Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Verspätungszuschlägen gegen zusammen veranlagte Eheleute; Fragen zur Ermessensausübung
Leitsatz (NV)
- Zusammen veranlagte Ehegatten haben sich beide das Verschulden ihres steuerlichen Beraters an der verspäteten Abgabe der Einkommensteuererklärung zurechnen zu lassen.
- Bei der Bemessung der Höhe eines Verspätungszuschlags sind alle in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bezeichneten Ermessenskriterien zu berücksichtigen und grundsätzlich auch in der schriftlichen Begründung der Ermessensentscheidung zu behandeln. Dagegen ist es nicht erforderlich, jedem Kriterium einen bestimmten Teilbetrag zuzuordnen.
Normenkette
AO 1977 § 152; FGO § 115 Abs. 2
Gründe
Von einer Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Es kann trotz erheblicher Bedenken gegen ihre Zulässigkeit dahinstehen, ob sie den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt und mithin zulässig ist. Jedenfalls ist sie unbegründet.
1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)
a) Der Beschwerdebegründung zufolge soll u.a. die Frage von grundsätzlicher Bedeutung sein, ob Verspätungszuschläge gegen eine nichterklärungspflichtige, mit ihrem Ehemann zusammen veranlagte Ehefrau festgesetzt werden können.
Die Frage ist ―so gestellt― nicht nachvollziehbar, weil zusammen veranlagte Ehegatten beide erklärungspflichtig sind (hier § 56 Satz 1 ―früher Abs. 1 Satz 1― Nr. 1 Buchst. b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV―). Zur Erfüllung dieser Erklärungspflicht haben die Ehegatten zusammenzuwirken (Senatsurteil vom 9. April 1987 IV R 192/85, BFHE 149, 418, BStBl II 1987, 540). Demzufolge haben sich auch beide Ehegatten gemäß § 152 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) das Verschulden ihres steuerlichen Beraters zurechnen zu lassen. Hinzu kommt, dass die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Streitjahr (1995) auch selbst Einkünfte erzielt hatte.
b) Die Frage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) vor Festsetzung eines Verspätungszuschlags das Verschulden des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters von Amts wegen feststellen muss, ist bereits durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. August 1988 V R 19/83 (BFHE 154, 23, BStBl II 1988, 929, Abschn. B. Nr. 1, 1. Abs. der Entscheidungsgründe) geklärt. Danach muss der Steuerpflichtige zur Vermeidung eines Verspätungszuschlags der Finanzbehörde die nicht aus den Akten ersichtlichen Gründe darlegen, aus denen sich ergibt, dass sein Versäumnis entschuldbar erscheint. Tut er das nicht, kann das FA den Verspätungszuschlag festsetzen, ohne zuvor Feststellungen zum Verschulden getroffen zu haben. Das ergibt sich auch aus der Gesetzesformulierung "von der Festsetzung … ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint" (Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 152 AO 1977 Anm. 12).
c) Die Frage, ob die "Bemessungsgrundlage für den Verspätungszuschlag" nach den einzelnen in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 aufgeführten Kriterien zu begründen und zu beziffern ist, ist weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Zum einen hat sich die Rechtsprechung des BFH mehrfach damit befasst, welche Anforderungen an die Begründung der Bemessung eines Verspätungszuschlags zu stellen sind (vgl. etwa BFH-Urteil vom 13. Juni 1991 V R 44/87, BFH/NV 1992, 78, m.w.N.). Danach sind bei der Bemessung der Höhe eines Verspätungszuschlags alle in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bezeichneten Ermessenskriterien zu berücksichtigen und grundsätzlich auch in der schriftlichen Begründung der Ermessensentscheidung zu behandeln. Im Gegensatz zu der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung ist es nicht erforderlich, jedem Kriterium einen bestimmten Teilbetrag zuzuordnen.
Zum anderen lässt sich der Einspruchsentscheidung, die auf alle Ermessenskriterien eingeht, entnehmen, dass das FA sich an dem verwaltungsüblichen Satz von 0,5 v.H. der festgesetzten Steuer pro Monat der Verspätung orientiert hat. Es hat ―insofern großzügiger als die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) als Muster einer wünschenswerten Aufgliederung vorgelegte Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover― keine Zuschläge wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärungen in den Vorjahren vorgenommen, jedoch angesichts der wiederholt verspäteten Erklärungsabgabe in diesen Jahren auch keinen Anlass gesehen, den auf der Basis von 0,5 v.H. der festgesetzten Steuer pro Monat ermittelten Betrag zu kürzen.
d) Es ist höchstrichterlich geklärt, dass sich die Bemessung der Verspätungszuschläge nicht ausschließlich an der Höhe der festgesetzten Steuer und der Dauer der Verspätung ausrichten darf (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 78). Ohne dass es für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO darauf ankäme, sei darauf hingewiesen, dass sich das FA in der Einspruchsentscheidung an diese Vorgabe gehalten hat (s.o. 1. c).
Ferner ist höchstrichterlich geklärt, dass mit "festgesetzter Steuer" nicht die nach Verrechnung mit Steuerabzugsbeträgen verbleibende Abschlusszahlung gemeint ist. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags wird nicht einmal dadurch ausgeschlossen, dass die aufgrund der verspätet abgegebenen Steuererklärung durchgeführte Veranlagung zu einer Erstattung führt (BFH-Urteil vom 31. Juli 1987 VI R 193/85, BFH/NV 1988, 282).
2. Verfahrensmängel
Die Beschwerde kann auch nicht mit Erfolg auf Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützt werden.
a) Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht ist nicht in zulässiger Weise gerügt. Wie oben (unter 1. b) dargestellt, brauchte das Finanzgericht ―FG― (ebenso wie zuvor das FA) keine Feststellungen zum Verschulden des Steuerberaters zu treffen, wenn sich Gründe, die die Säumnis entschuldbar erscheinen ließen, weder aus den Akten ergeben noch vorgetragen werden. Die Kläger haben zudem im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt, welcher Anhaltspunkt aus den Akten oder aus ihrem Sachvortrag das FG zu weiteren Ermittlungen hätte veranlassen müssen; das wäre indessen erforderlich gewesen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 40, m.w.N.).
b) Ferner soll dem Schriftsatz der Kläger vom 15. Dezember 1999 zufolge ein Verfahrensmangel darin liegen, dass das FG Ermessensrichtlinien nicht beachtet habe. Es kann dahinstehen, ob dieses nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangene Vorbringen nicht schon verspätet ist. Jedenfalls ist damit ein Verfahrensmangel des FG nicht schlüssig gerügt. Offenbar meint der Prozessbevollmächtigte der Kläger, das FG habe die Ermessensausübung des FA nicht zutreffend überprüft. Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, was fernliegend erscheint, läge hierin ein Fehler in der Rechtsanwendung, der im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden kann (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 28, m.w.N.).
Fundstellen