Entscheidungsstichwort (Thema)
Benennungsverlangen bei Domizilgesellschaften
Leitsatz (NV)
Das Benennungsverlangen bei Domizilgesellschaften ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger einer Zahlung die Einnahme zu Unrecht nicht versteuert hat. Diese Vermutung begründet bei Auslandsbeziehungen eine erhöhte und auch bei Berücksichtigung der regelmäßig schwierigen Aufklärung der Verhältnisse zumutbare Mitwirkungspflicht.
Normenkette
AO 1977 § 90 Abs. 2, § 160
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
1. Verfahrensmängel
Das Urteil ist mit hinreichenden Gründen versehen; eine ggf. lückenhafte Begründung ist kein Mangel i.S. § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― (vgl. u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2. Februar 1999 II R 91/97, BFH/NV 1999, 1106). Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit ihrem Hinweis, die vom Finanzgericht (FG) ausgesprochene Rechtsfolge sei von den tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt, (auch) einen Verstoß gegen § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO geltend macht, ist diese Rüge im Zulassungsverfahren unbeachtlich; Subsumtionsfehler gehören zu den Fehlern bei der Anwendung materiellen Rechts und fallen nur in ―hier nicht vorliegenden― Ausnahmefällen unter diese Vorschrift.
Soweit die Klägerin mit ihrer Rüge, das Urteil des FG habe ohne hinreichende tatsächliche Feststellungen eine Betriebsstätte der englischen Firmen im Inland angenommen, einen Aufklärungsmangel rügen wollte, ist dieser nicht schlüssig dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, welche Maßnahmen sich dem FG ohne Bezeichnung der von den Domizilgesellschaften beauftragten Unternehmen durch die zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts verpflichtete Klägerin (§ 90 Abs. 2 der Abgabenordnung ―AO 1977―) hätten aufdrängen müssen und warum die Klägerin nicht von sich aus bestimmte zusätzliche Ermittlungen spätestens in der mündlichen Verhandlung beantragt hat (vgl. dazu u.a. BFH-Beschluss vom 28. Juli 1993 V B 25/93, BFH/NV 1995, 307, ständige Rechtsprechung). Soweit das Urteil des FG hier auf einer Beweislastentscheidung beruht, handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Mangel, der im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend gemacht werden kann (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 82, m.w.N.).
2. Divergenz
Die behauptete Divergenz ist nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Das hätte Ausführungen dazu erfordert, dass die in den Entscheidungen des FG und des BFH jeweils zu beurteilenden Sachverhalte vergleichbar sind und dass das FG einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt hat, der die Entscheidung trägt und der von einem ―ebenfalls tragenden― allgemeinen Rechtssatz in den angeführten Entscheidungen des BFH abweicht. Daran fehlt es hier.
Soweit die Klägerin rügt, das Urteil des FG weiche vom Urteil des BFH vom 4. April 1996 IV R 55/94 (BFH/NV 1996, 801) ab, hätte sie beachten müssen, dass der BFH in dieser Entscheidung den Steuerpflichtigen als Opfer einer Täuschung nur ansieht, wenn diese nicht durchschaubar war und sich ihm keine Zweifel hinsichtlich seiner Geschäftspartner hätten aufdrängen müssen. Von Letzterem ist das FG hier ausgegangen.
Soweit die Klägerin rügt, das Urteil des FG weiche stillschweigend von den Urteilen des BFH vom 18. September 1981 VI R 44/77 (BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801) und vom 3. Juni 1982 VI R 48/79 (BFHE 136, 224, BStBl II 1982, 710) ab, in denen ausgesprochen sei, dass Ermessensentscheidungen dem Steuerpflichtigen schriftlich mitzuteilen seien, hätte sie beachten müssen, dass dieser Grundsatz entsprechend der in § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 getroffenen Regelung dann nicht gilt, wenn dem Steuerpflichtigen die Gründe für die Inanspruchnahme bekannt sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493; vom 31. Mai 1983 VII R 7/81, BFHE 138, 416, BStBl II 1983, 545, unter II. 5. der Gründe; vom 13. September 1988 V R 67-68/83, BFH/NV 1989, 681). Davon ging das FG unter Hinweis auf die Besprechung beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) am 22. Oktober 1997 aus.
Die Divergenz zum Urteil des BFH vom 17. Oktober 2001 I R 19/01 (BFH/NV 2002, 609) konnte die Klägerin zwar noch geltend machen, obwohl das Urteil erst nach Ablauf der Begründungsfrist bekannt wurde (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 56 und § 116 Rz. 22); es fehlt aber auch hier an der Darlegung eines vergleichbaren Sachverhaltes:
Der I. Senat des BFH hat in diesem Urteil die bisherige Rechtsprechung zum Benennungsverlangen bei Domizilgesellschaften bestätigt (zu dieser vgl. insbesondere auch Beschluss vom 5. November 2001 VIII B 16/01, BFH/NV 2002, 312). Das Benennungsverlangen ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung ―und der Erfahrungstatsachen des wirtschaftlichen Lebens (BFH/NV 2002, 312, unter II. 3. d der Gründe)― die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger einer Zahlung die Einnahme zu Unrecht nicht versteuert hat. Von dieser Vermutung ging das FG zutreffend auch im Streitfall aus; sie begründete für den Steuerpflichtigen in Verbindung mit der erkennbaren Auslandsbeziehung eine erhöhte und auch bei Berücksichtigung der regelmäßig schwierigen Aufklärung der Verhältnisse zumutbare Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 2 AO 1977; BFH in BFH/NV 2002, 312, unter II. 1. a der Gründe, m.w.N.).
Es ist ―wie auch der I. Senat in seinem Urteil in BFH/NV 2002, 609 (dort unter II. 3. der Gründe) ausgeführt hat― eine Frage der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles, welche Maßnahmen (ggf. bis hin zu einer Rückfrage beim zuständigen FA) hier dem Steuerpflichtigen zuzumuten sind. Diese Würdigung obliegt dem FG und kann im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht überprüft werden (vgl. dazu näher Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82). Damit liegt auch die für die Annahme einer Divergenz erforderliche Vergleichbarkeit der den Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte hier nicht vor.
3. Grundsätzliche Bedeutung
Die Rechtsfrage, ob der Hinweis auf eine beim Bundesamt für Finanzen (BfF) geführte Liste zum Nachweis ausreicht, dass der Zahlungsempfänger eine sog. Briefkastenfirma ist, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist nicht klärungsbedürftig. Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass die FG im Rahmen der Beweiswürdigung auf Auskünfte des BfF zurückgreifen dürfen (vgl. u.a. Beschlüsse vom 25. November 1999 I B 34/99, BFH/NV 2000, 677, und in BFH/NV 2002, 312, unter II. 3. a der Gründe, m.w.N.).
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen
BFH/NV 2003, 738 |
IWB 2003, 533 |