Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; falsche Tatsachenwürdigung begründet keinen Verfahrensmangel; Voraussetzungen der Zulassung der Revision wegen „nachträglicher Divergenz“
Leitsatz (NV)
- Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nicht zulässiger Weise dargetan, wenn die Darlegung lediglich den Hinweis auf ein FG-Urteil enthält, dessen Auffassung der BFH abgelehnt hat.
- Mit dem Vortrag, das FG habe den Sachverhalt nicht zutreffend gewürdigt, wird kein Verfahrensmangel dargelegt.
- Eine Zulassung wegen "nachträglicher Divergenz" kommt nur in Betracht, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde den formellen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt (Anschluss an den BFH-Beschluss vom 27. Januar 1995 VIII B 105/94, BFH/NV 1995, 808).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3
Gründe
Von einer Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Der Vortrag der Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen), es bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), ist nicht geeignet, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in zulässiger Weise zu begründen. Soweit damit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden sollte, wäre ein konkretes Eingehen auf die Rechtsfragen und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit erforderlich gewesen. Es muss dargelegt werden, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Das gilt auch, wenn die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) gestützt wird (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842).
Derartige Gründe hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die bloße Bezugnahme auf Äußerungen im Schrifttum reicht nicht aus, um die grundsätzliche Bedeutung darzutun (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Januar 1995 VIII B 105/94, BFH/NV 1995, 808, m.w.N.). Im Streitfall wäre zumindest erforderlich gewesen, dass die Klägerin sich in ihrer Beschwerdeschrift vom 25. Februar 1999 mit dem Senatsurteil vom 13. November 1997 IV R 67/96 (BFHE 184, 512, BStBl II 1998, 254) auseinander gesetzt hätte, in dem der erkennende Senat unter Ablehnung der in dem Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 23. Juli 1997 IV 317/91 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1456) geäußerten Auffassung die Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bejaht hat. Das gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorlage des Niedersächsischen FG vom 23. Juli 1997 als unzulässig angesehen hat.
2. Soweit die Klägerinnen vortragen, es bedürfe der höchstrichterlichen Klärung, ob die Kontrolle der Filmherstellung (bei der Lithographie) und des Andrucks durch den Designer in den Bereich der künstlerischen Tätigkeit gehöre, ist das Vorbringen verspätet. Die Beschwerdefrist war bei Einreichung des Schriftsatzes vom 29. Juni 1999, mit dem dieser Zulassungsgrund erstmalig vorgetragen wurde, abgelaufen. Daher war zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Erläuterung oder Vervollständigung der fristgerecht vorgebrachten Zulassungsgründe möglich (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 55, m.w.N.). Die im Schriftsatz vom 29. Juni 1999 aufgeworfene Rechtsfrage ist jedoch in der Beschwerdebegründung vom 25. Februar 1999 nicht erkennbar enthalten.
3. Auch die Verfahrensrügen sind nicht in zulässiger Form erhoben. Falls die Klägerinnen geltend machen wollten, das FG habe angebotene Beweise nicht erhoben, hätten sie im Einzelnen darlegen müssen, welche konkreten Tatsachen sie durch welche Beweismittel unter Beweis gestellt haben (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 40, m.w.N.). Das ist nicht geschehen. Offenbar meinen die Klägerinnen, dass das FG die von ihnen vorgelegten Bescheinigungen nicht beachtet habe. Sie wollen das daraus schließen, dass das FG im Urteil nicht ausdrücklich auf diese Bescheinigungen eingegangen ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein Gericht die ihm vorgelegten Unterlagen in seine Betrachtung miteinbezieht, selbst wenn es dies in seiner Entscheidung nicht erwähnt (Entscheidung des BVerfG vom 2. Dezember 1969 2 BvR 320/69, BVerfGE 27, 248, 251). Soweit die Klägerinnen die Auffassung vertreten, das FG habe den ihm vorliegenden Tatsachenstoff unrichtig gewürdigt, liegt hierin kein Verfahrensmangel (Gräber/Ruban, a.a.O. § 115 Rdnr. 25, m.w.N.).
4. Nach alledem kommt auch eine Zulassung der Revision wegen "nachträglicher Divergenz" zum BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98 (Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1999, 1688) nicht in Betracht. In diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass die in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG normierte "Abfärbewirkung" nicht eingreift, wenn der Anteil der originär gewerblichen Einnahmen am Gesamtumsatz äußerst gering ist. Dieses Urteil ist erst nach Ablauf der Beschwerdefrist ergangen. Daher ist es unschädlich, dass die Klägerinnen ihre Beschwerde nicht auf eine Abweichung von dieser Entscheidung gestützt haben (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 69).
Gleichwohl muss offen bleiben, ob das BFH-Urteil in DStR 1999, 1688 tatsächlich im Gegensatz zum angefochtenen FG-Urteil steht. Denn eine Zulassung wegen "nachträglicher Divergenz" kommt nur in Betracht, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde den formellen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt (BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 808). Das ist hier jedoch, wie ausgeführt, nicht der Fall.
Fundstellen