Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumnis nach Revisionseinlegung beim BFH statt beim FG
Leitsatz (NV)
1. Wird die Revision entgegen § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht beim FG, sondern beim BFH eingelegt, ist die Revisionsfrist nicht gewahrt (ständige Rechtsprechung).
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entfällt, da der Prozeßbevollmächtigte die Fristversäumnis verschuldet hat. Auf eine Mitverantwortung des BFH an der Fristversäumnis kann er sich nicht berufen (Anschluß u. a. an BFH-Beschluß vom 9. Januar 1992 IX R 23/90, BFH/NV 1993, 366).
3. Die -- hilfsweise begehrte -- Umdeutung der zuvor mit Erfolg eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision ist nach ständiger Rechtsprechung nicht möglich.
Normenkette
FGO §§ 56, 120 Abs. 1, § 155; ZPO § 85 Abs. 2
Tatbestand
Gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) hat der Senat mit Beschluß vom 17. Februar 1994 VIII B 58/93 die Revision zugelassen. Der Beschluß wurde der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) am 4. März 1994 zugestellt. Ihre Revision vom 31. März 1994, die sie an den Bundesfinanzhof (BFH) richtete, ging dort durch Telefax am gleichen Tag, die Revisionsschrift mit Begründung am 5. April 1994 ein; sie wurde vom BFH an das FG mit Eingang am 15. April 1994 weitergeleitet. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Nach Hinweis durch den Senatsvorsitzenden, daß die Revision verspätet eingelegt worden sei, beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Sie habe die Revisionsfrist unverschuldet versäumt. Denn das FG habe ihr im Verfahren der Nichtzulassung der Revision auferlegt, alle Schriftsätze unmittelbar an den BFH zu richten. Außerdem hätte die Geschäftsstelle bei dem erkennenden Senat das Telefax fristgerecht an das FG senden können. Hilfsweise werde angeregt, die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine wirksame Revisionseinlegung umzudeuten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig (§§ 124, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), da sie verspätet eingelegt wurde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entfällt.
Gemäß § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision bei dem FG schriftlich einzulegen. Die Einlegung der Revision beim BFH wahrt die Revisionsfrist nach ständiger Rechtsprechung nicht. Das gilt auch dann, wenn die Revision vom BFH aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen wurde (Senats-Zwischenurteil vom 18. Juli 1989 VIII R 30/89, BFHE 158, 107, BStBl II 1989, 1020, Ziffer 1 der Gründe).
Die vorliegende Revision ist am 15. April 1994 unstreitig verspätet bei dem FG eingegangen; die mit Zustellung des Beschlusses über die Revisionszulassung am 4. März 1994 in Gang gesetzte Revisionsfrist war am 5. April 1994 (das eigentliche Fristende am 4. April 1994 fiel mit Ostermontag auf einen Feiertag) abgelaufen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht ohne Verschulden an der Fristwahrung verhindert war. Sie muß sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten nach § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.
Dessen Verschulden liegt darin, daß er die Revision rechtlich unzutreffend beim BFH anstelle des FG einglegt hat. Als berufsmäßiger Vertreter mußte er das Prozeßrecht kennen (Senatsbeschluß vom 20. August 1982 VIII R 58/82, BFHE 136, 348, BStBl II 1983, 63, Ziffer 2 der Gründe). Er hätte auch der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung zu dem FG-Urteil entnehmen können, daß die Revision bei dem FG einzulegen war. Diese Rechtsmittelbelehrung wurde durch den Hinweis des FG gemäß § 130 Abs. 2 FGO, daß alle weiteren Schriftsätze im Zusammenhang mit der Nichtzulassungsbeschwerde an den BFH zu richten seien, nicht geändert, worauf auch das FA zutreffend hinweist. Sollte der Prozeßbevollmächtigte deshalb einem Rechtsirrtum erlegen sein, wäre dieser, da vermeidbar, ebensowenig unverschuldet; der Bevollmächtigte hätte sich über die Rechtslage vergewissern können und sollen.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Mitverantwortung des Gerichts an der Fristversäumnis berufen. Hinsichtlich der erst am letzten Tag der Revisionsfrist beim BFH eingegangenen schriftlichen Revision liegt dies auf der Hand. Auch die vorab am 31. März 1994 (Gründonnerstag) durch Telefax eingegangene Revision brauchte nicht sofort in derselben Form an das FG weitergeleitet zu werden (vgl. BFH- Beschlüsse vom 8. Juli 1991 X B 3/91, BFH/NV 1992, 120, und vom 9. Januar 1992 IX R 23/90, BFH/NV 1993, 366), wobei offenbleiben kann, ob dies noch bis Fristende möglich gewesen wäre. Von einer offensichtlichen Pflichtverletzung der Geschäftsstelle bei dem Senat kann daher keine Rede sein. Die Regelung des § 357 Abs. 2 Satz 5 der Abgabenordnung (AO 1977), auf welche sich die Klägerin demgegenüber möglicherweise beruft, gilt ohnehin nur für das außergerichtliche Vorverfahren.
Auch die hilfsweise begehrte Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde (VIII B 58/93) in eine Revision kommt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Gräber /Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Rz. 4, und Tipke /Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 115 FGO Rz. 81 ff. m. w. N.). Für den vorliegenden Fall einer zulassungsbedürftigen Revision ergibt sich dies schon aus der Regelung der §§ 115 Abs. 5 Satz 4 und 120 Abs. 1 Satz 1 FGO (vgl. auch Tipke /Kruse, a. a. O., § 115 FGO Tz. 51 und 106). Ob die Möglichkeit bestanden hätte, gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde Revision einzulegen, die mit der Zulassung zulässig geworden sein könnte (so Gräber /Ruban, a. a. O., § 116 Tz. 6 a und § 120 Tz. 16 m. w. N.; ablehnend aber BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638), bedarf keiner Entscheidung, weil die Klägerin eindeutig nur Nichtzulassungsbeschwerde erhoben hatte.
Fundstellen