Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortführung der Nutzungswertbesteuerung durch den jetzigen Allein- und früheren Miteigentümer eines ZFH
Leitsatz (NV)
1. Die Revision ist nicht wegen einer Abweichung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, wenn das FG eine Rechtsfrage nicht entschieden, sondern übersehen hat.
2. War einem Miteigentümer im Veranlagungszeitraum 1986 der Nutzungswert einer Wohnung in vollem Umfang zuzurechnen und wäre ihm in einem der Folgejahre nach der bis zum Jahre 1986 gültigen Rechtslage der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung als Alleineigentümer zuzurechnen gewesen, so scheidet die Anwendung der sog. großen Übergangsregelung des §52 Abs. 21 Satz 2 EStG nicht allein deshalb aus, weil der Steuerpflichtige aufgrund einer Erbauseinandersetzung Alleineigentümer der Wohnung geworden ist.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2 S. 1, § 52 Abs. 21 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
a) Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Abweichung von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Dezember 1993 IX R 169/88 (BFHE 173, 131, BStBl II 1994, 325), vom 11. Mai 1993 IX R 124/89 (BFH/NV 1994, 25) und vom 12. Februar 1989 IX R 246/84 (BFH/NV 1990, 25) rügen, haben sie eine Divergenz zwar bezeichnet. Entgegen ihrer Ansicht liegt der Vorentscheidung aber kein abstrakter Rechtssatz zugrunde, wonach einem Nutzungsberechtigten der Nutzungswert nur entsprechend seinem ideellen Miteigentumsanteil zuzurechnen sei.
Ein abstrakter Rechtssatz kann sich zwar aus scheinbar nur fallbezogenen Ausführungen des Finanzgerichts (FG) ergeben; jedenfalls muß das FG die Rechtsfrage aber entschieden und darf sie nicht übersehen haben (BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671). Die Frage, ob der Nutzungswert der Obergeschoßwohnung dem Kläger im Veranlagungszeitraum 1986 nur zu einem Sechstel oder in vollem Umfang zuzurechnen war, wird in der Entscheidung des FG überhaupt nicht aufgeworfen. Vielmehr ist das FG offensichtlich von einer den Miteigentumsanteilen entsprechenden Zurechnung der Einkünfte in den für die Erben- und Grundstücksgemeinschaft ergangenen Feststellungsbescheiden ausgegangen und hat die Rechtmäßigkeit dieser Zurechnung für den Veranlagungszeitraum 1986 als unstreitig angesehen. Im Klageverfahren hatten die Kläger die in den Feststellungsbescheiden vorgenommene Zurechnung der Einkünfte nicht eindeutig angegriffen, sondern vielmehr ausgeführt, dem Kläger sei im Jahre 1986 der Nutzungswert in Höhe seines Miteigentumsanteils zugerechnet worden und die Übergangsvorschrift des §52 Abs. 21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) "deshalb" anzuwenden. Der weiteren Klagebegründung, für die Nutzungswertbesteuerung müsse auf die gesamte Wohnung als wirtschaftliche Einheit abgestellt werden, läßt sich nicht entnehmen, ob sie sich (auch) auf den Veranlagungszeitraum 1986 oder (allein) auf das Begehren bezieht, dem Kläger nach der Erbauseinandersetzung einen auf die gesamte Wohnung bezogenen Nutzungswert zuzurechnen. Zwar mag davon auszugehen sein, daß das FG Anlaß für eine weitergehende Prüfung der Einkünftezurechnung im Veranlagungszeitraum 1986 gehabt hätte, zumal es für die Anwendung der sog. großen Übergangsregelung i. S. des §52 Abs. 21 Satz 2 EStG nicht darauf ankommt, ob das FA bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 1986 den Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung tatsächlich durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelt hat, sondern darauf, ob der Nutzungswert bei zutreffender Anwendung des Gesetzes nach dieser Rechnungsmethode hätte ermittelt werden müssen (vgl. Senatsurteil vom 22. März 1994 IX R 78/92, BFH/NV 1995, 99). Das FG hat aber nicht -- auch nicht konkludent -- in den Urteilsgründen einen von der Rechtsprechung des BFH abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Da das Rechtsinstitut der Divergenzbeschwerde nicht einer generellen Richtigkeitskontrolle dient, ist die Revision nicht allein deshalb zuzulassen, weil im Klageverfahren möglicherweise Rechtsfragen übersehen wurden (vgl. BFH-Beschluß vom 23. August 1993 X B 38/93, nicht veröffentlicht).
b) Eine Abweichung von dem BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) ist nicht schlüssig gerügt (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Kläger haben aus der Divergenzentscheidung keinen die Nutzungswertbesteuerung betreffenden abstrakten Rechtssatz bezeichnet und einem der Vorentscheidung zugrundeliegenden abstrakten Rechtssatz gegenübergestellt.
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wird in der Beschwerdeschrift nicht hinreichend dargetan (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Soweit die Kläger die Rechtsfrage aufgeworfen haben, ob der Nutzungswert einer selbstgenutzten Wohnung nach dem Verhältnis der tatsächlichen Nutzung zugerechnet werden kann, wenn der Nutzungsanteil eines Miteigentümers wesentlich größer als sein ideeller Miteigentumsanteil ist, legt die Beschwerdeschrift die Klärungsbedürftigkeit und/oder Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht dar. Der Senat hat die Zurechnung des Nutzungswerts auch dann anhand des tatsächlichen Nutzungsumfangs vorgenommen, wenn der Nutzungsanteil doppelt (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 1993 IX R 124/89, BFH/NV 1994, 25) bzw. annähernd viermal so groß (vgl. BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890: 48,6 v. H. zu 12,5 v. H.) wie der ideelle Miteigentumsanteil war. Das Urteil in BFHE 173, 131, BStBl II 1994, 325, läßt die Rechtsfolge lediglich für den Fall eines nur "geringfügigen" Miteigentumsanteils offen, ohne damit jedoch die vorgenannten Entscheidungen in Zweifel zu ziehen (vgl. auch Senatsurteil vom 22. April 1997 IX R 73/94, BFH/NV 1997, 653). Im Streitfall betrug -- nach den Angaben der Kläger -- der Nutzungsanteil (1/2 des Zweifamilienhauses) das Dreifache des ideellen Miteigentumsanteils (1/6 des Zweifamilienhauses). Dieses Verhältnis liegt innerhalb des Rahmens der vom Senat bereits entschiedenen Sachverhalte.
b) Hinsichtlich der weiteren von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfrage, ob dem Kläger im Streitjahr nach der Erbauseinandersetzung der Nutzungswert auch dann in vollem Umfang zuzurechnen ist, wenn ihm dieser im Jahre 1986 nur zu einem Sechstel zuzurechnen war, haben die Kläger (zumindest) die Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht dargelegt. Derartiger Ausführungen hätte es im Streitfall jedoch bedurft, weil die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage in einem zugelassenen Revisionsverfahren gewichtigen Zweifeln unterliegt (vgl. BFH- Beschlüsse vom 18. Januar 1995 VIII B 41/94, BFH/NV 1995, 807; vom 11. März 1997 V B 111/96, BFH/NV 1997, 683). Ausgehend von dem Tatsachenvortrag der Kläger (Nutzung der Obergeschoßwohnung im Jahre 1986 ohne Ausgleichszahlung an die übrigen Miterben) und der unter Punkt 2 a) dargestellten Senatsrechtsprechung wäre der Nutzungswert der Obergeschoßwohnung im Veranlagungszeitraum 1986 dem Kläger zuzurechnen gewesen.
c) Ebenfalls nicht dargelegt haben die Kläger die Klärungsbedürftigkeit der Frage, ob ein Miteigentümer, dem vor der Erbauseinandersetzung ein Nutzungswert zustand, der größer als sein ideeller Miteigentumsanteil war, nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und -- sinngemäß -- dem Erwerb des Alleineigentums die Nutzungswertbesteuerung ungemindert fortführen kann. War einem Miteigentümer im Veranlagungszeitraum 1986 der Nutzungswert einer Wohnung in vollem Umfang zuzurechnen und wäre ihm in einem der Folgejahre nach der bis zum Jahre 1986 gültigen Rechtslage der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung als Alleineigentümer zuzurechnen gewesen, so scheidet die Anwendung der sog. großen Übergangsregelung des §52 Abs. 21 Satz 2 EStG nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht allein deshalb aus, weil der Steuerpflichtige aufgrund einer Erbauseinandersetzung (gegebenenfalls verbunden mit einer vorweggenommenen Erbfolge, vgl. BFH-Urteil vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791) Alleineigentümer der Wohnung geworden ist.
Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen