Entscheidungsstichwort (Thema)
Objektives Nettoprinzip; häusliches Arbeitszimmer eines Lehrers/grundsätzliche Bedeutung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Verfahrensfehler
Leitsatz (NV)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das häusliche Arbeitszimmer eines als Lehrer tätigen Steuerpflichtigen den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3, § 8 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 10.04.2008; Aktenzeichen 6 K 1212/06) |
Gründe
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg. Die von ihnen geltend gemachten Zulassungsgründe sind ungeachtet der Frage ihrer hinreichenden Darlegung jedenfalls nicht gegeben. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), noch macht sie eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) erforderlich. Auch ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45, m.w.N.).
a) Soweit die Kläger dazu geltend machen, dass das objektive Nettoprinzip auch im Hinblick auf die Aufwendungen der Klägerin für ihr häusliches Arbeitszimmer Anwendung finden müsse, weil das Arbeitszimmer der Klägerin notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften sei, ist damit eine solche grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage nicht aufgeworfen. Denn insoweit ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162) und der nachfolgenden Rechtsprechung des BFH schon grundsätzlich geklärt, dass für die Fälle, in denen das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde, die Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer sachlich gerechtfertigt ist, da die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer die private Lebensführung jedenfalls berühren.
b) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre 2002 und 2003 geltenden Fassung), ist ebenfalls hinreichend geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; vom 9. April 2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917; vom 29. April 2003 VI R 78/02, BFHE 202, 303, BStBl II 2004, 76; vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03, BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212; BFH-Beschlüsse vom 23. Dezember 2005 VI B 62/05, BFH/NV 2006, 737; vom 24. Juli 2006 VI B 112/05, BFH/NV 2006, 2071; vom 22. Oktober 2007 XI B 12/07, BFH/NV 2008, 47). Danach ist das Arbeitszimmer "Mittelpunkt" im Sinne der genannten Vorschrift, wenn der Steuerpflichtige im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Der "Mittelpunkt" bestimmt sich somit nach dem inhaltlichen qualitativen Schwerpunkt der beruflichen und betrieblichen Betätigung des Steuerpflichtigen. Wo er liegt, kann nur im Wege einer umfassenden Wertung der gesamten Tätigkeit einschließlich einer etwaigen Nebentätigkeit festgestellt werden. Dabei obliegt die entsprechende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles in erster Linie dem Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz (so auch BFH-Beschluss vom 30. August 2005 VI B 2/05, BFH/NV 2005, 2209).
c) Wenn die Kläger geltend machen, dass es das objektive Nettoprinzip in ihrem eigenen Streitfall gebiete, die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin in unbegrenzter Höhe abzuziehen, weil das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde, wenden sie sich im Ergebnis gegen die Tatsachenwürdigung des FG. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen (vgl. hierzu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 154) sind einer Nachprüfung durch den BFH jedoch weitgehend entzogen. Insoweit zielt das Vorbringen der Kläger auf einen die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigenden materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 VI B 67/03, BFH/NV 2005, 702). Ein schwerwiegender Rechtsfehler, der die Zulassung der Revision wegen Divergenz rechtfertigen kann (BFH-Beschluss vom 22. Februar 2007 VI B 29/06, BFH/NV 2007, 969), liegt indessen, wie nachstehend ausgeführt, nicht vor.
2. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch zuzulassen, wenn das Urteil des FG willkürlich oder unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. November 2006 XI B 18/06, BFH/NV 2007, 475; vom 9. August 2007 X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 69, m.w.N.). Ein solch gravierender Rechtsfehler von erheblichem Gewicht, der deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen, ist aber nicht erkennbar.
a) Das FG hat seine unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung getroffene Würdigung, dass auch dann, wenn der Unterricht vor- und nachzubereiten sei, Gutachten zu erstellen seien und ein Teil der Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer verbracht werde, der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit der Klägerin dennoch nicht in ihrem Arbeitszimmer liege, nachvollziehbar begründet. Dies gilt für die Erwägung, dass die von der Klägerin aufgezählten Tätigkeiten, die sie über die reine Lehrtätigkeit hinaus erbringe, nicht oder nur zum Teil im Arbeitszimmer ausgeführt würden, weil Schulsitzungen, die Betreuung der Referendare, die Mitgliedschaft in der Abiturauswahlkommission sowie Tagungen in Ausübung der Tätigkeit als regionale Fachberaterin und Vortragsveranstaltungen nicht im Arbeitszimmer stattfänden, so dass der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit der Klägerin nicht im Arbeitszimmer liege. Entsprechendes gilt für die Erwägung, dass auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Aufgaben der Klägerin der qualitative Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Unterricht liege, weil sie 20 Wochenstunden Unterricht in der Schule erteile und qualitativ die Referendarausbildung und Gutachtertätigkeit Nebentätigkeiten seien, die der Hauptverpflichtung, Unterricht zu erteilen, untergeordnet seien.
Bei dieser Würdigung kam es nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Klägerin laut ihrer Einkommensteuererklärung für 2003 an 230 Tagen des Streitjahres, also im Ergebnis arbeitstäglich, ihren Arbeitsplatz in der Schule aufgesucht hatte.
b) Entgegen der Auffassung der Kläger hat das FG in seiner Urteilsbegründung auch nicht unbestrittenen Sachverhalt übergangen, sondern den Sachverhalt nur abweichend von der eigenen Beurteilung der Kläger gewürdigt. Dies bietet aber keine Anhaltspunkte dafür, dass das FG die vorstehend zitierten Rechtsgrundsätze der Rechtsprechung des BFH in einer qualifiziert rechtsfehlerhaften Weise angewandt hätte.
3. Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) kommt in Betracht, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe fehlt oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtige Argumente vorgebracht werden, die der BFH bisher noch nicht erwogen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41, jeweils m.w.N.). Hierzu sind die Kläger allerdings nicht, wie erforderlich, konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingegangen und haben auch nicht eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausgestellt (vgl. BFH-Beschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 38, 32). Ihr Vorbringen erschöpft sich auch insoweit im Kern in Einwendungen gegen die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen; mit Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit der Vorentscheidung ist jedoch regelmäßig die Zulassung der Revision nicht zu erreichen.
4. Die Kläger rügen zwar einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Sie sehen eine überraschende, nicht den Denkgesetzen folgende und daher willkürliche Beweiswürdigung des FG in dessen Ausführungen, dass die Hauptverpflichtung eines Lehrers grundsätzlich in der Unterrichtstätigkeit bestehe und die Klägerin davon nicht in einem Umfang freigestellt worden sei, dass ausnahmsweise ein anderer Schwerpunkt angenommen werden könnte. Der Senat kann offen lassen, ob (und ggf. inwieweit) die Kläger mit diesem Vorbringen einen Fehler der Vorinstanz in der Handhabung des gerichtlichen Verfahrensrechts (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 22. Januar 2007 VI B 98/06, BFH/NV 2007, 949) oder einen Fehler bei der Anwendung materiellen Rechts geltend machen. Jedenfalls ist nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, inwieweit die Beweiswürdigung des FG willkürlich sein könnte. Denn der Hinweis der Kläger auf den unbestrittenen Umstand, dass die Woche 168 Stunden habe, macht die Würdigung des FG nicht willkürlich. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass das FG die Rechtsprechung des BFH zutreffend zugrunde gelegt hat und seine Entscheidung insbesondere nicht rein quantitativ auf Zeitanteile, sondern auch darauf gestützt hatte, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin in der Schule und nicht in ihrem Arbeitszimmer liege.
Fundstellen