Umsatzsteuerpflicht eines Golfclubs
Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Golfclub Schloss Igling vom 10.12.2020, C-488/18, EU:C:2020:1013; Änderung der Rechtsprechung.
Hintergrund: Entgeltliche Leistungen eines Golfclubs
Streitig war, ob die von einem Sportverein erbrachten Leistungen von der USt befreit sind.
Der im Streitjahr 2011 nicht als gemeinnützig anerkannte Verein (Golfclub) vereinnahmte Mitgliedsbeiträge. Diese Beiträge sah das FA nicht als Vergütung für steuerbare Leistungen an. Sie waren daher nicht im Streit.
Darüber hinaus erbrachte der Club weitere Leistungen gegen gesondertes Entgelt, und zwar für die Nutzung des Platzes, die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Club Gelder für Teilnahme vereinnahmte, und für die Überlassung von Caddys sowie für den Verkauf eines Golfschlägers (insgesamt 80.000 EUR).
Das FA sah diese gesondert vereinbarten Leistungen als steuerbar und steuerpflichtig an. Die (dem Grunde nach) mögliche Steuerfreiheit für den Veranstaltungsbereich nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG lehnte das FA mangels Gemeinnützigkeit des Clubs ab.
Während des anschließenden Klageverfahrens änderte der Verein in 2016 seine bisherige Satzung, nach der bei Auflösung des Vereins das Vermögen an eine von den Mitgliedern bestimmte Institution fallen solle, dahin ab, dass das Vermögen einer steuerbegünstigten Körperschaft zwecks Verwendung für gemeinnützige Zwecke zufalle solle.
Das FG gab der Klage statt. Es ging davon aus, bei dem Club habe es sich um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben gehandelt, die sich auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen könne.
Im anschließenden Revisionsverfahren legte der BFH dem EuGH die Problematik der Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL vor (BFH v. 21.6.2018, V R 20/17, BStBl II 2018, S. 558).
Hierauf hat der EuGH geantwortet (EuGH Golfclub Schloss Igling v. 10.12.2020, C-488/18, EU:C:2020:1013, BFH/NV 2021, S. 430:
- Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL hat keine unmittelbare Wirkung, so dass sich eine Einrichtung nicht unmittelbar darauf berufen kann, um eine nach dem nationalen Recht nicht gewährte Steuerbefreiung zu erwirken.
- Der Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben im Sinne der Vorschrift ist ein autonomer unionsrechtlicher Begriff, der verlangt, dass im Fall der Auflösung das Vermögen nicht an die Mitglieder verteilt wird.
Auf dieses Urteil des EuGH konnte der BFH nunmehr über die Revision entscheiden.
Entscheidung: Keine unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL
Auf die Entscheidung des EuGH änderte der BFH seine Rechtsprechung. Er hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.
Ermessen des Gesetzgebers
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten "bestimmte", in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Sport oder Körperertüchtigung ausübende Personen erbringen. Nach der Auffassung des EuGH kann sich eine Einrichtung auf diese Vorschrift nicht unmittelbar berufen, wenn der Mitgliedstaat nur eine begrenzte Zahl sportlicher Dienstleistungen von der Steuer befreit. Das liegt hier vor. Denn § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG befreit nur eine begrenzte Zahl von Dienstleistungen (Veranstaltungen mit Teilnehmergebühren). Der EuGH begründet seine Auslegung damit, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerfreien Dienstleistungen lässt. Daraus folgt, dass die Bestimmung keine unmittelbare Geltendmachung ermöglicht (EuGH Golfclub Schloss Igling, Rz 36 f.).
Änderung der Rechtsprechung
Der BFH hat bisher die unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL bejaht (BFH v. 3.4.2008, V R 74/07, BFH/NV 2008, S. 1631, Leitsatz 1; v. 2.3.2011, XI R 21/09, BFH/NV 2011, S. 1456; v. 16.10.2013, XI R 34/11, BFH/NV 2014, S. 460, und v. 20.3.2014, V R 4/13, BFH/NV 2014, S. 1470). An dieser Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr fest.
Teilnahme an Veranstaltungen
Für die Leistungen im Bereich der Veranstaltungsstartgelder kann zwar eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG in Betracht kommen. Die Steuerfreiheit scheitert im Streitfall aber daran, dass es sich bei dem Club nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL handelt. Denn hierzu hat der EuGH entschieden, der Begriff verlange, dass das Vermögen bei der Auflösung nicht an ihre Mitglieder verteilt werden kann. Das war bei dem Club im Streitjahr 2011 nicht der Fall. Die Satzung wurde erst in 2016 entsprechend neu gefasst.
Hinweis: Stärkere Besteuerung von Sportvereinen?
Der BFH verweist am Ende der Entscheidung auf die Rechtsprechung, nach der ein Verein, der seinen Mitgliedern dauerhaft Sportanlagen und damit verbundene Vorteile zur Verfügung stellt, entgeltliche Leistungen erbringt, die die Mitglieder durch ihre Beiträge vergüten (EuGH-Urteil Kennemer Golf v. 21.3.2002, C-174/00, EU:C:2002:200; BFH v. 20.3.2014, V R 4/13, BFH/NV 2014, S. 1470). In der Verwaltungspraxis wird dagegen – entgegen dieser Rechtsprechung – bei "echten Mitgliederbeiträgen" ein Leistungsaustausch verneint (Abschn. 4.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Die nun vorliegende Entscheidung, dass sich aus der MwStSystRL keine Steuerfreiheit für Mitgliederbeiträge ableiten lässt, dürfte – falls der Gesetzgeber nicht korrigierend eingreift – zu einer erweiterten Steuerpflicht der Sportvereine führen.
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