Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz; Identität der Rechtsfrage und Vergleichbarkeit der Sachverhalte; Abzug von Nachzahlungszinsen als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
1. Die schlüssige Darlegung einer Divergenzrüge kann auch Ausführungen zur Identität der Rechtsfrage und zur Vergleichbarkeit der Sachverhalte in der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts einerseits und in der vermeintlichen Divergenzentscheidung andererseits erfordern.
2. Auch Nachzahlungszinsen können als Werbungskosten abziehbar sein, wenn ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart besteht.
3. Allein mit dem Hinweis, das BVerfG habe im Beschluss vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228, eine doppelte Gewinnabschöpfung bei der Auferlegung von Geldbußen von Verfassungs wegen ausgeschlossen, wird noch keine Identität der völlig anders ausgestalteten Regelung in § 233a AO 1977 dargetan.
4. Während die Gewinnabschöpfung einen konkret durch eine ordnungswidrige oder strafbare Handlung erzielten Gewinn betrifft, sollen Nachzahlungszinsen die Zinsvor- oder -nachteile auf Grund einer zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgten Steuerfestsetzung unabhängig von den tatsächlich eingetretenen Zinsvor- oder -nachteilen ausgleichen.
Normenkette
AO 1977 § 233a; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 8, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben innerhalb der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 4 FGO) den geltend gemachten Zulassungsgrund einer Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Der Zulassungsgrund in § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO umfasst zum einen die bisherige Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F., zum anderen zusätzlich die Möglichkeit, einen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler geltend zu machen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Oktober 2004 III B 131/03, BFH/NV 2005, 339, m.w.N; vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25).
Macht der Kläger geltend, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Wird eine Abweichung von Entscheidungen des BFH oder des BVerfG gerügt, so müssen tragende, abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits so genau bezeichnet und einander gegenüber gestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird.
Insbesondere muss es ich um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handeln (BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2002 III B 38/02, BFH/NV 2002, 1443; vom 19. Februar 1999 VIII B 3/98, BFH/NV 1999, 1079; vom 27. April 2000 VIII B 97/99, juris).
Die Kläger behaupten, das FG habe unter Bezugnahme auf den Beschluss des BFH vom 18. Juni 2003 IX B 199/02 (BFH/NV 2003, 1326) generell den Abzug von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) als Werbungskosten versagt. Tatsächlich hat das FG ausgehend von der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Abzug von Nachzahlungszinsen verneint, weil sie nicht in einem eindeutigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den von den Klägern erzielten Einnahmen aus Kapitalvermögen stehen (vgl. zu dem Erfordernis des wirtschaftlichen Zusammenhangs Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; BFH-Urteile vom 1. Juli 2003 VIII R 30/02, BFH/NV 2003, 1560, m.w.N.; vom 9. Juli 2002 IX R 65/00, BFHE 199, 430, BStBl II 2003, 389, m.w.N.; vom 15. Dezember 1992 VIII R 27/91, BFH/NV 1993, 599).
Überdies haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass die vermeintlichen Divergenzentscheidungen des BVerfG überhaupt vergleichbare Sachverhalte und identische Rechtsfragen betreffen.
Im Beschluss vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87 (BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483) hat das BVerfG zur Berücksichtigung von Bußgeldern im Rahmen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG als Betriebsausgaben Stellung genommen. Allein aus dem Umstand, dass das BVerfG eine doppelte Gewinnabschöpfung von Verfassungs wegen ausgeschlossen hat, wird indes noch keine Identität mit der völlig anders ausgestalteten Regelung in § 233a AO 1977 dargetan, die den Ausgleich von Zinsvor- oder -nachteilen aufgrund einer zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgten Steuerfestsetzung dient, und zwar unabhängig von der konkreten Berechnung der tatsächlich eingetretenen Zinsvor- bzw. -nachteile (vgl. BFH-Urteile vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446; vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545).
Anders als die Gewinnabschöpfung, die einen konkret durch eine ordnungswidrige oder strafbare Handlung erzielten Gewinn betrifft, bestimmt § 233a AO 1977 die Höhe der Nachzahlungszinsen im Übrigen auch generalisierend und unabhängig vom Einzelfall nach Maßgabe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO 1977.
Ebenso betrifft der Kammerbeschluss des BVerfG vom 12. April 1996 2 BvL 18/93 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 597) die mit dem Streitfall nicht vergleichbare Rechtsfrage der Besteuerung verbotswidrig erzielter Einkünfte (§ 15 EStG i.V.m. § 40 AO 1977). Das BVerfG hat im Übrigen die Vorlage des FG als unzulässig beurteilt, weil das vorliegende Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm nicht hinreichend dargelegt habe. Das BVerfG hat mithin in der Sache keine Entscheidung getroffen.
Der Vortrag der Kläger erschöpft sich weitgehend in Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils, indem sie behaupten, sowohl das FG als auch die vom FG herangezogenen Entscheidungen des BFH verkennten die Rechtsprechung des BVerfG zur steuerlichen Geltendmachung sog. Abschöpfungsbeträge. Damit wird indes nicht der Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO schlüssig dargetan (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2005 II B 38/04, BFH/NV 2005, 900, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1480568 |
BFH/NV 2006, 740 |