Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Ordnungsgemäße Darlegung der Zulassungsgründe, Verletzung der Sachaufklärungspflicht, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht ist nicht ordnungsgemäß erhoben, wenn der Beschwerdeführer nur behauptet, das FG habe seiner Entscheidung einen nicht allgemein bekannten "Erfahrungssatz" zu Grunde gelegt, aber nicht zugleich darstellt, dass das finanzgerichtliche Urteil auch auf diesem Erfahrungssatz beruht.
2. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine so genaue Bezeichnung der abstrakten Rechtssätze des finanzgerichtlichen Urteils und der behaupteten Divergenzentscheidung, dass eine Abweichung erkennbar wird.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 06.10.2004; Aktenzeichen 2 K 2232/01) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarben Anfang Oktober 1986 jeweils zur ideellen Hälfte ein Ferienhaus in einem Erholungsgebiet nahe der Nordsee. Auf der Grundlage eines mit einer ortsansässigen Firma geschlossenen Gästevermittlungsvertrages vermieteten sie das Haus im Rahmen einer hotelmäßigen gewerblichen Fremdenverkehrsnutzung ab dem 6. Juni 1987.
In den Einkommensteuererklärungen für 1986 bis 1995 erklärten die Kläger Verluste aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 222 667 DM, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit zwischenzeitlich bestandskräftigen Steuerfestsetzungen berücksichtigte.
Den in der Einkommensteuererklärung für 1996 erklärten Verlust von insgesamt 11 600 DM erkannte das FA in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid zunächst an. Die geltend gemachten Verluste von zusammen jeweils 52 404 DM und 48 691 DM in den Einkommensteuererklärungen für 1997 und 1998 berücksichtigte das FA im jeweiligen Einkommensteuerbescheid nicht, weil es nunmehr zu der Auffassung gelangt war, es fehle an der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht. Den für das Streitjahr 1996 ergangenen Einkommensteuerbescheid änderte das FA entsprechend zum Nachteil der Kläger nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977).
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt in seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, es fehle an der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht, weil die Kläger das Ferienhaus allein aus persönlichen Gründen erworben hätten.
Diese persönlichen Gründe ergäben sich zum einen aus der Tatsache, dass beiden Klägern von Beginn der Investition an andere hohe Einkünfte für einen Verlustausgleich jeweils aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen zur Verfügung gestanden hätten. Zum anderen hätten die Kläger sich aus Gründen der Steuerersparnis für den Erwerb des Ferienhauses entschieden. Nach einem persönlichen Berechnungsbeispiel habe sich unter Berücksichtigung einer degressiven Gebäudeabschreibung gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Einkommmensteuerersparnis von 71 353 DM für die ersten Jahre nach Erwerb ergeben. Ferner hätten die Kläger das Ferienhaus auch im Hinblick auf eine spätere zusätzliche Altersversorgung angeschafft und es auch seit Erwerb zu eigenen Wohn- und Erholungszwecken genutzt. Schließlich lasse die eingereichte Prognoseberechnung gleichfalls keine Einkünfteerzielungsabsicht erkennen. Ausweislich der vom FG ersatzweise erstellten Prognoseberechnung ergebe sich ein Totalverlust zum 31. Dezember 2015 in Höhe von 122 666,63 DM.
Mit der Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht, grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Kläger führen insoweit lediglich aus, das FG habe seiner Entscheidung einen nicht allgemein bekannten "Erfahrungssatz" ohne weitere Sachaufklärung zugrunde gelegt. So habe das FG auf Seite 8 seines Urteils wörtlich ausgeführt: "Diese baulichen Arbeiten machen deutlich, dass es sich um echte Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten gehandelt hat, die bereits deshalb so früh in diesem großen Umfang durchzuführen waren, weil es sich um ein Gebäude mit weniger guter Bauausführung und Qualität gehandelt haben dürfte - was bei Ferienhausanlagen allgemein nicht ungewöhnlich ist …". Mit den baulichen Arbeiten seien u.a. die Erneuerung der Fenster, Dacheindeckung und Dachrinnen, die Verbesserung der Heizung und Wärmedämmung gemeint gewesen. Diesen Erfahrungssatz, dass Ferienhausanlagen im Allgemeinen schlechter gebaut seien, gebe es nicht.
Nach Anlage 5 der Wertermittlungsrichtlinien betrage die technische Lebensdauer von den durch die Kläger ersetzten Bauteilen wie Fenster 30 bis 50 Jahre, Dacheindeckung 40 bis 50 Jahre und Dachrinnen 15 bis 20 Jahre. Dass im Streitfall bereits nach 10 Jahren so umfangreiche Instandhaltungsarbeiten an wesentlichen Bauteilen angefallen seien, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und den daraus abgeleiteten Erkenntnissen der Grundstücksbewertung. So hätten die Instandhaltungsarbeiten der Jahre 1997 bis 1999 insgesamt rund 75 000 DM betragen und somit rund 60 % der ursprünglichen Anschaffungskosten ausgemacht.
Dieses Vorbringen reicht indes für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht aus. Es fehlt insoweit an dem Vortrag, das Urteil beruhe auch auf diesem Erfahrungssatz (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Juni 2004 XI B 188/03, nicht veröffentlicht, juris).
Das FG stellt in erster Linie darauf ab, es ergebe sich bereits aus der Art der durchgeführten baulichen Arbeiten, dass es sich um echte Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten gehandelt habe. Die Erwägung, der frühe Zeitpunkt der Renovierungsarbeiten sei auf weniger gute Bauqualität zurückzuführen und diese wiederum bei Ferienanlagen ungewöhnlich, dient ersichtlich nur der Erläuterung, weshalb die Baumaßnahmen zu diesem Zeitpunkt nach Einschätzung des FG erforderlich geworden sind. Der von den Klägern beanstandete "Erfahrungssatz" war mithin nicht entscheidungserheblich.
2. Auch die Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist nicht ordnungsgemäß dargelegt i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Für die Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Fall voraussichtlich auch klärbar ist, erforderlich. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt.
Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen. Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits entschieden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 22. Februar 2005 X B 164/04, BFH/NV 2005, 1126).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kläger haben die Klärungsbedürftigkeit der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend dargetan. Insbesondere haben sie sich in diesem Zusammenhang auch nicht hinreichend mit der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur auseinander gesetzt.
Die von ihnen aufgeworfene Rechtsfrage, ob im Rahmen einer Prognoserechnung, die für die Frage der Liebhaberei von Bedeutung ist, Einnahmen aus anderen Einkunftsarten berücksichtigt bzw. einbezogen werden müssen, die durch Aufwendungen im Rahmen des Liebhabereibetriebes erst möglich werden, ist bereits geklärt.
Die zur Überprüfung der Gewinn- bzw. Einkunftserzielungsabsicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte Totalgewinnprognose ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich jeweils betriebsbezogen zu erstellen (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 24. Aufl., § 15 Rz. 30, m.w.N.; Raupach/ Schencking in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 2 EStG Anm. 412). In diesem Zusammenhang wird allenfalls erörtert, ob im Einzelfall bei der Prüfung der Gewinn- bzw. Einkunftserzielungsabsicht eine Gesamtbetrachtung mehrerer Betriebe bzw. Objekte innerhalb einer Einkunftsart in Betracht kommen kann (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1999 X R 106/95, BFH/NV 1999, 1081; BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2003 IX B 97/03, BFH/NV 2004, 196; Raupach/ Schencking, a.a.O., § 2 EStG Anm. 389).
Die Einbeziehung von positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten in die Totalgewinnprognose bei der Überprüfung der Einkunftserzielungsabsicht, bezogen auf einen einzelnen Betrieb, scheidet hiernach von vornherein aus.
Außerhalb der erstellten Totalgewinnprognose kann im Übrigen gerade der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger sich wegen positiver Einkünfte aus anderen Einkunftsarten eingetretene Verluste aus einem bestimmten Betrieb einer Einkunftsart über einen längeren Zeitraum "leisten" kann, und auf diese Weise zugleich einen Steuerspareffekt erreicht, als persönliches Motiv für die Annahme eines sog. Liebhabereibetriebes sprechen. Dies ist eines der Indizien, das im Rahmen der Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls bei der Feststellung der Gewinn- bzw. Einkunftserzielungsabsicht bei einem Betrieb zu überprüfen ist (vgl. Raupach/Schencking, a.a.O., § 2 EStG Anm. 422, m.w.N.). Dementsprechend hat das FG zutreffend die Erzielung positiver Einkünfte der Kläger aus anderen Einkunftsarten zutreffend als --zusätzliches-- Indiz gegen die Gewinnerzielungsabsicht bei der bislang verlustbringenden gewerblichen Vermietung des Ferienhauses gewertet.
Die von den Klägern angestrebte Gesamtschau über mehrere Einkunftsarten hinweg erfolgt mithin nicht innerhalb der für einen Betrieb erstellten Prognoseberechnung, sondern --wie dargestellt-- im gegenteiligen Sinne, nämlich allenfalls als Indiz gegen die Gewinnerzielungsabsicht innerhalb einer Einkunftsart bei langjährig eingetretenen und ertragenen Verlusten eines einzelnen Betriebes.
Es fehlt jede Auseinandersetzung der Kläger mit der --zu der aufgeworfenen Rechtsfrage ergangenen-- Literatur und Rechtsprechung. Der alleinige Hinweis auf das Urteil des BFH vom 17. November 2004 X R 62/01 (BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336) ist insoweit nicht ausreichend, zumal weder vorgetragen noch ersichtlich ist, inwieweit diese Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung im Sinne der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage abweicht bzw. Ausführungen hierzu enthält.
3. Schließlich fehlt es auch an einer ordnungsgemäßen Darstellung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Der Zulassungsgrund der Sicherung der Rechtsprechungseinheit umfasst auch die Abweichung des FG-Urteils von BFH-Entscheidungen. Eine Divergenz zu einem BFH-Urteil liegt vor, wenn das FG in seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem --ebenfalls tragenden-- abstrakten Rechtssatz einer BFH-Entscheidung abweicht. Die abstrakten Rechtssätze des finanzgerichtlichen Urteils und der Divergenzentscheidung sind so genau zu bezeichnen, dass eine Abweichung erkennbar wird (Senatsbeschluss vom 25. Januar 2005 III B 43/04, BFH/NV 2005, 1256, m.w.N.).
Die Kläger leiten zwar aus dem FG-Urteil bestimmte abstrakte Rechtssätze ab. Aus ihrem Vortrag wird aber nicht erkennbar, dass diese Rechtssätze von entscheidungserheblichen, abstrakten Rechtssätzen der von ihnen genannten BFH-Entscheidungen vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) und in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063 abweichen.
Auch die Hinweise auf die inzwischen durch Urteile am 14. Dezember 2004 abgeschlossenen Verfahren des BFH IX R 70/02 --vorher III R 17/02-- (BFH/NV 2005, 1040) und XI R 6/02 (BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392) lassen keine Divergenz erkennen. Der dem Urteil in BFH/NV 2005, 1040 zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar, weil es dort anders als im Streitfall nicht um gewerbliche Einkünfte, sondern um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer ausschließlich zu Zwecken der Fremdvermietung bereitgehaltenen Ferienwohnung geht. Eine Divergenz zu dem BFH-Urteil in BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392, in dem der BFH langjährige Verluste eines selbständig tätigen Rechtsanwalts nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit anerkannt hat, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
b) Im Kern rügen die Kläger eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung des FG, die eine Zulassung der Revision aber nicht rechtfertigt. Einen besonders schwerwiegenden Fehler, der nach der Rechtsprechung die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (vgl. BFH-Beschluss vom 4. November 2004 I B 43/04, BFH/NV 2005, 707, m.w.N.), haben die Kläger nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Sie tragen vor, das FG habe die durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmen (Modernisierung, Verbesserung des Umfeldes, Ablösung der Fremdmittel und Selbstvermarktung) als solche nicht erkannt. Das FG habe insoweit eine wesentliche Tatsachenfrage ohne Begründung verneint und damit den Klägern jede mögliche Darlegung einer Divergenz genommen. So habe das FG auf die Frage der Umstrukturierung nicht einzugehen brauchen, da die Frage aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung umgangen worden sei. Die Entscheidung des FG sei deshalb im Sinne der Rechtsprechung des BFH objektiv willkürlich bzw. so greifbar gesetzwidrig, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der Entscheidung des FG wieder hergestellt werden könne.
Abgesehen davon, dass diesem Vorbringen keine greifbare Gesetzeswidrigkeit im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu entnehmen ist, trifft der Vortrag, das FG sei auf die Umstrukturierung nicht eingegangen, auch nicht zu. Vielmehr hat das FG auf Seite 8 des Urteils ausführlich dargestellt, weshalb seines Erachtens keine Umstrukturierungsmaßnahmen vorgelegen hätten und dies im Einzelnen anhand des festgestellten Sachverhalts begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 1445682 |
BFH/NV 2006, 80 |