Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
Erledigt sich die Hauptsache nach Ergehen des angefochtenen FG-Urteils durch Erlass eines abändernden Bescheids, kann der Kläger auch noch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass ein besonderes Feststellungsinteresse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO besteht.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (Urteil vom 01.07.2015; Aktenzeichen 1 K 1373/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 1. Juli 2015 1 K 1373/13 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde ist unzulässig.
Rz. 2
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die mit der Beschwerde weiterhin angestrebte Zulassung der Revision. Der Kläger ist durch das finanzgerichtliche Urteil nicht mehr beschwert, da der Änderungsbescheid vom 3. November 2015 an die Stelle des Urteils getreten und dadurch eine Erledigung der Hauptsache des Beschwerdeverfahrens eingetreten ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Oktober 1992 VI B 105/91, BFHE 169, 20, BStBl II 1993, 57).
Rz. 3
a) Ein Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein außerprozessuales Ereignis eintritt, durch welches unmittelbar das gesamte im Klageantrag zum Ausdruck kommende Begehren objektiv gegenstandslos geworden ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 4/78, BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375, unter B.II.2.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 138 Rz 66). So verhält es sich hier. Mit Änderungsbescheid vom 3. November 2015 wurde das Fahrzeug des Klägers --wie von diesem vor dem Finanzgericht beantragt-- als LKW besteuert. Dem Klagebegehren ist damit vollumfänglich entsprochen worden. Da sich der Kläger trotz Anfrage der Geschäftsstelle des Senats der einseitigen Erledigungserklärung des Beklagten und Beschwerdegegners (Hauptzollamt --HZA--) vom 26. November 2015 nicht angeschlossen hat, war weiterhin über die Zulassung der Revision zu entscheiden (Gräber/Ratschow, a.a.O., § 116 Rz 74).
Rz. 4
b) Zwar konnte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Februar 2016 zur Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) übergehen, indem er nunmehr begehrt, festzustellen, dass der Bescheid vom 3. September 2013 rechtswidrig war. Eine solche Klageänderung ist grundsätzlich auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde möglich (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 1995 8 B 43/95, Rz 1, nicht veröffentlicht; BFH-Beschlüsse vom 9. August 2001 VII B 34/01, BFH/NV 2001, 1604, unter II.2.a, und vom 15. Dezember 2004 VIII B 181/04, BFH/NV 2005, 896, unter 1.b; jeweils m.w.N.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 80). Sie führt vorliegend jedoch nicht zur Zulassung der Revision, da ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht besteht.
Rz. 5
aa) "Berechtigtes Interesse" i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 27. Mai 1975 VII R 80/74, BFHE 116, 315, BStBl II 1975, 860; Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 89). Dieses kann sich u.a. daraus ergeben, dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, die Finanzbehörde werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft wiederholen (Wiederholungsgefahr; vgl. etwa BFH-Urteil vom 12. Juni 1996 II R 71/94, BFH/NV 1996, 873, unter II.1., m.w.N.; Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 89). Ersetzt jedoch ein Änderungsbescheid den ursprünglich angefochtenen Bescheid und wird damit nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens, besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheids (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 1. Oktober 1992 V R 81/89, BFHE 169, 117, BStBl II 1993, 120, unter II.1.b, und vom 17. März 1994 V R 39/92, BFHE 174, 268, BStBl II 1994, 538, unter II.1.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 93). Eine Wiederholungsgefahr ist in diesen Fällen selbst dann zu verneinen, wenn sich aus den Gründen des Änderungsbescheids nicht ergibt, dass die Finanzbehörde den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004, Rz 23, m.w.N.; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 100 Rz 89). Ein Feststellungsausspruch bezüglich erledigter Bescheide kommt nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, etwa wenn der erledigte Bescheid nach wie vor Grundlage einer noch bestehenden Pfändung ist oder etwa sich bei der Beurteilung eines Steuervorauszahlungsbescheids Rechtsfragen stellen, die im Rahmen der Entscheidung über den Jahressteuerbescheid nicht geklärt werden können und an deren Klärung der Kläger ein berechtigtes Interesse hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 2004, Rz 26).
Rz. 6
bb) Der Kfz-Steuerbescheid vom 3. September 2013, den das damals für die Kfz-Steuer zuständige Finanzamt (FA) erlassen hatte, entfaltet aufgrund des Änderungsbescheids vom 3. November 2015 für den Kläger keine Rechtswirkungen mehr. Die Kfz-Steuer für das Fahrzeug des Klägers wurde lediglich für den Zeitraum vom 23. April 2013 bis zum 18. August 2013 festgesetzt. Eine Regelung oder Bindungswirkung für die Zukunft ergibt sich hieraus nicht. Aufgrund des zwischenzeitlichen Übergangs der Zuständigkeit für die Kfz-Besteuerung vom FA auf das HZA ist darüber hinaus ein konkreter Wiederholungsfall nicht absehbar.
Rz. 7
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 9417651 |
BFH/NV 2016, 1059 |