Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Verfahrens
Leitsatz (NV)
Die Entscheidung des FG, ein ruhendes Verfahren wieder aufzunehmen, liegt in dessen Ermessen. Die Ablehnung der Aufnahme des Verfahrens ist ermessensfehlerfrei, wenn die Verfahrensruhe wegen eines anhängigen Strafverfahrens weiterhin zweckmäßig ist.
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 251 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluß vom ... März 1994 das Ruhen des Verfahrens gegen im Anschluß an eine Steuerfahndungsprüfung ergangene Steuerbescheide wegen des anhängigen Steuerstrafverfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom ... März 1994 beantragte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), das ruhende Verfahren aufzunehmen. Er führte u. a. aus, er habe dem Ruhen des Verfahrens in der Erwartung zugestimmt, das Strafgericht werde Feststellungen treffen, die im finanz gerichtlichen Verfahren verwertbar seien; diese Erwartung habe sich als trügerisch erwiesen. Das FG lehnte die Aufnahme des Verfahrens mit Beschluß vom ... April 1994 mit der Begründung ab, es sehe wegen der Anhängigkeit des Strafverfahrens keine Veranlassung, das Verfahren -- kaum mehr als einen Monat nach der Anordnung des Ruhens -- aufzunehmen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der das FG nicht abgeholfen hat. Der Kläger macht ergänzend geltend, mit einem kurzfristigen Abschluß des Strafverfahrens sei nicht zu rechnen. Zudem habe das FG in steuerlichen Fragen die größere Sachkompetenz.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 251 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hat das FG das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn die Beteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, daß wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Vor Ablauf von drei Monaten kann das Verfahren nur mit Zustimmung des Gerichts aufgenommen werden; das Gericht erteilt die Zustimmung, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 251 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZPO).
Wegen des Erfordernisses der Zweckmäßigkeit handelt es sich bei § 251 ZPO um eine Ermessensvorschrift. Die Entscheidung, von Amts wegen die Verfahrensruhe für beendet zu erklären und das Verfahren wieder aufzunehmen, stellt eine Ermessensentscheidung dar, die das Gericht jederzeit erlassen kann, wenn es ihm zweck mäßig erscheint (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Juni 1984 VI B 46/83, nicht veröffentlicht -- Kopie beigefügt --; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 74 FGO Rdnr. 68). Auch die nach § 251 Abs. 2 ZPO erforderliche Zustimmung des Gerichts liegt in seinem Ermessen (vgl. Zöller/Greger, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 251 Rdnr. 4).
Danach hat das FG in dem angefochtenen Beschluß das ihm zustehende Ermessen nicht überschritten, wenn es zur Begründung der Ablehnung der Aufnahme des Verfahrens darauf verweist, das Strafverfahren sei noch anhängig. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens beruhte auf der Erwägung, daß sich das FG Feststellungen aus einem in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteil zu eigen machen kann, es sei denn, daß die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen substantiierte Einwendungen vortragen und entsprechende Beweisanträge stellen, die das FG nicht nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen unbeachtet lassen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841 m. w. N.). Unter diesen Umständen durfte das FG annehmen, daß das Ruhen weiterhin zweckmäßig war; denn über die Verwertung strafgerichtlicher Feststellungen kann erst nach dem Abschluß des Strafverfahrens entschieden werden. Ein weiteres Ruhen war für den Kläger auch noch zumutbar, zumal die Klage erst seit Oktober 1993 anhängig ist.
Fundstellen