Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügungsmacht an Bauten des Pächters auf Grundstück des Verpächters
Leitsatz (NV)
Nach dem BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 80/87 (BFH/NV 1993, 634) gibt es keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, daß ein Mieter oder Pächter, der auf einem gemieteten oder gepachteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude weiter überträgt. Vielmehr kommt es auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls an.
Erweist sich die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde letztlich als Rüge, daß das FG bei Würdigung des festgestellten Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, handelt es sich nicht um die Bezeichnung der Abweichung von einer Entscheidung des BFH.
Normenkette
UStG 1980 § 3 Abs. 1; FGO § 115
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) -- ein Sportverein -- führte seine Sportver anstaltungen seit vielen Jahren in einem städtischen Stadion durch. Die Stadt als Eigentümer gestattete ihm aufgrund eines Vertrags vom ... 1971 "die Benutzung der Sportanlagen im ... Stadion für die Dauer von mindestens 15 Jahren" gegen ein jähr liches Pauschalentgelt in Höhe von 1 200 DM. Der Stadt blieb vorbehalten, in jedem Einzelfall die Sportanlagen für die Benutzung freizugeben.
Der zuständige Sportverband machte dem Kläger zur Auflage, für die sportlichen Veranstaltungen mindestens ... Zuschauerplätze bereitzuhalten. Dazu fehlten im Stadion damals etwa 1 000 -- vor allem überdachte -- Sitzplätze. Die Stadt war nicht bereit, das Stadion entsprechend herzurichten, gestattete aber dem Kläger laut Vereinbarung vom ... 1988, die eine Kurve des Stadions "entsprechend den von der Stadt aufgestellten Plänen" als Bauherr auf eigenes Risiko und auf eigene Rechnung auszubauen. In gleicher Weise erfolgte die Erweiterung der Haupttribüne. Zur Finanzierung der Baumaßnahmen erhielt der Kläger einen Zuschuß der Stadt in Höhe von 525 000 DM und einen Zuschuß des Landkreises in Höhe von 400 000 DM.
Die Baumaßnahmen wurden öffentlich ausgeschrieben. Die Stadt gab im einzelnen an, wer die Aufträge erhalten sollte und führte die Bauaufsicht. Die Tribüne und der Ausbau der Kurve waren laut Schlußabnahmeschein des Landkreises im Oktober 1988 fertiggestellt. Die Baukosten betrugen etwa 1 260 000 DM.
Die Stadt gestattete dem Kläger die Benutzung des Platzes für seine sportlichen Veranstaltungen gegen ein Entgelt in Höhe von 10 v. H. der jährlichen Einnahmen aus dem Verkauf der Eintrittskarten. Die Unterhaltskosten der Platzanlagen trug die Stadt. Ausgenommen war die Flutlichtanlage. Für die -- von der Stadt durchgeführte -- Reinigung des Stadions übernahm der Kläger einen Anteil in Höhe von 18 000 DM jährlich.
Die Sportanlagen des Stadions -- insbesondere die Leichtathletikanlagen -- standen auch den städtischen Schulen, anderen Sportvereinen und dem Kreissportbund zur Abnahme des deutschen Sportabzeichens zur Verfügung.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) behandelte den Kläger als Besteller der Baumaßnahmen, gewährte ihm den Vorsteuerabzug aus den Baurechnungen, unterstellte aber die Weiterlieferung der Baumaßnahmen an die Stadt. Als Entgelt dafür setzte das FA einen Betrag in Höhe von 955 000 DM brutto (837 719 DM Netto-Entgelt) an, der sich aus den Zuschüssen der Stadt und des Landkreises sowie aus 30 000 DM Leistungen der Stadt im Rahmen der Bauaufsicht zusammensetzte.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es kam aufgrund seiner Würdigung des festgestellten Sachverhalts zum Ergebnis, daß dem Kläger die Verfügungsmacht an den von ihm bestellten Baumaßnahmen verblieben war.
Mit der Beschwerde beantragt das FA Zulassung der Revision mit der Begründung, das Urteil des FG weiche von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juli 1969 V R 9/66 (BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71) und vom 24. November 1992 V R 80/87 (BFH/NV 1993, 634, Umsatzsteuer- Rundschau -- UR -- 1994, 76) ab und beruhe auf dieser Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die vom FA geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils von den Rechtssätzen im BFH-Urteil in BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71 liegt nicht vor. Das FA führte insoweit aus: Nach den Rechtssätzen in diesem Urteil setze die Verschaffung der Verfügungsmacht die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus. In der Regel sei sie mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang verbunden. Es bestehe jedoch kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß ein Pächter, der auf dem gepachteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichte und für sein Unternehmen nutze, die Verfügungsmacht an dem Gebäude weiter übertrage. Es komme vielmehr auf die Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls an.
Nach Auffassung des FA ist das FG von dem Erfordernis der Würdigung der Gesamtumstände abgewichen. Es habe in seiner rechtlichen Beurteilung nicht den im Urteilstatbestand (Bl. 3) angeführten Vertrag vom ... 1971 einbezogen. Nach diesem Vertrag mit seiner Änderung vom ... 1987 und dem nach dessen Ablauf neu geschlossenen Vertrag vom ... 1990 gestatte die Stadt dem Kläger die Benutzung der Sportplätze. Es bestünden keine Regelungen, daß die vom Kläger errichteten Tribünen aus der Nutzungsüberlassung ausgenommen seien. Die Sportanlagen stünden auch den städtischen Schulen und anderen Sportvereinen zur Verfügung. Die Entscheidung liege im Zweifelsfall bei der Stadt. Sie habe das Recht zur fristlosen Kündigung, wenn der Kläger seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkomme. Bei Würdigung der Verträge hätte das FG zu dem Ergebnis kommen müssen, daß es sich um Pachtverträge im Sinne der BFH-Rechtsprechung handle.
Diese Beschwerdebegründung erweist sich letztlich als Rüge, daß das FG bei der Würdigung des festgestellten Sachverhalts -- einschließlich der bezeichneten Verträge -- zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Eine Abweichung von den vom FA vorgetragenen Grundsätzen der BFH- Rechtsprechung ist nicht ersichtlich. Das Urteil des FG beruht vielmehr auf den Grundsätzen des vom FA bezeichneten BFH-Urteils. Die Würdigung des FG bezieht auch die Nutzungsvereinbarungen zwischen Kläger und Stadt ein. Wie das FG aber ausführt, ergab sich nach seiner Auffassung die Übertragung der Verfügungsmacht an den neu errichteten Anlagen an die Stadt auch nicht aus der Übernahme der Kosten für die Unterhaltung des Stadions mit den alten und neuen Anlagen aufgrund der Nutzungsvereinbarung, "zumal sich die Beteiligten nach dem unwidersprochenen Vertrag des Klägers nicht strikt daran halten".
Auch der weitere Vortrag des FA, nach dem BFH-Urteil in BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71 folge aus der Verpachtung des vom Pächter bebauten Grundstücks an den Pächter, daß der Verpächter die Verfügungsmacht an dem Gebäude erlange, und zwar auch an solchen Bauteilen, die während eines bestehenden Pachtvertrags vom Pächter errichtet würden und in das Pachtverhältnis einbezogen seien, stützt die Beschwerde nicht. Auch hierbei handelt es sich um keinen divergierenden Rechtssatz der BFH-Rechtsprechung zum FG-Urteil. Denn nach dem (maßgeblichen) zeitlich späteren BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 634 gibt es eben keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, daß ein Mieter oder Pächter, der auf einem gemieteten oder gepachteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude weiter überträgt. Vielmehr kommt es auf die Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls an. An diesen Rechtssatz hat sich das FG gehalten.
Daß dem FG bei der Feststellung des Sachverhalts ein Verfahrensfehler unterlaufen sei, hat das FA nicht in einer den Voraussetzungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise gerügt.
Fundstellen