Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Leitsatz (NV)
Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist auch nach der Neufassung der Zulassungsgründe durch das 2. FGOÄndG gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. ein substantiierter Vortrag des Beschwerdeführers darüber erforderlich, dass eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage klärungsbedürftig und im konkreten Fall voraussichtlich auch klärbar ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der herausgestellten Rechtsfrage vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander setzen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist als unzulässig zu verwerfen, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―FGO n.F.― entspricht.
1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig dargelegt.
a) Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist auch nach der Neufassung der Zulassungsgründe durch das 2.FGOÄndG gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. ein substantiierter Vortrag des Beschwerdeführers darüber erforderlich, dass eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage klärungsbedürftig und im konkreten Fall voraussichtlich auch klärbar ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. Februar 2003 III B 117/02, BFH/NV 2003, 810; vom 17. Februar 2003 XI B 61/00, BFH/NV 2003, 806; vom 18. Februar 2003 XI B 5/02, BFH/NV 2003, 809; vom 11. Februar 2003 VII B 244/02, BFH/NV 2003, 833; vom 18. Dezember 2002 VII B 110/02, BFH/NV 2003, 659). Hierbei muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der herausgestellten Rechtsfrage vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander setzen.
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.
Die Klägerin hat (sinngemäß) die Frage aufgeworfen, ob ein steuerrechtliches Verwertungsverbot hinsichtlich solcher Erkenntnisse besteht, welche die Steuerfahndungsbeamten aufgrund eines erst nach Ablauf von sechs Monaten vollzogenen und damit nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27. Mai 1997 2 BvR 1992/92, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1997, 2165) seiner rechtfertigenden Wirkung entkleideten richterlichen Durchsuchungsbeschlusses gewonnen und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) in den angefochtenen Steuer- und Feststellungsbescheiden der Besteuerung zugrunde gelegt hat. Zu klären sei überdies die Frage, "ob ein (etwaiges) steuerliches Verwertungsverbot davon abhängig sei, dass gegen den rechtswidrigen (Durchsuchungs-)Beschluss Beschwerde zum Amtsgericht (AG) eingelegt worden … (oder) der Beschluss zunächst einmal hingenommen (worden sei)".
Zutreffend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich bislang ―soweit ersichtlich― weder der BFH noch die Finanzgerichte ―FG― (speziell) mit der Frage befasst haben, ob und inwieweit der Vollzug eines Durchsuchungsbeschlusses, der seine legitimierende Wirkung eingebüßt hat, zu einem steuerlichen Verwertungsverbot zu führen vermag.
Obwohl die Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage im Hinblick hierauf nach Auffassung des beschließenden Senats zu bejahen ist, kann die auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. gestützte Rüge der Klägerin deshalb keinen Erfolg haben, weil sie die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage nicht (hinlänglich) dargelegt hat.
Nach ständiger, auch vom beschließenden Senat befürworteter Rechtsprechung des BFH sind die Steuergerichte nicht befugt, die Rechtswidrigkeit einer Durchsuchungsanordnung und Beschlagnahme im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens zu prüfen. Wird daher ―wie im vorliegenden Streitfall― im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung die Durchsuchung sowie die Beschlagnahme angeordnet, so obliegt die Prüfung der Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen nicht dem FG, sondern dem AG und im Beschwerdeverfahren dem nach § 304 der Strafprozessordnung (StPO) zuständigen Landgericht. Wird der Beschluss des AG ―wie im Streitfall― nicht angefochten oder die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen, entfaltet die Durchsuchungsanordnung Tatbestandswirkung mit der Folge, dass den Steuergerichten eine (nochmalige) Überprüfung des Durchsuchungsbeschlusses verwehrt ist und sie für das Steuerfestsetzungsverfahren von der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung auszugehen haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. März 1992 X B 18/91, BFH/NV 1992, 367; vom 15. Mai 2002 V B 74/01, BFH/NV 2002, 1279). Umgekehrt kann ―in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den Ergebnissen einer (rechtswidrigen) Außenprüfung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Juni 1973 V R 64/72, BFHE 109, 500, BStBl II 1973, 716)― ein Verwertungsverbot aus der Rechtswidrigkeit einer verfahrensmäßig gesondert zu beurteilenden ―d.h. anfechtbaren― Ermittlungsmaßnahme nur dann abgeleitet werden, wenn die Maßnahme in dem dafür vorgesehenen Verfahren für rechtswidrig erklärt worden ist (BFH-Beschluss vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749, unter III. 3. a aa; ferner BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 1995 I B 118/94, BFHE 177, 242, BStBl II 1995, 497, unter II. 5.; in BFH/NV 1992, 367, unter 1.; vom 11. Juli 1979 I B 10/79, BFHE 128, 170, BStBl II 1979, 704, 705; BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 284/81, BFH/NV 1985, 14, unter 3.).
Angesichts dieser ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte die Klägerin näher (substantiiert) darlegen müssen, dass gleichwohl eine Klärungsfähigkeit anzunehmen ist, etwa weil der hier in Rede stehende Durchsuchungsbeschluss infolge Zeitablaufs an so schweren Mängeln leide, dass er einer "Nichtentscheidung" gleichkomme (zu dieser Konstellation vgl. die beiläufigen, keine abschließende Entscheidung treffenden Äußerungen im Senatsbeschluss in BFH/NV 1992, 367, unter 1.).
Daran fehlt es im Streitfall.
Darüber hinaus lässt die Beschwerdebegründung eine Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung vermissen, nach welchen ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden, im Besteuerungsverfahren nicht besteht (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461; vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328 - betreffend unerlassene Belehrung, m.w.N. der Rechtsprechung). Der Gesetzgeber wollte die Entwicklung steuerrechtlicher Verwertungsverbote der Rechtsprechung überlassen (vgl. BTDrucks 7/4292, S. 25). Diese Frage kann daher nur anhand des jeweiligen Verfahrensverstoßes beantworten werden, wobei dem Schutzzweck der verletzten Norm besondere Bedeutung zukommt (BFH in BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328). In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, dass die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren trotz eines anhängigen Strafverfahrens verfassungsgemäß sind. Die Klägerin war verpflichtet, bei der Prüfung des FA mitzuwirken, ob die Buchführung einschließlich der Führung einer EDV-Kasse den Anforderungen der §§ 146 f. der Abgabenordnung (AO 1977) und der Grundsätze der ordnungsmäßigen Speicherbuchführung (GoS vom 5. Juli 1978, BStBl I 1978, 250) und ordnungsmäßiger datenverarbeitungsgeschützter Systeme genügte. Ihr oblag es insbesondere während des gesamten Verfahrens, die Untersuchung der Geschäftskasse im Wege der Einnahme des Augenscheins und durch einen Sachverständigen zu dulden.
2. Aus den zu 1. genannten Gründen entspricht auch die auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO n.F. gestützte Rüge (Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts) nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der "Grundsatzrevision" vgl. z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 116 Rz. 38).
Fundstellen