Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretung einer Werklohnforderung: steuerfreie sonstige Leistung, Minderung des Entgelts für die Werklieferung
Leitsatz (NV)
1. Die Abtretung einer Werklohnforderung aufgrund eines Forderungskaufvertrages ist eine steuerfreie sonstige Leistung.
2. Die Abtretung einer Werklohnforderung beeinflußt grundsätzlich nicht die Höhe des Entgelts für die steuerpflichtig ausgeführte Werklieferung. Der Werkunternehmer kann die Bemessungsgrundlage für seine Werklieferung auf den Betrag vermindern, der von den Empfängern der Bauleistungen wirklich aufgewendet wird.
Normenkette
UStG 1993 § 3 Abs. 4, 9, § 4 Nr. 8 Buchst. c, § 17
Tatbestand
Die Antragstellerin übertrug ihre Forderungen für erbrachte Bauleistungen aufgrund eines Forderungskauf- und Gewährleistungsübernahmevertrags auf die B-GmbH.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) beurteilte Zahlungen der B-GmbH an die Antragstellerin als Entgelt für steuerpflichtige Bauleistungen von dritter Seite und setzte in dem Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat ... dementsprechend Umsatzsteuer fest. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Nachdem das FA den Aussetzungsantrag abgelehnt hatte, stellte sie diesen Antrag bei dem Finanzgericht (FG).
Das FG setzte die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids aus. Es beurteilte die Rechtmäßigkeit der bezeichneten Steuerfestsetzung als ernstlich zweifelhaft, weil die Zahlungen nicht im Interesse der Bauherren, sondern wegen der Mitverantwortung eines Dritten am wirtschaftlichen Zusammenbruch der Bauherren in ihrem Interesse geleistet worden seien.
Dem hält das FA in der (zugelassenen) Beschwerde entgegen, es liege ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den von der Antragstellerin erbrachten Leistungen und den Zahlungen der B-GmbH vor, weil dadurch der von den Bauherren noch nicht entrichtete Werklohn abgegolten werden sollte.
Das FA beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Ablehnung des Aussetzungsantrags.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat zwar im Ergebnis zu Recht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung angenommen, jedoch nicht geprüft, in welchem Umfang die Steuerfestsetzung dadurch betroffen ist. Der angefochtene Beschluß ist deshalb aufzuheben. Da hinreichende Entscheidungsgrundlagen bisher nicht festgestellt worden sind und es nicht zweckmäßig ist, daß sie vom Bundesfinanzhof (BFH) als Beschwerdegericht ermittelt werden, ist die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
a) Aussetzung der Vollziehung (§69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) soll gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§69 Abs. 3 Satz 1, 3 i. V. m. §69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung dieses Bescheids anhand des im Beschwerdeverfahren heranziehbaren aktenkundigen Sachverhalts und des neuen Vorbringens der Beteiligten (vgl. BFH-Beschluß vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538; List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §69 FGO Rz. 100, m. w. N.) neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263, m. w. N.). Ob und in welchem Umfang die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids ernstlich zweifelhaft ist, läßt sich ohne weitere Feststellungen, die das FG nachholen muß, nicht feststellen.
b) Die Antragstellerin hat steuerpflichtige Bauleistungen an die Bauherren erbracht, die diese Leistungen beansprucht haben. Die B-GmbH war nicht Bauherr, somit nicht Leistungsempfänger der Bauleistungen und war deshalb und auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund verpflichtet, den Werklohn für die erbrachten Bauleistungen zu erfüllen. Ihre Zahlung kann auch nicht als Entgelt für die erbrachten Bauleistungen von dritter Seite beurteilt werden. Nach §10 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 gehört zum Entgelt auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt. Notwendig ist eine geldwerte Zuwendung des anderen (Dritten) im Interesse des Leistungsempfängers "für" die Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1992 V R 107/87, BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705). Dieser Zusammenhang ist nicht anzunehmen, wenn eine Zahlung des Dritten aufgrund eigener Verpflichtung geleistet wird (vgl. BFH-Urteile in BFHE 167, 567, BStBl II 1992, 705; vom 24. Februar 1972 V R 90/68, BFHE 105, 190, BStBl II 1972, 558). Das Motiv oder der Anlaß für die Begründung der eigenen Verpflichtung ist ohne Bedeutung. Ist der Dritte dem Zahlungsempfänger zur Zahlung verpflichtet, so will er seine eigene Schuld erfüllen. Er leistet nicht mehr, wie in §10 Abs. 1 Satz 3 UStG 1993 vorausgesetzt, im überwiegenden Interesse des Empfängers der von dem Unternehmer erbrachten Leistung.
2. Im Streitfall hatte sich die B-GmbH der Antragstellerin durch Forderungskaufvertrag verpflichtet, gegen Übertragung der Werklohnforderung eine dieser entsprechende Zahlung zu leisten. Die Antragstellerin erbrachte durch die Forderungsabtretung eine Leistung, für die sie als Entgelt den Zahlbetrag als Kaufpreis für die Forderung erwartete und erhielt. Die Zahlung war nicht Entgelt für die an die Bauherren erbrachten steuerpflichtigen Bauleistungen, sondern Entgelt für die an die B-GmbH übertragene Werklohnforderung. Die Übertragung der auf Geld gerichteten Forderung war nach §4 Nr. 8 Buchst. c UStG 1993 steuerfrei.
3. Die Abtretung der Werklohnforderung beeinflußt aber grundsätzlich nicht die Höhe des Entgelts (§10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993) für die gemäß §1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 steuerpflichtig ausgeführten Bauleistungen (vgl. dazu Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, 5. Aufl., §10 Bem. 54, 55). Die Antragstellerin kann die Bemessungsgrundlage für diese Leistung auf den Betrag mindern (§17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993), der von den Empfängern der Bauleistungen wirklich aufgewendet wird. Dieser Betrag muß, solange er nicht sicher bestimmt werden kann, geschätzt werden. Wenn die Antragstellerin in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag gesondert ausgewiesen hat, schuldet sie auch den Mehrbetrag (§14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993; vgl. Abschn. 189 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1996), solange sie die Rechnung nicht berichtigt (§14 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. §17 Abs. 1 UStG 1993). Ob, wann und in welcher Höhe dies geschehen ist, ist nicht bekannt und läßt sich aus den Akten nicht feststellen.
4. Die Antragstellerin hat über die Abrechnung der Werklohnforderung gegenüber den Bauherren, über die Höhe, in der diese Forderungen im Konkursverfahren bedient werden und über eine Rechnungsberichtigung keine Angaben gemacht. Das FG hat diese Zusammenhänge nicht erkannt und nicht aufgeklärt. Der Senat verweist die Sache nach Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1995 VIII B 79/95, BFHE 179, 207, BStBl II 1996, 316, m. z. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 66950 |
BFH/NV 1998, 499 |
UR 1998, 421 |