Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Anschaffungskosten, Notar-Urkunde
Leitsatz (NV)
- Auch im Fall einer notariell beurkundeten Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen erbringt die notarielle Urkunde (i.S.d. § 415 ZPO) den vollen Beweis (nur) für die Abgabe der beurkundeten Erklärungen (äußere oder formelle Beweiskraft), nicht auch für deren inhaltliche Richtigkeit.
- In der Rechtsprechung ist geklärt, dass zu den Anschaffungskosten i.S. von § 23 EStG ‐ wie in § 6 EStG und § 255 HGB ‐auch solche Leistungen zählen, die nicht in einem Vertrag fixiert sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Sepember 1991 XI R 18/89, BFH/NV 1992, 36), zumal die Frage, ob Anschaffungskosten vorliegen, weniger nach rechtlichen als nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1977 VIII R 44/94, BFHE 122, 108, BStBl II 1977, 600).
- Für die schlüssige Bezeichnung einer Divergenz ist u.a. ein tragender und von einer höchstrichterlichen Entscheidung abweichender FG-Rechtssatz herauszuarbeiten.
Normenkette
ZPO § 415; EStG § 23; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig dargetan.
Die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage basiert auf der Verkennung der erhöhten Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde. Eine notarielle Urkunde (i.S. des § 415 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―) erbringt den vollen Beweis (nur) für die Abgabe der beurkundeten Erklärungen (äußere oder formelle Beweiskraft), nicht auch für deren inhaltliche Richtigkeit (vgl. Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 58. Aufl., § 415 Rz. 8; Zöller/Geimer, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 415 Rn. 5). Anderes ist weder dem Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 24.04.1998 11 K 5834/97 E (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1132) noch dem des Niedersächsischen FG vom 14. September 2000 XV 206/99 (NV) ―soweit zusammengefasst wiedergegeben― zu entnehmen. Notariell beurkundete Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen bilden hier keine Ausnahme. Die sachliche Richtigkeit der beurkundeten Wertangaben unterliegt daher der freien richterlichen Überzeugungsbildung.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass zu den Anschaffungskosten i.S. von § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ―wie in § 6 EStG und § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB)― auch solche Leistungen zählen können, die nicht in einem Vertrag fixiert sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. September 1991 XI R 18/89, BFH/NV 1992, 36), zumal die Frage, ob Anschaffungskosten vorliegen, weniger nach rechtlichen als nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1977 VIII R 44/74, BFHE 122, 108, BStBl II 1977, 600). Zwar verkennt auch das FA nicht, dass neben dem Grundstückskaufvertrag auch die Scheidungsfolgevereinbarung (mit der umstrittenen Forderungsabtretung) mit entsprechender Beweiskraftwirkung notariell beurkundet worden ist. Es hält aber die vom FG "vorgenommene Verknüpfung beider Vereinbarungen im Sinne eines teilweise einheitlichen Erklärungswillens" für unzutreffend. Die damit vom FA gerügte fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung richtet sich gegen die inhaltliche Richtigkeit des FG-Urteils; die behauptete grundsätzliche Bedeutung wird dadurch aber nicht dargelegt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. August 1999 VI B 94/99, BFH/NV 2000, 72; vom 9. August 1999 VIII B 38/99, BFH/NV 2000, 76).
2. Ebenso hat das FA die Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des BFH nicht schlüssig bezeichnet. Ausweislich des Urteils hat das FG nicht ―auch nicht inzident― den tragenden Rechtssatz aufgestellt, dass es "entscheidend auf den zeitlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung ankomme". Vielmehr geht das FG von einem nicht näher definierten Zusammenhang zwischen Scheidungsfolgevereinbarung und Grundstücksübertragungsvertrag aus. Zur Begründung stellt es "zunächst" ―also nicht ausschließlich― auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen ab. Das FG lässt dann ―nachvollziehbare sachliche― Plausibilitätsüberlegungen folgen, die neben dem zeitlichen Moment für die Verknüpfung der Verträge sprechen. Das bestätigt auch das FA, wenn es auf Seite 3 (unten) seiner Beschwerdebegründung die zwei das FG-Urteil tragenden Begründungen aufführt. Danach ist eine Abweichung vom zitierten BFH-Urteil vom 19. April 1977 VIII R 119/75 (BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601) nicht erkennbar und auch nicht erheblich (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 63).
3. Im Übrigen ergeht der Beschluss gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 515051 |
BFH/NV 2001, 438 |