Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision wegen schwerwiegenden Fehlers hängt nicht von Höhe des Steuerbetrags ab
Leitsatz (NV)
1. Allein die Höhe des angeblich fehlerhaft festgesetzten Steuerbetrags kann eine materiell fehlerhafte Rechtsanwendung nicht zu einem die Zulassung der Revision rechtfertigenden schwerwiegenden Fehler machen.
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 28.11.2002; Aktenzeichen 14 K 2154/99 E) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
1. Nach § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Nichtzulassung der Revision mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. Zur Begründung der Beschwerde sind nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO die Voraussetzungen eines oder mehrerer Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO darzulegen. An einer solchen Darlegung fehlt es hier.
a) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) stützen sich ausdrücklich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärungsfähig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217). Dass die Kläger die Klärung einer über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage für erforderlich halten, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.
Zu Unrecht berufen sich die Kläger darauf, einer Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bedürfe es seit der Neufassung der Revisionszulassungsgründe durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 --2.FGOÄndG-- (BGBl I 2000, 1757) nicht mehr. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BFH hat sich in Bezug auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung durch das 2.FGOÄndG nichts geändert (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51, und in BFH/NV 2002, 217).
b) Der Sache nach machen die Kläger allerdings geltend, dem Finanzgericht (FG) sei ein schwerwiegender Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts unterlaufen, der geeignet sei, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Damit beziehen sie sich auf die Gesetzesmaterialien zur erwähnten Neufassung der Revisionszulassungsgründe durch das 2.FGOÄndG. Danach sollen in die Revision auch alle Tatbestände einbezogen werden, "in denen über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht" (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 14/4061, S. 9). Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung: "Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts können über den Einzelfall hinaus auch dann allgemeine Interessen nachhaltig berühren, wenn sie z.B. von erheblichem Gewicht und geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. In diesen Fällen kann es geboten sein, der Rechtspraxis auch dann eine höchstrichterliche Orientierungshilfe zu geben, wenn die engen Zulassungsgründe des bisherigen Rechts nicht vorliegen."
Der Gesetzgeber hat allerdings versäumt, dieses Vorhaben durch eine entsprechende Fassung des Wortlauts von § 115 Abs. 2 FGO umzusetzen. Gleichwohl kann nach der seither ergangenen Rechtsprechung des BFH mittlerweile als geklärt angesehen werden, dass besonders schwerwiegende Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts die Zulassung der Revision ermöglichen (Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Die Frage, ob dafür an Nr. 1 oder Nr. 2 des § 115 Abs. 2 FGO anzuknüpfen ist (vgl. dazu z.B. Senatsbeschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; Lange, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2002, 782, 784), ist zwar noch nicht abschließend entschieden. Sie hat aber für die Rechtspraxis keine Bedeutung. Insbesondere ist unbeachtlich, auf welche Nummer des § 115 Abs. 2 FGO der Beschwerdeführer die Rüge eines schwerwiegenden Fehlers stützt.
Noch nicht vollständig geklärt ist weiterhin, wie ein derartig schwerwiegender Fehler definiert werden kann. Nicht zweifelhaft erscheint lediglich, dass objektiv willkürliche Entscheidungen bzw. Entscheidungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind (greifbar gesetzwidrige Entscheidungen), eine Korrektur durch das Revisionsgericht erfordern (BFH-Beschlüsse in BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, und vom 22. Mai 2002 VIII B 60/01, juris; Lange, DStZ 2002, 782). Umgekehrt steht fest, dass die Revision nicht bereits dann zuzulassen ist, wenn das FG vom BFH aufgestellte Rechtsgrundsätze fehlerhaft auf den konkreten Sachverhalt anwendet (BFH-Beschluss vom 15. März 2002 V B 33/01, BFH/NV 2002, 1040).
Der Streitfall bietet keine Veranlassung, näher auf die Definition des zur Revisionszulassung führenden schwerwiegenden Fehlers einzugehen. Denn die Kläger machen lediglich geltend, das FG habe die Feststellungslast für ungeklärte Zahlungseingänge fehlerhaft beurteilt und aus den festgestellten Tatsachen unzutreffende Schlüsse gezogen. Ein solcher Fehler --sollte er hier überhaupt vorliegen-- ist nach den vorstehenden Erwägungen nicht als schwerwiegend anzusehen, so dass er eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen könnte. Auch die Höhe des angeblich fehlerhaft festgesetzten Steuerbetrags kann entgegen der Auffassung der Kläger allein eine materiell fehlerhafte Rechtsanwendung nicht zu einem die Zulassung der Revision rechtfertigenden schwerwiegenden Fehler machen.
Fundstellen
Haufe-Index 1374685 |
BFH/NV 2005, 1319 |