Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i. S. des § 17 EStG auch dann vorliegt, wenn sich die Anteilsquote von mehr als 25 v. H. erst durch - anteilige - Hinzurechnung von Beteiligungen an der Kapitalgesellschaft ergibt, welche unmittelbar oder mittelbar von einer Personenhandelsgesellschaft gehalten werden, an welcher der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft als Mitunternehmer beteiligt ist.
Normenkette
EStG § 17
Verfahrensgang
FG Köln (Beschluss vom 12.05.1982; Aktenzeichen VI 71/81 A) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) sind die Erben der Eheleute A (Erblasser), die für den Veranlagungszeitraum 1972 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Bei der Ermittlung der Einkünfte erfaßte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) den Gewinn des Erblassers aus der Veräußerung einer Beteiligung an der S-AG in Höhe von ... DM als Veräußerungsgewinn gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA nahm das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung i. S. des § 17 EStG an, obschon die unmittelbare, im Privatvermögen des Erblassers gehaltene Beteiligung an der S-AG weniger als 25 v. H. betrug. Bei der Ermittlung der Anteilsquote rechnete das FA Beteiligungen des Erblassers als mittelbare Beteiligungen i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG hinzu, nämlich anteilig die der A-KG (KG) (7,84 v. H.), an welcher der Erblasser als Mitunternehmer beteiligt war, und die von der B-AG zu 27,11 v. H. gehaltene Beteiligung, da die KG an der B-AG (mehrheitlich) beteiligt war.
Die Beschwerdeführer haben gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.
Die Beschwerdeführer beantragten beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids hinsichtlich eines Steuerbetrages von ... DM. Sie vertraten die Auffassung, daß es sich bei den Beteiligungen der KG und der B-AG nicht um mittelbare Beteiligungen i. S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehandelt habe, weil eine Personengesellschaft (die KG) zwischengeschaltet gewesen sei. Außerdem hielten sie die Vorschrift jedenfalls in der vom FA angewandten Auslegung für verfassungswidrig.
Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Es führte aus, daß die Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht ernstlich zweifelhaft sei (Hinweis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. Oktober 1969 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111, BStBl II 1970, 160). Für die Beurteilung im summarischen Verfahren nach § 69 FGO sei davon auszugehen, daß § 17 EStG alle mittelbaren Beteiligungen erfasse, ohne Rücksicht auf die rechtliche Qualifikation der zwischengeschalteten Vermögensträger (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juni 1980 IV R 128/77, BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646).
Das FG hat die Beschwerde zugelassen.
In ihrer Beschwerde, welcher das FG nicht abgeholfen hat, beantragen die Erben (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und die Aussetzung der Vollziehung in dem begehrten Umfange anzuordnen. Sie rügen in erster Linie unrichtige Auslegung des § 17 Abs. 1 EStG. Würden Anteile an derselben Gesellschaft teils im Privatvermögen, teils im Betriebsvermögen gehalten, so sei § 17 EStG nur anwendbar, wenn die im Privatvermögen befindlichen Anteile für sich allein eine wesentliche Beteiligung bildeten (Hinweis auf Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 17 III, Anm. 3; Rau, Kurze Steuer- und Rechtsnachrichten - KStR - Nr. 531 vom 15. August 1965, S. 63). Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Abgesehen davon, daß die Rechtskraft einer Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift eine Anrufung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht ausschließe, träfen die Gründe, welche das BVerfG in der angeführten Entscheidung aus dem Jahre 1969 bewogen hätten, die Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs. 1 EStG zu bejahen, nicht mehr zu. Denn inzwischen habe der BFH in mehreren Entscheidungen den Begriff der mittelbaren Beteiligung derart ausgeweitet, daß sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift schon aus diesem Grunde erneut stelle (vgl. Urteile vom 7. April 1976 I R 75/73, BFHE 119, 146, BStBl II 1976, 557; vom 28. Juni 1978 I R 90/76, BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; sowie in BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646). Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift in dieser Auslegung durch den BFH sei zu verneinen, weil das Rechtsstaatsprinzip (Grundsatz der Voraussehbarkeit und Meßbarkeit staatlicher Eingriffe) nicht gewahrt sei. Es bestehe deshalb Anlaß, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das BVerfG anzurufen.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Bei der in dem vorliegenden Verfahren gemäß § 69 FGO gebotenen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage, welche der abschließenden Entscheidung im Hauptverfahren nicht vorgreift, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids.
1. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß bei sinn- und zweckentsprechender Auslegung des § 17 EStG alle mittelbaren Beteiligungen zu erfassen, d. h. bei der Berechnung der für die Anwendung der Vorschrift maßgebenden Anteilsquote mitzuzählen sind.
a) Die durch die KG vermittelten Beteiligungen an der S-AG sind mittelbare Beteiligungen i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG. Dies ergibt sich aus der Eigenart der Personenhandelsgesellschaft als von der Zivilrechtsordnung weitgehend verselbständigter Rechtsträger (vgl. BFG-Urteil vom 4. April 1974 I R 73/72, BFHE 112, 351, BStBl II 1974, 645, m. w. N.). Das Vorliegen einer unmittelbaren Beteiligung des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft kann nicht mit der Begründung angenommen werden, daß bei Gesamthandsgemeinschaften die Zurechnungsvorschrift des § 11 Nr. 5 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (jetzt § 39 II Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) eingreife, durch welche steuerrechtlich der Gesamthänder dem Bruchteilsinhaber gleichgestellt werde. Denn ob diese Zurechnung stattfinden kann, entscheidet sich nach den im Einzelfall einschlägigen Steuergesetzen (vgl. BFHE 112, 351, BStBl II 1974, 645; BFHE 119, 146, BStBl II 1976, 557). Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG kommt hiernach die Zurechnung bei den einzelnen Gesellschaftern zum Zuge, weil diese Vorschrift auch mittelbare Beteiligungen erfaßt. Im übrigen spielt diese Frage der Zurechnung bei Personenhandelsgesellschaften für Anteilsveräußerungen durch die Personengesellschaft für die Anwendung des § 17 EStG keine Rolle. Denn in diesem Falle liegt eine Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens vor, für welche die Vorschrift nicht gilt. Die Zurechnung ist nur bedeutsam für die - im Streitfall zu treffende - Entscheidung darüber, ob Beteiligungen der Personengesellschaft anteilig bei der Berechnung der Quote von "mehr als einem Viertel" (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG) der - den Gegenstand der Veräußerung bildenden - im Privatvermögen befindlichen Beteiligung mitzuzählen sind.
b) Aus dieser Erwägung ergibt sich auch, daß es der Einbeziehung solcher durch eine Personenhandelsgesellschaft vermittelten Beteiligungen in den Kreis der mittelbaren Beteiligungen gemäß § 17 Abs. 1 Abs. 3 EStG nicht entgegenstehen kann, daß sich die Beteiligungen bei solchen Gesellschaften im Betriebsvermögen befinden. Hier greift der der gesamten Vorschrift des § 17 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Gleichstellung von Mitunternehmerschaften und wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch (vgl. dazu BVerfGE 27, 127 ff.). Denn daß eine durch eine Kapitalgesellschaft vermittelte Beteiligung unter die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG fällt, obschon diese Beteiligung in jedem Falle zum Betriebsvermögen gehört, ist außer Streit (vgl. BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646; siehe dazu statt aller Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 149 zu § 17 EStG).
Die Beschwerdeführer berufen sich auf Äußerungen im Schrifttum, nach welchen Beteiligungen im Betriebsvermögen bei der Berechnung der Anteilsquote nicht mitzuzählen seien. Diese Ansicht, welche von der überwiegenden Meinung im Schrifttum nicht geteilt wird (vgl. Herrmann/Heuer, a. a. O., Anm. 137 zu § 17), betrifft offenbar vor allem den Fall des Einzelunternehmers, welcher Beteiligungen an derselben Kapitalgesellschaft sowohl im Betriebs- als auch im Privatvermögen hält. Es liegt zwar nahe, die Fälle des Einzelunternehmers und des Mitunternehmers in diesem Punkte gleichzubehandeln. Der Senat braucht indes diese Frage für den Streitfall nicht zu vertiefen. Für Personenhandelsgesellschaften jedenfalls spricht der hier maßgebende Gedanke der Gleichstellung mit der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft für die Einbeziehung der von der Personengesellschaft gehaltenen und bei ihr im Betriebsvermögen befindlichen Anteile in die Quotenberechnung.
