Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine unvollständige Sachaufklärung bei Verstoß des Klägers gegen konkrete Auflagen zur Ergänzung seines Vortrags
Leitsatz (NV)
1. Die Rüge unvollständiger Sachaufklärung führt nicht zur Zulassung der Revision, wenn im Verfahren vor dem FG der sachkundig vertretene Kläger konkreten an ihn gerichteten Auflagen zur Ergänzung seines Vortrags ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen ist, obwohl das FA zuvor seinerseits Unterlagen in den Prozess eingeführt hatte, die seine Rechtsauffassung stützen, und wenn der Kläger die Rüge nicht bereits in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat.
2. Eine Divergenz besteht nicht, wenn das FG sein Urteil auf die ständige Rechtsprechung des BFH stützt, dass dem beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen seine Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zufließt, und eine Ausnahme hiervon nur für den Fall macht, dass die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt dauerhaft zahlungsunfähig ist.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 20.06.2000; Aktenzeichen 9 K 4667/96 E) |
Gründe
Die Beschwerde ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet, weil die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision nicht vorliegen.
1. Entgegen der Auffassung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist dem Finanzgericht (FG) bei seiner Entscheidung kein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Kläger bringen im Wesentlichen vor, das FG habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt entgegen seiner gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht vollständig ermittelt; das FG habe deshalb zu Unrecht einen Zufluss der Tantieme für 1990 im Jahre 1991 bejaht. Diese Rüge trifft angesichts der eigenen Versäumnisse der Kläger jedoch nicht zu (zur Wechselwirkung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts und den Mitwirkungspflichten des Klägers: Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 76 Rz. 28; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Tz. 76 ff., jeweils mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen; vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Juli 2003 X R 28/99, BFH/NV 2004, 201).
Das FG hatte dem Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Verfügung vom 24. März 2000 detaillierte Auflagen zur Ergänzung des klägerischen Vortrags gemacht. Obgleich der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) seinerseits Unterlagen in den Prozess eingeführt hatte, die seine Rechtsauffassung stützten, sind die Kläger dem an sie gerichteten Aufklärungsverlangen des Gerichts ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen. Das FG musste daher insbesondere den nicht näher zu verifizierenden Angaben eines Gutachtens der S vom 3. Dezember 1993 zum Unternehmenswert der GmbH auf den 1. Januar 1993, das die Kläger im Übrigen nur auszugsweise vorgelegt hatten und das nur als Entwurf bezeichnet war, (wie angekündigt) nicht weiter nachgehen. Das FG war auch nicht gehalten, aufgrund der Behauptung der Kläger, die GmbH habe im Jahre 1990 nicht mit einem Gewinn, sondern mit einem Verlust von … DM abgeschlossen, die von den Klägern im Verfahren weder vorgelegten noch als Beweismittel bezeichneten Bilanzerläuterungen der GmbH beizuziehen. Beweis für ihre Behauptung, die GmbH sei schon 1991 dauerhaft zahlungsunfähig gewesen, haben die Kläger im Verfahren vor dem FG --trotz Aufforderung-- ebenfalls nicht angetreten. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2000 haben sie den --verzichtbaren (ständige Rechtsprechung, vgl. hierzu Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 92, m.w.N.)-- Mangel einer weiteren Sachverhaltsaufklärung auch nicht gerügt. Weshalb eine solche Rüge den sachkundig vertretenen Klägern nicht bereits vor dem FG möglich gewesen sein soll, ist ihrerseits weder dargelegt worden noch erkennbar.
Gestützt auf die ihm vorliegenden Unterlagen einschließlich des Berichts des Konkursverwalters vom 31. März 1995 (vgl. auch die vom Kläger als alleinigem Gesellschafter und Geschäftsführer selbst unterzeichneten Lageberichte der GmbH für die Geschäftsjahre 1991 und 1992) ist das FG --ohne gegen Verfahrensrecht verstoßen zu haben-- nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) zu dem Ergebnis gelangt, die GmbH sei im Jahr 1991 (noch) nicht zahlungsunfähig gewesen; sie habe in den Jahren 1991 und 1992 geringe Gewinne erzielt bzw. die zum Konkurs führenden Verluste seien erst später entstanden.
2. Mit ihrem Vorbringen verkennen die Kläger, dass der BFH als Revisionsgericht grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), es sei denn --was hier nicht der Fall ist-- es werden in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Verfahrensrügen geltend gemacht. Im Übrigen ist auch im vorliegenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde die Berücksichtigung neuer Tatsachen ausgeschlossen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Juni 2000 IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238; vom 10. November 1999 VI B 388/98, BFH/NV 2000, 721; Gräber/Ruban, a.a.O., § 132 Rz. 6 und § 116 Rz. 54).
3. Der Senat lässt offen, ob die von den Klägern erhobene Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO i.d.F. vor 2001) den gesetzlichen Darlegungsanforderungen gerecht wird; die Rüge hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Auf der Grundlage der --wie dargelegt-- fehlerfrei ermittelten tatsächlichen Umstände hat das FG seine Entscheidung auf die ständige Rechtsprechung des BFH zu § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestützt. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen seine Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu, es sei denn, dass die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig ist (BFH-Urteile vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480; vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362). Die Rechtsprechung hat dabei --wie das FG zu Recht bemerkt hat-- die Zahlungsunfähigkeit stets im Sinne von dauerhafter Illiquidität verstanden und auf die Insolvenzreife bezogen (z.B. BFH-Urteile vom 22. Mai 1973 VIII R 97/70, BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815; vom 10. Mai 1989 I R 159/85, BFH/NV 1990, 635; vgl. auch Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 11 Tz. 148 ff.). Das FG hat auch angeführt, dass ein Zufluss nur dann verneint wird, wenn die Gesellschaft Mittel zur Zahlung des geschuldeten Betrags unter keinen Umständen flüssig machen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juni 1985 VI R 127/81, BFHE 144, 409, BStBl II 1986, 62, und in BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815). Eine Abweichung der Vorentscheidung von diesen höchstrichterlichen Grundsätzen ist nicht zu erkennen. Entgegen der Auffassung der Kläger weicht die Vorentscheidung im Grundsätzlichen auch nicht von dem BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 I R 127/90 (BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532, zur Frage der Anwendung der §§ 30, 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf die aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen erwachsenden Verbindlichkeiten einer GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern) ab.
4. Die Darlegungen der Kläger erschöpfen sich --in der Art einer Revisionsbegründung (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 27)-- im Kern in einer vom vorinstanzlichen Urteil abweichenden Tatsachendarstellung bzw. abweichenden Tatsachenwertung sowie in der Kritik an der vom FG vorgenommenen tatsächlichen und rechtlichen Würdigung. Damit wird jedoch kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO dargelegt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529; vom 31. Januar 2003 IX B 174/02, BFH/NV 2003, 649; vom 29. September 1999 II B 8/99, BFH/NV 2000, 340; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. August 1997 7 B 261/97, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 3328).
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen