Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen
Hintergrund: Supervision in pflegenden und betreuenden Berufen
Streitig war, ob Supervisionsleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von der USt befreit sind.
A ist als Supervisorin für verschiedene Auftraggeber u.a. aus den Bereichen der Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe tätig. Ihre Leistung gegenüber den Auftraggebern besteht darin, für die Teilnehmer an ihren Veranstaltungen, d.h. für die Arbeitnehmer ihrer Auftraggeber, Handlungsempfehlungen für den umsichtigeren Umgang mit den beruflichen Alltagsproblemen zu erarbeiten.
Das FA ging davon aus, die Supervisionsleistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht steuerfrei.
Das FG gab der Klage statt. Die Supervisionsleistungen seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei. Insbesondere erbringe A Unterrichtstätigkeiten im Rahmen von Schul- und Hochschulunterricht. Sie habe ihre Tätigkeit auch als Privatlehrerin i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ausgeübt.
Entscheidung: Supervisionsleistungen sind steuerbefreit
Der BFH bestätigt die Auffassung des FG, dass Supervisionsleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst j MwStSystRL von der USt befreit sind. A erfüllt sowohl die leistungsbezogenen als auch die unternehmerbezogenen Voraussetzungen des Befreiungstatbestands. Die Revision des FA wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.
Keine Steuerbefreiung nach nationalem Recht
Unstreitig kommt eine Steuerfreiheit nach nationalem Recht nicht in Betracht. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG scheitert am Bescheinigungserfordernis und § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG an den dort aufgeführten unternehmerbezogenen Voraussetzungen. Ebenso kommt eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG nicht in Betracht, da die Supervisionsleistungen keine Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind. Dafür reicht es nicht aus, wenn bei Supervisionen auch bei Heilbehandlungen eingesetzte Methoden angewandt werden und diese auch der gesundheitlichen Prophylaxe dienen können (BFH v. 30.6.2005, V R 1/02, BStBl II 2005, S. 675).
Leistungsbezogene Voraussetzungen der Steuerbefreiung
A erfüllt die leistungsbezogenen Befreiungsvoraussetzungen. Die Steuerfreiheit erfasst nach der EuGH-Rechtsprechung "Unterrichtseinheiten, die von Unterrichtenden ... erteilt werden und sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen", wobei diese Unterrichtseinheiten "die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit einschließen" (EuGH-Urteil Eulitz v. 28.1.2010, C-473/08, EU:C:2010:47, Rz. 21 ff., 33). Es besteht zudem keine Beschränkung auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung oder zur Erlangung einer Qualifikation führt oder der eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Vielmehr kann der Unterricht auch andere Tätigkeiten einschließen (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, Rz 29; BFH v. 28.5.2013, XI R 35/11, BStBl II 2013, S. 879, Rz. 42). Dementsprechend hat der BFH bereits ausdrücklich entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auch Unterrichtseinheiten erfasst, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, so dass auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein können (BFH v. 24.1.2019, V R 66/17, BFH/NV 2019, S. 593, Rz. 10).
Die leistungsbezogenen Befreiungsvoraussetzungen liegen im Streitfall vor
A hat Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sowie andere in der Pflege tätige Arbeitnehmer im Auftrag deren Arbeitgeber in ihrer eigenen Handlungskompetenz insbesondere gegenüber den jeweiligen Klienten geschult und weiterentwickelt. Gegenstand war die Vermittlung im beruflichen Alltag erforderlicher Kompetenzen, nicht die Lösung persönlicher Probleme der Teilnehmer im Sinne einer Therapie. Ziel der Tätigkeit der A war an erster Stelle das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen und Handlungsmustern, die dazu befähigen sollten, künftig im beruflichen Umfeld auftretende Schwierigkeiten selbst oder gegenseitig kollegial zu überwinden. Die Leistungen der A bezogen sich damit nicht auf Veranstaltungen mit bloßem Freizeitcharakter. Dafür spricht auch, dass Auftraggeber der A nicht die Teilnehmer der Veranstaltungen selbst, sondern deren Arbeitgeber waren.
Auch die unternehmerbezogene Voraussetzungen sind erfüllt
Der Unterricht wird unternehmerbezogen von einem Privatlehrer im Sinne v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erteilt, wenn der Lehrer Träger der Bildungseinrichtung ist und für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt (BFH v. 15.12.2021, XI R 3/20, BFH/NV 2022, S. 1010, Rz. 39). Danach war die A auch als "Privatlehrerin" i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL tätig. Denn sie handelte für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung. Sie war auch Trägerin der Bildungseinrichtung, da es ihren Auftraggebern um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging (vgl. BFH v. 20.3.2014, V R 3/13, BFH/NV 2014, S. 1175). A war Träger der Bildungseinrichtung, an der die Fortbildungsmaßnahmen erbracht wurden.
Hinweis: Fortsetzung der Rechtsprechung
Der BFH setzt seine im Anschluss an das EuGH-Urteil Eulitz v. 28.1.2020, C-473/08, EU:C:2010, geänderte Rechtsprechung fort (BFH v. 20.3.2014, V R 3/13, BFH/NV 2014, S. 1175). Danach kommt es nicht darauf an, ob der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, ob er sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder ob es sich um in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (so noch BFH v. 17.4.2008, V R 58/05, BFH/NV 2008, S. 1418). Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL bezieht sich vielmehr auf jegliche Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat.
Entscheidung durch Beschluss
Die Entscheidung erging nicht (wie üblich) durch Urteil, sondern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 126a FGO. Nach dieser Vorschrift kann der BFH verfahren, wenn der Senat einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der BFH hielt die Sache offenbar für in jeder Hinsicht soweit ausdiskutiert, dass er sich von einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Aspekte erwartet hat.
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