Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtskraftwirkung klageabweisender Urteile für Rechtsbehelfsverfahren gegen die Festsetzung von Aussetzungszinsen
Leitsatz (NV)
- Weist das FG die Klage gegen einen Steuerbescheid ab, so umfasst die Rechtskraft der Entscheidung die Feststellung, dass der Bescheid weder nichtig noch rechtswidrig ist; im Verfahren wegen Aussetzungszinsen hinsichtlich dieses Bescheids kann deshalb nicht mehr geltend gemacht werden, er sei nichtig gewesen.
- Ist im finanzgerichtlichen Verfahren eines Steuerpflichtigen streitig, ob dessen Arbeitsverhältnisse mit Angehörigen steuerlich anzuerkennen sind, so sind die Angehörigen nicht notwendig beizuladen.
Normenkette
AO 1977 § 237 Abs. 1 S. 1; FGO § 60 Abs. 3, § 110 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde, deren Zulässigkeit sich nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung bestimmt (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, BStBl I, 2000, 1567), ist unbegründet.
1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ihren Anspruch auf Zulassung der Revision mit Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Einkommensteueränderungsbescheide für 1980 bis 1984 vom 29. August 1988, bzw. mit Verfahrensmängeln des dazu ergangenen Urteils des Finanzgerichts (FG) vom 23. Oktober 1996 V 51/92 (NV) begründet, kann die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide aufgrund des FG-Urteils und der dazu ergangenen Beschlüsse des Senats vom 10. September 1997 X B 5/97 (BFH/NV 1998, 466) und X R 6/97 (BFH/NV 1998, 467) rechtskräftig festgestellt worden ist und diese Feststellung die Beteiligten ebenso wie die Gerichte nach Maßgabe des § 110 Abs. 1 FGO bindet.
a) Diese Bindungswirkung umfasst bei klageabweisenden Urteilen wie dem des FG vom 23. Oktober 1996 V 51/92 die Feststellung, dass der angefochtene Steuerbescheid nicht rechtswidrig war (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 110 FGO Rz. 59) und damit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nichtig ist. An diese festgestellte Rechtsfolge war das FG im Klageverfahren über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zinsbescheide gebunden, weil sie präjudizielle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. November 1984 VI R 157/83, BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 110 Rz. 21). Denn die Festsetzung von Aussetzungszinsen setzt nach § 237 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) voraus, dass die Anfechtungsklage gegen die der Zinsfestsetzung zugrunde gelegten Steuerbescheide "endgültig keinen Erfolg gehabt hat"; ferner ist Bemessungsgrundlage für die Zinsfestsetzung "der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ausgesetzt wurde".
b) Ob die Bindungswirkung nach § 110 Abs. 1 FGO auch dann eintritt, wenn das Urteil ohne eine nach § 60 Abs. 3 FGO notwendige Beiladung ergeht (vgl. zu dem Meinungsstreit Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz. 109; Gräber/ Koch, a.a.O., § 60 Rz. 113, m.w.N.), kann im Streitfall dahinstehen, da entgegen der Auffassung der Klägerin deren Kinder zu dem Rechtsstreit über die Anerkennung der mit diesen geschlossenen Arbeitsverhältnisse nicht notwendig beizuladen waren. Denn das Einkommensteuerschuldverhältnis des Arbeitgebers ist nicht mit demjenigen des Arbeitnehmers im Sinne einer gegenseitigen Abhängigkeit verknüpft (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 VI R 29/68, BFHE 94, 189, BStBl II 1969, 103, betr. entbehrliche Beiladung eines Arbeitnehmers zu einem Rechtsstreit des Arbeitgebers über das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft der für ihn Tätigen).
2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage begehrt, ob Lohnsteuer, die der Steuerpflichtige für Personen abführt, zu denen er keine arbeitsrechtliche Beziehung hat, als freiwillige Zahlung auf seine eigene Einkommensteuer anzurechnen ist, bleibt die Beschwerde schon deshalb ohne Erfolg, weil der BFH bereits entschieden hat, dass eine nicht geschuldete und deshalb zu Unrecht an das FA abgeführte Lohnsteuer nur auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers, nicht aber ―wie von der Klägerin vertreten― auf die des Arbeitgebers anzurechnen ist (BFH-Urteile vom 23. Mai 2000 VII R 3/00, BFHE 192, 398, BStBl II 2000, 581; vom 29. November 2000 I R 102/99, BStBl II 2001, 195).
3. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen des BFH sind nicht gegeben.
a) Soweit die Klägerin diese Abweichung im Zusammenhang mit ihrer Auffassung geltend macht, die für ihre Kinder abgeführte Lohnsteuer müsse auf ihre eigene Einkommensteuer angerechnet werden (Bl. 10 und 11 des Beschwerdeschriftsatzes), liegt eine Abweichung schon im Hinblick auf die fehlende Anrechenbarkeit der Lohnsteuer auf die Einkommensteuer des Arbeitgebers nach den BFH-Urteilen in BFHE 192, 398, BStBl II 2000, 581, und in BStBl II 2001, 195 nicht vor.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin weicht die angefochtene FG-Entscheidung des Weiteren nicht von dem Rechtssatz des BFH ab, dass Einwendungen, die sich gegen einen bestandskräftigen Steuerbescheid richten, nicht gegen einen Abrechnungsbescheid erhoben werden können (BFH-Urteil vom 22. Juli 1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776). Denn auch nach dieser BFH-Entscheidung ist ―entsprechend den Ausführungen im FG-Urteil― im Abrechnungsverfahren darüber zu entscheiden, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, d.h. wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, ob Verjährung eingetreten, der Forderungsausgleich durch Vollstreckungsmaßnahmen erreicht worden oder die Schuld ―wie von der Klägerin im Streitfall geltend gemacht― bereits vor Begründung der Zahlungspflicht erloschen ist.
c) Die gerügte Abweichung von dem BFH-Urteil vom 22. Mai 1984 VIII R 60/79 (BFHE 141, 211, BStBl II 1984, 697) liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Entscheidung sind in einem Zinsbescheid die Zinsen nach Art und Betrag zu bezeichnen und der Schuldner anzugeben. Von diesem Rechtssatz ist das FG entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb abgewichen, weil es wegen der Gesamtschuldnerschaft der Klägerin und ihres Ehemanns eine unterschiedliche Zinsfestsetzung trotz der für beide ergangenen Aufteilungs- und Abrechnungsbescheide für nicht geboten erachtet hat. Denn die Aufteilung der Steuerschuld nach den §§ 268 ff. AO 1977 berührt die Gesamtschuld gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 als solche nicht. Sie wandelt die Gesamtschuldverhältnisse nicht in Teilschuldverhältnisse um, sondern beschränkt lediglich die Vollstreckung auf die Beträge, die auf die einzelnen Schuldner entfallen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Januar 1988 VII R 66/87, BFHE 152, 206, BStBl II 1988, 406; vom 12. Juni 1990 VII R 69/89, BFHE 163, 498, BStBl II 1991, 493; Boeker in Hübschman/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 44 AO 1977 Rz. 17; Tipke/Kruse, a.a.O., § 44 AO 1977 Rz. 15). Dies bringt auch die Regelung des § 270 Satz 2 AO 1977 zum Ausdruck, nach der die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen der Steuerfestsetzung im Aufteilungsbescheid zugrunde zu legen sind und mit Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid nicht angefochten werden können (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 279 AO 1977 Rz. 9).
4. Eine Zulassung wegen der gerügten Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kommt nicht in Betracht, weil diese Mängel ―Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO wegen Nichtberücksichtigung der Nichtigkeit der Einkommensteueränderungsbescheide für 1980 bis 1984 und Verstoß gegen § 60 Abs. 3 FGO wegen unterlassener Beiladung ihrer Kinder in dem rechtskräftig abgeschlossenen FG-Verfahren V 51/92― aus den oben unter 1. dargestellten Gründen in diesem Verfahren nicht geltend gemacht werden können.
5. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung der Entscheidung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung ab.
Fundstellen