Antragsteller nicht widersprochen haben und von deren Richtigkeit jedenfalls in dem summarischen Verfahren gemäß § 69 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszugehen ist, ist es unüblich, den Entwurfsverfasser aus einem Typenprogramm unbefristet zu beteiligen, da urheberrechtlich nur der Erstentwurf geschützt ist. Die als Verbindlichkeiten gegenüber der X geltend gemachten Beträge waren nicht gesichert. Die Tatsache, daß die Antragsteller --wie sie vortragen-- zur Stellung von Sicherheiten nicht in der Lage waren, trägt dazu bei, die Umstände der Darlehensgewährung als ungewöhnlich erscheinen zu lassen. Gerade bei einem finanziell schwachen Darlehensnehmer wird der Darlehensgeber bei der Höhe der strittigen Beträge auf eine Sicherheit Wert legen.
Die Umstände des Einzelfalls bedingen eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Antragsteller. Dies ergibt sich auch daraus, daß nach den durch die Umstände begründeten Zweifeln, ob den Aufwendungen eine betriebliche Veranlassung zugrunde liegt, ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerlich zu beurteilen war, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO 1977 bezieht (§ 90 Abs.2 Satz 1 AO 1977). Es kam aufgrund der Umstände des Falles darauf an auszuschließen, daß sich hinter der X die Antragsteller verbergen. Es lag im Rahmen der Amtsermittlungspflicht des FA, von den Antragstellern zu verlangen, daß sie aufklären, wer die X tatsächlich beherrscht und welche Person die Typenprogramme tatsächlich gefertigt hat. Da die Antragsteller ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sind, mußte das FA bei den Gegebenheiten des Streitfalls nicht seinerseits Ermittlungen anstellen, um die durch die Umstände begründeten Zweifel an der betrieblichen Veranlassung der geltend gemachten Aufwendungen zu beseitigen. Der aufzuklärende Sachverhalt liegt allein im Bereich der den Antragstellern zugänglichen Sphäre.
Das FA konnte angesichts der Unaufgeklärtheit des Sachverhalts davon ausgehen, daß für die geltend gemachten Aufwendungen eine betriebliche Veranlassung fehlt. Im Steuerrecht fehlt zwar eine gesetzliche Regelung über die Verteilung der Feststellungslast (vgl. BFH-Urteil vom 7.Juli 1983 VII R 43/80, BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760). Die Feststellungslast trifft den Steuerpflichtigen jedenfalls dann, wenn die aufzuklärenden Tatsachen --wie hier-- allein in seiner Verantwortungssphäre liegen (vgl. Urteil in BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760).
Das BFH-Urteil vom 11.Juli 1978 VIII R 120/75 (BFHE 125, 488, BStBl II 1979, 57) erging zu § 222 Abs.1 Nr.1 der Reichsabgabenordnung (AO). Es bejahte das Vorliegen neuer Tatsachen, die das FA zur Änderung einer Veranlagung berechtigten, weil das FA den Angaben des Steuerpflichtigen grundsätzlich Glauben schenken können müsse. Abgesehen von dem anderen Zusammenhang, in dem die Ausführungen stehen, können sich die Antragsteller auf das Urteil deswegen nicht berufen, weil die durch die Umstände des Falles begründeten Zweifel eine Ermittlungspflicht des FA und eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Antragsteller bei der Ermittlung des Sachverhalts ausgelöst haben.
Das BFH-Urteil vom 14.Mai 1982 VI R 266/80 (BFHE 136, 97, BStBl II 1982, 772) betraf einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt, bei dem die Voraussetzungen einer das Einkommen mindernden Vorschrift (§ 33a Abs.1 EStG betreffend die außergewöhnliche Belastung) insofern zweifelhaft waren, als es um die Tatsache einer im Ausland getätigten Zahlung ging; die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift waren jedoch zwischen den Beteiligten unstreitig.
Konnte das FA bereits aufgrund der unzureichenden Mitwirkung der Antragsteller den strittigen Aufwendungen die Wirkung von Betriebsausgaben versagen, kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 160 AO 1977 bzw. des § 16 Abs.1 AStG vorliegen.
2. Eine weitergehende Aussetzung der Vollziehung kommt nicht aufgrund des Vortrags der Antragsteller in Betracht, wonach die in 1975 angefallenen Honorare in Höhe von 128 000 DM im Jahre 1976 gewinneutral in die Position "Verbindlichkeiten X" eingebucht worden seien. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, bestünden insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides 1976 und des Gewerbesteuermeßbetragsbescheides 1976. Wird ein steuerlich nicht anzuerkennender Aufwand in einem Wirtschaftsjahr in Form eines Passivpostens berücksichtigt und ist eine Berichtigung des entsprechenden Bilanzpostens nicht möglich, weil die Veranlagung nicht mehr geändert werden kann, in die das Ergebnis des Wirtschaftsjahres Eingang fand, ist der Bilanzierungsfehler in der Schlußbilanz des ersten Jahres, für das eine Berichtigung noch möglich ist, erfolgswirksam zu korrigieren (vgl. BFH-Urteil vom 2.Mai 1984 VIII R 239/82, BFHE 141, 312, BStBl II 1984, 695). Im Streitfall wurde das nicht als Betriebsausgabe anzuerkennende Honorar 1975 in der Bilanz zum 31.Dezember 1976 unter den Verbindlichkeiten ausgewiesen. Dem steht das BFH-Urteil vom 9.September 1980 VIII R 64/79 (BFHE 131, 482, BStBl II 1981, 125) nicht entgegen. Es betraf den Sonderfall, daß die als Betriebsausgabe nicht anzuerkennende Aufwendung durch Überweisung von einem Bankkonto geleistet wurde, das nach der Überweisung einen negativen Saldo auswies. Im Streitfall kam ein Passivposten in Wegfall, weil davon auszugehen ist, daß ihm keine anzuerkennende Verbindlichkeit zugrunde lag, sondern Eigenmittel der Antragsteller.
Der Senat kann nicht entscheiden, ob die von dem FG verfügte Aussetzung der Vollziehung rechtmäßig ist; denn das FA hat den Beschluß des FG nicht angefochten.
Fundstellen
BStBl II 1987, 487 |
BFHE 149, 375 |
BFHE 1987, 375 |
BB 1987, 1237 |