Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes und an Divergenzrüge
Leitsatz (NV)
1. Mit der Behauptung, die Versäumung der Begründungsfrist für ein Rechtsmittel beruhe auf der wegen eines Büroversehens unterbliebenen Eintragung in das Fristenkontrollbuch, wird nur dann ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ordnungsgemäß dargelegt, wenn im einzelnen vorgetragen wird, daß kein Organisationsmangel vorliegt und durch wessen Verschulden die Eintragung unterlassen worden ist.
2. Eine Abweichung des angegriffenen FG- Urteils von Entscheidungen des BFH ist nicht ordnungsgemäß dargelegt, wenn aus den angeführten BFH-Entscheidungen nur andere Folgerungen als vom FG gezogen werden.
Normenkette
FGO §§ 56, 115 Abs. 2, 3 Sätze 1, 3
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb im Jahre 1983 ein ehemaliges Schulhaus. Dieses Schulhaus ließ sie sodann umbauen und teilte es in acht Eigentumswohnungen auf. Von diesen Eigentumswohnungen verkaufte sie vier im Streitjahr (1984) mit einem Gewinn von ... DM. Die restlichen vier Wohnungen verkaufte sie in den Jahren 1986 (zwei Wohnungen), 1987 (eine Wohnung) und 1988 (eine Wohnung).
Aufgrund einer Außenprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) zu der Auffassung, daß die Klägerin durch die Grundstücksgeschäfte einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe. Das FA setzte daher für das Streitjahr einen Gewerbesteuermeßbetrag fest. In dem dagegen angestrengten Einspruchsverfahren wurde dieser Gewerbesteuermeßbetrag nach vorheriger Ankündigung auf ... DM heraufgesetzt.
Die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bejahte die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels. Denn die Klägerin habe selbständig und nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt und dabei am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Durch den Kauf des Schulgebäudes, den Umbau zu Wohnungen, die Aufteilung in acht Eigentumswohnungen und deren Verkauf habe die Klägerin auch den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschritten. Für ihre gegenteilige Ansicht könne sich die Klägerin nicht auf die von ihr angeführten Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. April 1988 IV R 102/86 (BFH/NV 1989, 101) und IV R 130--131/86 (BFH/NV 1989, 102) berufen, da diese Urteile nicht einschlägig seien.
Das FG ließ die Revision nicht zu. Das Urteil des FG wurde der Klägerin am 22. Mai 1992 zugestellt. Die Klägerin legte durch ihren Prozeßbevollmächtigten Nichtzulassungsbeschwerde ein, die am 19. Juni 1992 beim FG einging. Die Beschwerdeschrift enthielt keine Begründung, sondern kündigte lediglich die fristgerechte Nachholung der Begründung an. Innerhalb der Beschwerdefrist ging jedoch keine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ein.
Auf den Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats auf die Fristversäumung und auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte der Prozeßbevollmächtigte für die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Antrag begründete er damit (wörtlich), "daß aufgrund eines Büroversehens die Begründungsfrist nicht in das Fristenkontrollbuch eingetragen wurde. Aus diesem Grund kam es zu der Fristversäumnis."
Mit gleicher Post übersandte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin eine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Er nahm darin Bezug auf die BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 101 und BFH/NV 1989, 102 und vertrat die Auffassung, daß nach diesen Urteilen im Streitfall kein gewerblicher Grundstückshandel vorgelegen habe. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auch auf das BFH- Urteil vom 10. August 1983 I R 120/80 (BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137).
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Dies folgt schon daraus, daß sie nicht rechtzeitig begründet worden ist.
Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen und innerhalb dieser Frist auch zu begründen. Im Streitfall ist die Begründung erst nach Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils vorgelegt worden.
Der für die Klägerin von ihrem Prozeßbevollmächtigten gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann keinen Erfolg haben. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nach § 56 Abs. 1 FGO nur gewährt werden, wenn die Versäumung der Frist unverschuldet war.
Das vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin behauptete Büroversehen der unterbliebenen Eintragung der Begründungsfrist in das Fristenkontrollbuch kann zwar grundsätzlich zu einer unverschuldeten Fristversäumnis führen. Voraussetzung ist aber, daß der Prozeßbevollmächtigte bei der Auswahl und Überwachung der für die Eintragungen in das Fristenkontrollbuch verantwortlichen Angestellten und bei der Büroorganisation hinsichtlich des Fristenkontrollbuchs genügende Sorgfalt hat walten lassen (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 56 Rdnr. 30 mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen). Da nach § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO die Tatsachen zur Begründung des fehlenden Verschuldens des Prozeßbevollmächtigten dargelegt und glaubhaft gemacht werden müssen, hätte der Prozeßbevollmächtigte mithin im einzelnen darlegen müssen, daß kein Organisationsmangel vorliegt und durch wessen Verschulden die Eintragung im Fristenkontrollbuch unterblieben ist (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., § 56 Rdnr. 49 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
2. Im übrigen entspricht die mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingereichte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht den Zulässigkeitsanforderungen.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das angegriffene Urteil auf einer Abweichung von einer Entscheidung des BFH beruht oder wenn dem FG ein Verfahrensmangel unterlaufen ist. Der Zulassungsgrund muß nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden.
Im Streitfall bleibt völlig offen, auf welchen dieser Zulassungsgründe die Nichtzulassungsbeschwerde gestützt werden soll. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin legt nur seine von dem angegriffenen Urteil abweichende Rechtsauffassung dar. Er beruft sich für diese abweichende Auffassung zwar auf Entscheidungen des BFH. Darin kann aber keine ordnungsgemäße Rüge der Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen des BFH gesehen werden.
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte (s. die Rechtsprechungsnachweise bei Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 63) wird eine Divergenzrüge nur ordnungsgemäß erhoben, wenn dargelegt wird, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. Daran fehlt es in der von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin zieht aus den von ihm genannten Entscheidungen des BFH nur andere Folgerungen als das FG, obwohl das FG eingehend begründet hat, warum nach seiner Auffassung diese Rechtsprechung des BFH für den Streitfall nicht einschlägig ist.
Fundstellen