Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Begründung einer Anhörungsrüge; Kostenfreiheit einer Anhörungsrüge im Kostenfestsetzungsverfahren
Leitsatz (NV)
1. Zur Begründung einer Anhörungsrüge muss die Verletzung des rechtlichen Gehörs schlüssig dargelegt werden. Die Grundsätze für die Rüge einer Gehörsverletzung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision gelten dabei entsprechend.
2. Auch unter der Geltung des Gerichtskostengesetzes in seiner Fassung vor In-Kraft-Treten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes entstehen für eine Anhörungsrüge gegen die Entscheidung über eine Kostenerinnerung keine Gerichtskosten.
Normenkette
FGO § 133a; GKG § 5 Abs. 6, § 69a
Tatbestand
Die Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Erinnerungsführerin) hatte erfolglos Klage gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1995 bis 1998 erhoben. Nachdem der beschließende Senat die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 15. März 2005 IV B 91/04 (BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647) als unbegründet zurückgewiesen hatte, setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Kostenrechnung vom 16. Juni 2005 Gerichtskosten fest. Dagegen erhob die Erinnerungsführerin Erinnerung, die der Senat mit Beschluss vom 14. Oktober 2005 IV E 2/05 als unbegründet zurückwies.
Mit Schreiben vom 25. November 2005 erhob die Erinnerungsführerin Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 14. Oktober 2005. Sie macht geltend, der Senat habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil er entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen habe. Insbesondere sei der Schriftsatz vom 10. Oktober 2005 nicht berücksichtigt worden. Bereits vor dem Finanzgericht (FG) sei darauf hingewiesen worden, dass die genaue Berechnung der steuerlichen Belastung und damit des Streitwertes aus der Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vorbehalten bleiben müsse. Die vom FG verlangte Berechnung sei als vorläufig bezeichnet worden. Auch der BFH konzediere, dass bei verfassungsrechtlichen Streitfragen ein exakter Klageantrag nicht gestellt werden könne (BFH-Beschluss vom 18. August 2005 VI R 123/94, BFHE 210, 214). Im Urteil des FG sei ein nicht gestellter Antrag wiedergegeben, von dem der BFH ausgegangen sei. In der Erinnerung sei darauf hingewiesen worden, dass eine anteilige Herabsetzung aller Steuern unter Geltung des Halbteilungsgrundsatzes begehrt werde. Dies habe der BFH nicht berücksichtigt.
Die Erinnerungsführerin beantragt, das Verfahren nach § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) fortzusetzen.
Sie regt außerdem an, nach Fortsetzung des Verfahrens dieses gemäß § 74 FGO auszusetzen, bis das BVerfG über die Verfassungsbeschwerden 2 BvR 2194/99 und 1 BvR 1377/05 entschieden habe. Auch das vorgreifliche Verfahren I E 3/05 sei noch nicht erledigt, weil unter dem Az. I S 14/05 Anhörungsrüge erhoben worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Anhörungsrüge ist zumindest unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Die Anhörungsrüge ist statthaft und zutreffend auf § 133a FGO gestützt worden. Unter der Geltung des Gerichtskostengesetzes (GKG) in dessen Fassung vor In-Kraft-Treten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I 2004, 718) ist die Anhörungsrüge auch im Verfahren über eine Kostenerinnerung auf § 133a FGO zu stützen. In der neuen Fassung des GKG regelt § 69a GKG (n.F.) eine besondere Anhörungsrüge für das Kostenverfahren. Im Streitfall ist nach § 72 Nr. 1 GKG n.F. jedoch noch die alte Fassung des GKG anzuwenden.
2. Es ist zweifelhaft, ob die Anhörungsrüge ordnungsgemäß erhoben worden ist.
Nach § 133a Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO ist mit der Rüge darzulegen, dass das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Zur schlüssigen Rüge einer Verletzung des Rechts auf Gehör muss der Beteiligte deshalb hier darlegen, inwiefern ihm das Gericht das rechtliche Gehör versagt hat, zu welchen der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen oder Rechtsfragen er sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des Rechts auf Gehör noch vorgetragen hätte, dass er keine Möglichkeit besessen hat, die Gehörsversagung bereits vor Ergehen der Entscheidung zu beanstanden, bzw. dass er den Verfahrensverstoß vor dem Gericht gerügt hat und inwiefern durch sein --lediglich infolge des Verfahrensfehlers-- unterbliebenes Vorbringen die Entscheidung auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts anders hätte ausfallen können. Insofern gelten vergleichbare Grundsätze wie für die Rüge einer Gehörsverletzung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196).
Die Erinnerungsführerin macht der Sache nach geltend, der BFH sei ihrer Auffassung von der Handhabung des Halbteilungsgrundsatzes nicht gefolgt (so ausdrücklich S. 4 der Rügeschrift). Dieses Vorbringen enthält keine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung, die mit § 133a FGO nicht geltend gemacht werden kann.
3. Letztlich kann aber dahinstehen, inwieweit die Anhörungsrüge zulässig erhoben worden ist, denn jedenfalls ist sie unbegründet. Der Senat hat das gesamte Vorbringen der Erinnerungsführerin zur Kenntnis genommen. Dies betrifft auch den letzten Schriftsatz vom 10. Oktober 2005, auf den der Beschluss vom 14. Oktober 2005 auf S. 6 eingeht. Dort finden sich Ausführungen zu der von der Erinnerungsführerin vertretenen Auffassung, es bedürfe bei verfassungsrechtlichen Streitfragen keiner genauen Berechnung der streitigen Steuer. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Der Klageantrag muss zwar nicht vom Kläger genau beziffert werden. Er muss aber so konkret umschrieben sein, dass zumindest das Gericht den Antrag zahlenmäßig erfassen und dadurch die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis bestimmen kann. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem von der Erinnerungsführerin zitierten BFH-Beschluss in BFHE 210, 214.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Befreiung nach § 5 Abs. 6 GKG a.F. schlägt auf das Verfahren über die Anhörungsrüge gegen die Entscheidung über die Erinnerung durch. Damit stimmt auch die Rechtslage nach dem GKG n.F. überein, denn § 69a GKG n.F. enthält insoweit keine Regelung und Teil 6 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG n.F. sieht für § 69a GKG n.F. --im Gegensatz zu § 133a FGO (s. dazu Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1)-- ebenfalls keinen Kostentatbestand vor (s. dazu auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, vor § 135 FGO Tz. 14g).
Fundstellen