c) Auch die durch die Beteiligung der KG an der B-AG vermittelte Beteiligung an der S-AG fällt unter § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG. Diese Auslegung ist nicht nur durch den Wortlaut - "mittelbare" Beteiligung, ohne Einschränkungen - gedeckt, sondern auch durch den erwähnten Zweck der Vorschrift. Andernfalls könnte die Einbeziehung mittelbarer Beteiligungen praktisch dadurch vermieden werden, daß eine weitere Gesellschaft - Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft - zwischengeschaltet wird, wozu genügen würde, daß diese Zwischengesellschaft reine Holdingfunktionen ausübt. Der Begriff der mittelbaren Beteiligung umfaßt daher bei zweckentsprechender Auslegung des Gesetzes auch mehrfach vermittelte Beteiligungen (zur mehrfachen Verschachtelung vgl. Herrmann/Heuer, a. a. O., Anm. 149 zu § 17 EStG, mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift).
2. Der Senat teilt nicht die Ansicht der Beschwerdeführer, daß die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, zumal in der vorstehenden Auslegung, gegen Verfassungsgrundsätze verstoße.
a) Die von den Beschwerdeführern vertretene Auslegung der Vorschrift würde zu einer ungleichmäßigen Besteuerung und damit zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG führen. Eine Beschränkung der mittelbaren Beteiligungen auf Kapitalgesellschaften (bei Verneinung des Vorliegens unmittelbarer Beteiligungen im Falle zwischengeschalteter Personenhandelsgesellschaften) wäre mit der Zwecksetzung des § 17 EStG nicht zu vereinbaren. Die Erwägungen, welche das BVerfG in der Entscheidung in BVerfGE 27, 111, 127 ff. veranlaßt haben, die Vorschrift als mit dem Gleichheitssatz in Einklang stehend zu befinden, treffen auch in der den Streitfall kennzeichnenden Beziehung zu.
In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, daß eine andere Auslegung eine willkürliche Ausschaltung der Besteuerung nach § 17 EStG ermöglichen würde. Dies könnte auf einfache Weise bereits dadurch geschehen, daß als zwischengeschalteter Rechtsträger nicht eine Kapitalgesellschaft, sondern eine Personengesellschaft mit der Kapitalgesellschaft als Hauptgesellschafterin fungiert oder daß ein Teil der Beteiligung in eine bestehende Personengesellschaft als gewillkürtes Betriebsvermögen (Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters) eingelegt wird.
b) Schließlich ist nicht zu erkennen, aus welchen Gründen die zu 1. dargelegte Interpretation mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar sein sollte, wie die Beschwerdeführer meinen. Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG kann nicht schon deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil der in ihr verwendete Begriff der mittelbaren Beteiligung ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, welcher erst durch Auslegung zu konkretisieren ist (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 10. Oktober 1961 2 BvL 1/59, BVerfGE 13, 153 ff., 160f.). Die Auslegung der Vorschrift dahin, daß sie alle Formen mittelbarer Beteiligung, also auch die durch Personenhandelsgesellschaften vermittelten, umfaßt, dient der Rechtsklarheit und vermeidet Abgrenzungsschwierigkeiten, wie sie sich auf der Grundlage der von den Beschwerdeführern vertretenen einschränkenden Auslegung ergeben müßten. In diesem Sinne hat auch die von den Beschwerdeführern in Bezug genommene neuere Rechtsprechung des BFH zu § 17 EStG gewirkt. Diese neuere Entwicklung der Rechtsprechung bietet deshalb keinen Anlaß, die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift in Zweifel zu ziehen. Nur in extremen Ausnahmefällen kann ein Gesetz wegen mangelnder Klarheit für nichtig erklärt werden (vgl. Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20, Anm. II 63).
Fundstellen
Haufe-Index 74066 |
BStBl II 1982, 392 |
BFHE 1982, 307 |