Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Glaubhaftmachung eines Gesuchs auf Richterablehnung
Leitsatz (NV)
Das Gesuch, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, muß neben der Bezeichnung des abgelehnten Richters auch eine substantiierte Darlegung des Ablehnungsgrundes enthalten, andernfalls läuft die Pflicht zur Glaubhaftmachung leer (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 44 Abs. 2 ZPO).
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 44 Abs. 2
Tatbestand
Den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger), zusammenveranlagten Eheleuten, wurde am 11. Juli 1990 ein klageabweisendes Urteil vom 27. März 1990 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 23. Juli 1990 beantragten sie die Berichtigung sowie die Ergänzung des Tatbestandes dieses Urteils und mit weiterem Schreiben vom 24. Juli 1990 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Gleichzeitig lehnten sie mit gesondertem Schriftsatz vom 23. Juli 1990 den Vorsitzenden Richter des Senats, A, und die Berichterstatterin, Richterin am Finanzgericht (FG), B, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Eine Begründung ihres Ablehnungsantrags legten die Kläger nicht vor. Mit Schreiben vom 26. September 1990 beantragten sie jedoch, ,,die in dem Verfahren . . . vorzulegende Begründung zur Richterablehnung zur Begründung heranzuziehen".
Das FG wies das Ablehnungsgesuch durch Beschluß vom 24. September 1990 zurück. Zugleich wurden auch die anderen Anträge der Kläger auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und auf Tatbestandsberichtigung abgelehnt. An diesem Beschluß haben die abgelehnten Richter, die sich dienstlich nicht geäußert hatten, mitgewirkt. Zur Begründung führte das FG aus: Der Senat habe in der geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung entscheiden können, weil es sich um eine rechtsmißbräuchliche Richterablehnung gehandelt habe. Es seien weder in bezug auf die Person des Vorsitzenden Richters A noch hinsichtlich der Person der Berichterstatterin Gründe dargelegt oder Tatsachen vorgetragen worden, die Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit enthalten hätten. Aus diesem Grunde sei auch eine dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter entbehrlich gewesen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat. Die Kläger tragen vor, ihrem Antrag, die Begründung aus dem Verfahren . . . zu berücksichtigen, sei nur hinsichtlich des ersten Teils dieser Begründung entsprochen worden; es werde beantragt, den gesamten Vortrag zur Richterablehnung aus dem Verfahren . . . zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht es nicht entgegen, daß die Beschwerdeschrift der Kläger vom 15. Oktober 1990 keine eigenständige Begründung enthält, sondern nur auf die in einem anderen Verfahren vorgelegte Begründung verweist, mit der sich das FG nicht in vollem Umfang auseinandergesetzt habe. Im Gegensatz zur Revision und der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 und § 120 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Begründung der Beschwerde nach §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 128 FGO i. V. m. § 46 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Januar 1988 VII B 166/87, BFH/NV 1988, 579, m. w. N.).
2. Das FG hat das Ablehnungsgesuch jedoch aus zutreffenden Gründen zurückgewiesen. Das Gesuch ist unzulässig, weil die Kläger vor der Entscheidung über ihre Anträge einen Ablehnungsgrund für die Mitwirkung der beiden Richter nicht glaubhaft gemacht haben.
a) Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 42 Abs. 1 und 2 ZPO). Dieser Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 44 Abs. 2 ZPO). Daher muß das Gesuch neben der Bezeichnung der abgelehnten Richter auch eine substantiierte Darlegung des Ablehnungsgrundes enthalten, denn andernfalls läuft die Pflicht zur Glaubhaftmachung leer (vgl. Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 51 Anm. 23, m. w. N.).
Im Streitfall fehlt es an dem Erfordernis der Darlegung und Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes. Zwar haben die Kläger mit Schreiben vom 26. September 1990 beantragt, ,,die in dem Verfahren . . . vorzulegende Begründung zur Richterablehnung zur Begründung heranzuziehen". Ob es sich bei dieser Bezugnahme auf das Vorbringen in einem anderen Verfahren um eine den Anforderungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 44 Abs. 2 ZPO genügende Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes handelt, kann dahinstehen. Die Kläger haben diese Begründung erst nach der Entscheidung über ihre Anträge vom 24. September 1990 abgegeben, so daß sie das FG nicht berücksichtigen konnte. Andererseits war das FG auch nicht gehalten, seine Entscheidung über die Anträge der Kläger noch weiter hinauszuzögern, nachdem es die Kläger wiederholt zur Begründung ihres Ablehnungsgesuchs aufgefordert hatte.
b) Der angefochtene Beschluß des FG ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als die abgelehnten Richter sich dienstlich nicht geäußert und an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitgewirkt haben.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 44 Abs. 3 ZPO hat sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Dieser Pflicht kann der abgelehnte Richter jedoch nur nachkommen, wenn ein Ablehnungsgrund glaubhaft gemacht ist (vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 1960 2 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1, 3). Nach ständiger Rechtsprechung waren die abgelehnten Richter auch nicht gehindert, an der Entscheidung über das unzulässige Ablehnungsgesuch mitzuwirken (vgl. BVerfGE 11, 1, 3; BFH-Beschluß vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, m. w. N.).
Fundstellen