Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei unzulässiger Revision Erledigungserklärung unwirksam; zur Aus legung als Rücknahme der Revision
Leitsatz (NV)
1. Die Erklärung der Erledigung der Hauptsache durch den Revisionskläger, weil das FA dem Klagebegehren inzwischen nachgekommen sei, ist in einem unzulässigen Revisionsverfahren unwirksam (ständige Rechtsprechung).
2. Eine Auslegung der Erledigungserklärung als Rücknahme der Revision oder der Klage kommt nur bei hinreichend deutlicher Absicht zur Rücknahme in Betracht.
Normenkette
FGO § 72 Abs. 1, § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1, § 121 S. 1, § 124 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 126 Abs. 1, §§ 138, 145; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) schätzte mangels Abgabe von Erklärungen in den gegenüber der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ergangenen Gewinnfeststellungs- und Umsatzsteuerbescheiden die Gewinne bzw. Umsatzsteuer für die Streitjahre 1990 sowie 1991. Im nach erfolglosem Einspruch angestrengten Klageverfahren wurde der Klägerin am 5. Mai 1994 eine Frist zur Tatsachenangabe nach § 79 b der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis 26. Mai 1994 gesetzt. Die Feststellungs- und Umsatzsteuererklärungen gingen jedoch erst am 15. und 17. Juli 1994 bei dem Finanzgericht (FG) ein. Das FG hat daraufhin die Klage am 18. Juli 1994 abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Revision eingelegt, jedoch innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist die "Hauptsache für erledigt" erklärt, weil das FA mit geänderten Bescheiden dem Klagebegehren inzwischen nachgekommen sei. Da die Klägerin kein Verschulden an den entstandenen Kosten treffe, wie ausgeführt wird, und sich bei früherer Abhilfe auch die Revisionseinlegung erübrigt hätte, werde beantragt, dem FA die Kosten aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist trotz der Erledigungserklärung der Klägerin durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO).
1. Nach § 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) diese zugelassen hat. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Enthält das FG-Urteil -- wie im Streitfall -- keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision, so ist sie versagt (BFH-Beschluß vom 23. Oktober 1986 IX R 186/85, BFH/NV 1988, 108; ständige Rechtsprechung).
Das Rechtsmittel ist auch nicht als zulassungsfreie Revision i. S. von § 116 Abs. 1 FGO statthaft. Die Klägerin hat keinen der in dieser Vorschrift abschließend aufgeführten wesentlichen Verfahrensmängel gerügt.
2. Wegen der Unzulässigkeit der Revision ist die von der Klägerin abgegebene Erledigungserklärung unwirksam. Denn eine Erledigung der Hauptsache setzt nach ständiger Rechtsprechung ein statthaftes und zulässiges Rechtsmittel voraus (vgl. z. B. die BFH-Beschlüsse vom 5. Juni 1985 II S 3/85, BFHE 143, 414, BStBl II 1985, 469; vom 28. Juli 1994 III B 103/94, BFH/NV 1995, 236, und vom 22. November 1994 VII B 164/93, BFH/NV 1995, 422; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 138 Tz. 18 b, und Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 138 FGO Tz. 39 m. w. N.).
Die Erledigungserklärung kann auch nicht als Rücknahme der Revision (§ 125 Abs. 1 FGO) oder der Klage (§ 121 Satz 1 i. V. m. § 72 Abs. 1 FGO) ausgelegt werden. Denn dies käme nur bei hinreichend deutlicher Absicht zur Rücknahme in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 1989 VII B 111/88, BFH/NV 1989, 719; vom 21. Januar 1993 XI R 25/92, XI R 28/92, XI R 29/92, BFH/NV 1993, 549, und vom 11. Januar 1994 IX R 9/94, BFH/NV 1995, 220). Eine solche Rücknahmeabsicht läßt sich dem die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatz vom 13. Dezember 1994 jedoch nicht entnehmen, da dort nicht nur von der wirksamen Revisionseinlegung ausgegangen, sondern auch mit dem begründeten Antrag, dem FA die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, eine allein im Rahmen einer Hauptsacheerledigung mögliche Kostenfolge (vgl. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO) erstrebt wird, während die Rücknahme der Klage oder Revision kraft Gesetzes (§ 136 Abs. 2 FGO) zur Kostenlast des Zurücknehmenden führt.
Einer Rückfrage durch das Gericht gegenüber der anwaltlich vertretenen Klägerin bedurfte es nicht (vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 1986 VIII R 1/86, BFH/NV 1987, 259, 260).
Fundstellen