Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes bei mehrfacher Urteilsbegründung
Leitsatz (NV)
Versieht das FG sein Urteil mit einer Haupt- sowie mit zwei Hilfsbegründungen, so ist bei einer Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO darzulegen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 3, 2, Abs. 3 S. 3, § 76
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war daher durch Beschluß zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde setzt gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO voraus, daß (zumindest) einer der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO schlüssig und substantiiert dargelegt wird.
a) Hat das Finanzgericht (FG) sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, so ist hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund in der von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form geltend zu machen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. Dezember 1996 VIII B 15/96, BFH/NV 1997, 500; vom 3. Dezember 1997 VIII B 38/97, BFH/NV 1998, 613; vom 28. April 1998 IX B 120-121/97, BFH/NV 1998, 1497). Um eine kumulative Begründung handelt es sich auch dann, wenn das FG seine Entscheidung auf eine Hauptbegründung sowie auf eine Hilfsbegründung stützt (Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rdnr. 61; Schwarz/Dürr, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rdnr. 29; vgl. auch Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 23. Juni 1975 VII C 45.73, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 132 VwGO Nr. 134, zur Entscheidungserheblichkeit bei Haupt- und Hilfsbegründung).
b) Im Streitfall hat das FG sein Urteil auf eine Hauptbegründung gestützt und dieser zwei Hilfsbegründungen beigefügt. In der Hauptbegründung hat das FG die auf Minderung des Veräußerungsgewinns gemäß § 16 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes gerichtete Klage abgewiesen, weil es in der von der Klägerin an die ausgeschiedene Kommanditistin A geleisteten Zahlung ein außerbetrieblich veranlaßtes Darlehen gesehen hat, dessen Hingabe den in der Steuerbilanz der Klägerin ausgewiesenen Buchwert nicht erhöht, sondern gemindert habe; bezüglich der außerbetrieblichen Veranlassung hat das FG ―in zulässiger Weise (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112)― auf das in dem Parallelverfahren (Feststellungszeitraum 1987) ergangene und den Beteiligten bekannte Urteil Bezug genommen. An diese Hauptbegründung hat das FG zwei Hilfsbegründungen angeschlossen, indem es zunächst eine Abfindungszahlung seitens der Klägerin (erste Hilfsbegründung) und sodann eine Abfindungszahlung des Kommanditisten B (zweite Hilfsbegründung) an die ausgeschiedene Kommanditistin A angenommen hat; auch bei diesen Sachverhaltsannahmen sei ―so die Vorinstanz― der Veräußerungsgewinn nicht zu verringern.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hinsichtlich der Hauptbegründung keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt hat.
a) Soweit die Klägerin den Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung geltend macht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 FGO), bezieht sich die Rüge zwar sowohl auf die Haupt- als auch auf die Hilfsbegründung; sie entspricht aber nicht den Erfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
aa) Eine auf einen Verfahrensmangel gestützte Nichtzulassungsbeschwerde muß den Mangel nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO "bezeichnen". Hierzu sind die Tatsachen schlüssig darzulegen, aus denen sich ergibt, daß ein Verfahrensmangel vorliegt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 65; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 216).
Die gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht kann sich aus dem Übergehen von angebotenen Beweisantritten ergeben; sie kann aber auch daraus folgen, daß das FG den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 FGO) dadurch verletzt, daß es den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt hat, obwohl sich dies ihm auch ohne entsprechenden Beweisantritt hätte aufdrängen müssen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 40; Herrmann, a.a.O., Rdnr. 225, 228). Hat der Beschwerdeführer für den von ihm vorgetragenen Sachverhalt Beweis angeboten, so kann eine schlüssige Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nur darauf gestützt werden, daß das FG Beweisantritte übergangen hat. Für die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO sind die ermittlungsbedürftigen Tatsachen, die angebotenen Beweismittel sowie die Angabe der Schriftsätze oder des Sitzungsprotokolls, in dem die Beweismittel dem FG angeboten wurden, zu benennen. Weiterhin ist darzulegen, inwieweit das Urteil des FG auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre. Da § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozeßbeteiligte ―ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge― verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung), muß schließlich auch vorgetragen werden, daß die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 1994 I B 19-21/94, BFH/NV 1995, 441; vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238; vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608).
bb) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Nachdem die Klägerin im Verfahren vor dem FG für ihre Behauptung, der Rechtsvorgänger der Kommanditistin C, B, habe anläßlich des Ausscheidens der früheren Kommanditistin A deren gegenüber der Klägerin bestehende Darlehensverbindlichkeit von 120 000 DM übernommen, Beweis angeboten hatte, konnte sie eine schlüssige Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nur darauf stützen, daß das FG Beweisantritte übergangen habe. Für die entsprechende Darlegung der einen derartigen Verfahrensmangel begründenden Tatsachen fehlt es in der Beschwerdebegründung jedoch zum einen an der Bezeichnung der Beweismittel, die das FG nach Auffassung der Klägerin hätte erheben müssen, sowie an der Benennung der Schriftsätze, in denen die Beweismittel angeboten worden sind. Zum anderen fehlt es an einem Vortrag der Klägerin, daß sie die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt habe oder weshalb ihr die Rüge nicht möglich gewesen sei.
b) Die von der Klägerin erhobene Divergenzrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erstreckt sich hingegen nicht auf die Hauptbegründung der FG-Entscheidung, sondern nur auf die Hilfsbegründungen. Hinsichtlich der Hauptbegründung fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes, so daß der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob bezüglich der Hilfsbegründungen eine zulässige und begründete Divergenzrüge erhoben worden ist.
Im übrigen ergeht der Beschluß ohne Begründung (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen