Umsatzsteuer bei Hotelübernachtungen

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist (Anschluss an den BFH Beschluss vom 26.05.2021 - V R 22/20, BFH/NV 2021, S. 1316).

Hintergrund: Ermäßigter Steuersatz auch für die Hotel-Zusatzleistungen?

Streitig ist für 2017, ob die Leistungen eines Hotelbetriebs mit Restaurant und Spa als einheitliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG unterliegen.

Die X-GmbH betreibt ein Hotel. In der USt-Erklärung 2017 ging sie davon aus, Übernachtung, Frühstück und Spa seien eine einheitliche Leistung zum ermäßigten Steuersatz von 7 %.

Das FA vertrat dagegen unter Hinweis auf das BFH-Urteil v. 24.4.2013, XI R 3/11 (BStBl II 2014, S. 86) die Auffassung, es handele sich um jeweils eigenständige Leistungen, von denen die Übernachtung dem ermäßigten (7 %) und Frühstück sowie Spa dem Regelsteuersatz (19 %) zu unterwerfen seien.

Hiergegen legte die X Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Zugleich beantragte sie beim FA die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des USt-Bescheids.

Das FA lehnte die AdV ab. Auch hiergegen legte die X Einspruch ein, über den gleichfalls noch nicht entschieden ist.

X beantragte darauf AdV beim FG, das den Antrag ablehnte. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen USt-Bescheids 2017 bestünden keine ernstlichen Zweifel. Das Aufteilungsgebot nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG sei auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam v. 18.1.2018, C-463/16 (EU:C:2018:22) unionsrechtskonform. Auch eine unbillige Härte sei nicht erkennbar.

Mit ihrer Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des FG wendet die X ein, nach dem EuGH-Urteil Stadion Amsterdam sei es fraglich, ob das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

Entscheidung: Der BFH bejaht ernstliche Zweifel am Aufteilungsgebot für Hotelübernachtungen mit Zusatzleistungen

Die Beschwerde ist für 2017 begründet. Der BFH setzte die Vollziehung des USt-Änderungsbescheids 2017 bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung im Einspruchsverfahren aus.

Unionskonformität des nationalen Aufteilungsgebots nach bisheriger Rechtsprechung

Frühstück und Spa gehören nach der bisherigen BFH-Auffassung zu den Leistungen, die i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht unmittelbar der Vermietung dienen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind. Dies gilt auch, soweit diese weiteren Leistungen als Nebenleistungen zu der ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistung, der Hauptleistung, erbracht werden. Auch insoweit normiert § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG ein Aufteilungsgebot (BFH v. 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, S. 86, Rz. 43, Rz. 44 ff.). Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, wurde vom BFH bisher als unionsrechtskonform angesehen (BFH v. 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, S. 86, Rz. 51.; offen lassend BFH v. 13.6. 2018, XI R 2/16, BStBl II 2018, S. 678, Rz. 24).

Der nationale Gesetzgeber hat mit § 12 Abs. 2 Nr. 11 Sätze 1 und 2 UStG von der Ermächtigung in Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL in selektiver Weise (ohne Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz) dadurch Gebrauch gemacht, dass nicht sämtliche "Beherbergungen in Hotels und ähnlichen Einrichtungen" einschließlich der dabei erbrachten Nebenleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden, sondern nur die Leistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen. Dies ist nach der bisher vom BFH vertretenen Ansicht unionsrechtlich nicht zu beanstanden (BFH v. 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, S. 86, Rz. 53).

Zweifel an dieser Rechtsprechung

Nach Ergehen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam sieht der BFH es als fraglich an, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist. Der EuGH hat dort entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen (Haupt- und einem Nebenbestandteil) besteht, nur zu dem für den Hauptbestandteil geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils bestimmt werden kann (EuGH-Urteil Stadion Amsterdam, Rz. 36). Hieraus könnte für das Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG folgen, dass bei unselbständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung "Übernachtung" zu unterwerfen ist.

Meinungsstreit im Schrifttum

Die Meinungen im Schrifttum sind geteilt. Zum Teil wird vertreten, auch Nebenleistungen zu Übernachtungsleistungen im Hotelgewerbe müssten an der Steuerermäßigung teilhaben. Die Gegenauffassung geht davon aus, auch nach dem EuGH-Urteil Stadion Amsterdam habe das Aufteilungsgebot Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung, weil damit (im Rahmen des den Mitgliedstaaten verbleibenden Wertungsspielraums) zum allgemeinen Grundsatz der gesonderten Betrachtung jeder einzelnen Leistung zurückgekehrt werde.

Die ungeklärte Rechtslage gebietet die Aussetzung der Vollziehung

Angesichts dieser ungeklärten und umstrittenen Rechtslage ist die beantragte AdV zu gewähren. Ist - wie hier - die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren der AdV zu entscheiden. Die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren, d.h. im Rahmen einer noch zu erhebenden Klage, vorbehalten bleiben.

Hinweis: Vorlagebeschluss des V. BFH-Senats

Jedenfalls bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, nachdem der V. Senat des BFH den EuGH um Vorabentscheidung dazu ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit Unionsrecht vereinbar ist (BFH v. 26.5.2021, V R 22/20, BFH/NV 2021, S. 1316, das Verfahren wird beim EuGH unter dem Az. C-516/21 geführt). Die EuGH-Vorlage betrifft die Steuerpflicht der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen.

BFH Beschluss vom 07.03.2022 - XI B 2 21 (AdV) (veröffentlicht am 19.05.2022)

Alle am 19.05.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.


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