Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge der Verletzung des VGFGEntlG
Leitsatz (NV)
Art. 3 § 3 VGFGEntlG ist eine Verfahrensvorschrift, deren Verletzung einen Verfahrensmangel darstellt. An die Verfahrensrüge sind die Anforderungen zu stellen, die allgemein für derartige Rügen gelten (§ 120 Abs. 2 FGO), d.h., es müssen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Verfahrensmangel ergeben.
Normenkette
VGFGEntlG Art. 3 § 3; FGO § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
An der Klägerin und Revisionsklägerin zu 5 - einer KG - (KG) waren in den Streitjahren 1967 bis 1974 der Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) als persönlich haftender Gesellschafter und die Kläger und Revisionskläger zu 2 bis 4 (Kläger zu 2 bis 4) als Kommanditisten beteiligt. Die Kläger zu 3 und 4 sind Kinder der Klägerin zu 2.
Entgegen den Erklärungen zur Gewinnfeststellung 1965 und 1966 wurden für die Kläger zu 3 und 4 in den Erklärungen für die Streitjahre 1967 bis 1974 keine Gewinnanteile ausgewiesen.
Bei der Schlußbesprechung im Rahmen einer Betriebsprüfung, die sich auf die Streitjahre 1967 bis 1974 erstreckte, erklärte der Kläger zu 1, daß die Kläger zu 3 und 4 nicht am Gewinn und Verlust der KG beteiligt seien.
Eine Begründung für diese Behauptung oder Erklärungen und Nachweise sonstiger Art, z.B. Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder Vereinbarungen unter den Gesellschaftern, haben die Kläger zunächst nicht vorgetragen oder vorgelegt. Ein Schreiben des Betriebsprüfers vom 16. Oktober 1981, in dem die Kläger darauf hingewiesen wurden, daß seit Beginn der KG die Gesellschafter immer entsprechend ihrem Kapitalkonto am Gewinn und Verlust beteiligt gewesen seien, blieb unbeantwortet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung geänderte Gewinnfeststellungsbescheide und rechnete auch den Klägern zu 3 und 4 Gewinn- und Verlustanteile entsprechend ihren Kapitalanteilen zu.
Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, den sie nicht begründeten. Das FA wies den Einspruch zurück.
Auch die Klagen, die der Kläger zu 1 zugleich namens der Kläger zu 2 bis 5 erhob, wurden zunächst nicht begründet.
Am 19. November 1983 stellte das Finanzgericht (FG) dem Kläger zu 1 drei Schreiben zu (Postzustellungsurkunde - jeweils ein Schreiben für die Klagen betreffend das Streitjahr 1967, die Streitjahre 1968 bis 1970 und betreffend die Streitjahre 1971 bis 1974 -), in denen es ihn aufforderte, ,,innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Schreibens alle Tatsachen anzugeben, auf die Sie ihre Klage stützen wollen". In den Streitsachen betreffend die Jahre 1967 (I - K 59/83) und 1971 bis 1974 (I - K 61/83) reagierten die Kläger nicht. In der Streitsache betreffend die Jahre 1968 bis 1970 (I - K 60/83) schrieb der Kläger zu 1 am 13. Dezember 1983 wie folgt: Er habe sich bei einem Unfall am 29. Oktober 1983 das linke Fußgelenk verstaucht, einen Bluterguß erlitten, der noch nicht vollständig zurückgegangen sei, und das Knie schmerzhaft verletzt. Es bestehe 100 %ige Arbeitsunfähigkeit. Er rechne nicht damit, daß vor Ende 1984 eine wesentliche Besserung eintrete; er werde aber versuchen, eine Begründung vorher vorzulegen.
Nachdem ein auf den 19. Juni 1984 anberaumter Termin mit Verfügung vom 25. Juni 1984 aufgehoben worden war, bestellten sich die jetzigen Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 18. Juli 1984 zu Prozeßbevollmächtigten.
Am 27. Juli 1984 (Zustellung am 1. August 1984) verfügte das FG die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 4. September 1984. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 1984 (Eingang FG) trugen die Prozeßbevollmächtigten vor, der Kläger zu 1 sei von der Leiter gestürzt und befinde sich zur Zeit in stationärer Behandlung. Aus diesem Grunde könne das Klageziel noch nicht geklärt werden, eine Entscheidung werde erst nach Urlaubsrückkehr der Prozeßbevollmächtigten am 23. August 1984 erfolgen können.
Mit Schriftsatz vom 3. September 1984 - vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 4. September 1984 - trugen die Kläger zur Begründung ihrer Klagen vor, daß die Kläger zu 3 und 4 mit den Klägern zu 1 und 2 ,,vor der Anmeldung und deren Eintritt als Kommanditisten in die KG" vereinbart hätten, daß sie weder am Gewinn noch am Verlust der Gesellschaft beteiligt seien. Sie legten die Kopie einer entsprechenden Erklärung der Kläger zu 3 und 4 vom 15. Oktober 1981 vor.
Das FG wies die Klagen als unbegründet ab. Es führte u.a. aus:
Den Klägern zu 3 und 4 seien zu Recht Gewinn- und Verlustanteile zugerechnet worden. Sie seien als Kommanditisten in die KG aufgenommen und entsprechend in das Handelsregister eingetragen worden. Daraus ergebe sich zunächst, daß sie auch wie Kommanditisten am Gewinn und Verlust der KG beteiligt seien. Entsprechend seien seit Gründung der KG allen Kommanditisten Gewinn- und Verlustanteile zugerechnet worden, und zwar auch den Klägern zu 3 und 4 in den Jahren 1965 und 1966. Eine davon abweichende Vereinbarung sei zwar möglich, im Streitfall aber nicht nachgewiesen. Der Behauptung, die Gewinn- und Verlustbeteiligung sei mündlich ausgeschlossen worden, könne das FG nicht folgen. Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen seien steuerlich nur anzuerkennen, wenn sie ernsthaft gewollt seien. Indiz für den ernsthaften Vertragswillen sei, daß der Vertrag in der unter fremden Dritten üblichen Form abgeschlossen werde. Fremde Dritte hätten aber eine so ungewöhnliche und widersinnige Vereinbarung schriftlich niedergelegt.
Im übrigen sei das Vorbringen gemäß Art. 3 § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) vom 31. März 1978 als verspätet zurückzuweisen.
Das FG habe davon ausgehen dürfen, daß der Streitpunkt der Gewinnverteilung fallengelassen worden sei, nachdem auf das Schreiben des Betriebsprüfers vom 16. Oktober 1981 nicht geantwortet und der Punkt auch später nicht mehr aufgegriffen worden sei. Eine Beachtung des Schriftsatzes vom 3. September 1984 hätte das Ende des Prozesses hinausgeschoben. Die Kläger zu 2 und 4 seien im Termin am 4. September 1984 nicht anwesend gewesen und hätten also auch nicht dazu gehört werden können, ohne daß der Termin aufgehoben, die Entscheidung also verschoben worden wäre. Die Säumnis der Kläger sei auch nicht zu entschuldigen. Den einfachen Sachvortrag hätten die Kläger bereits früher bringen können.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen Rechts.
Das FG habe Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG falsch ausgelegt. Das FG habe bei seiner Entscheidung nicht nur darauf abstellen dürfen, daß bei Beachtung des klägerischen Vorbringens ein neuer Termin erforderlich gewesen wäre. Hätten die Kläger die Klagebegründung rechtzeitig abgegeben, würde sich die Entscheidung aufgrund der Amtsermittlungspflicht des FG möglicherweise noch über den 4. September 1984 hinaus verzögert haben. Die Anwendung des Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG führe im Streitfall zu einer Überbeschleunigung des Verfahrens.
Der Kläger zu 1 habe davon ausgehen dürfen, daß seine Entschuldigung vom 13. Dezember 1983 ausreichen würde, eine Präklusion zu verhindern. Das FG habe dem Kläger zu 1 Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, wenn es seine Entschuldigung nicht akzeptieren wollte, zumal der damals 73jährige Kläger zu 1 anwaltlich nicht vertreten gewesen sei und zwischen Ablauf der Frist (19. Dezember 1983) und mündlicher Verhandlung (4. September 1984) ein Zeitraum von neun Monaten gelegen habe.
Die Kläger beantragen, die Urteile des FG vom 4. September 1984 I - K 59/83, I - K 60/83 und I - K 61/83 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Die Kläger haben sie innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht i.S. des § 120 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet.
1. Mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das FG (Art. 103 des Grundgesetzes - GG -; § 119 Nr. 3 FGO) haben die Kläger nicht die Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dazu gehört die Darlegung, wozu die Kläger sich nicht hätten äußern können und was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätten (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 167). Die Kläger machen demgegenüber lediglich geltend, das FG habe ihnen keine Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gegeben, daß das Vorbringen des Klägers zu 1 im Schriftsatz vom 13. Dezember 1983 nicht ausreichte, seinen fehlenden Sachvortrag zu entschuldigen. Es ist dabei nicht ganz klar, ob der Kläger zu 1 damit sagen wollte, daß er weitere Entschuldigungsgründe vorgetragen oder aber seinen Sachvortrag früher gebracht hätte. Darauf kommt es aber nicht an. In jedem Fall haben die Kläger versäumt darzulegen, was sie vorgetragen hätten.
2. Auch die Rüge, das FG habe Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG falsch angewendet, ist nicht i.S. des § 120 Abs. 2 FGO begründet.
Art 3 § 3 VGFGEntlG ist eine Verfahrensvorschrift, deren Verletzung einen Verfahrensmangel darstellt. Wird dies behauptet, so sind an die Rüge die Anforderungen zu stellen, die allgemein für die Rügen von Verfahrensmängeln gelten (§ 120 Abs. 2 FGO), d.h., die Kläger müssen die Tatsachen bezeichnen, die den Verfahrensmangel ergeben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Februar 1984 IV R 195/81, nicht veröffentlicht - NV -).
Die Zurückweisung von Erklärungen und Beweismitteln und die Entscheidung ohne weitere Ermittlungen gemäß Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG kann im Einzelfall eine Einschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, vgl. BFH-Urteile vom 30. März 1988 I R 140/87, BFHE 153, 388, BStBl II 1988, 836, und vom 13. Oktober 1983 IV R 113/83, NV) oder der Verpflichtung des FG zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) bedeuten.
Wie allgemein bei der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) hätten die Kläger auch bei der Rüge, Art. 3 § 3 Abs. 2 VGFGEntlG sei verletzt, darlegen müssen, daß und insbesondere welche der von ihnen abgegebenen Erklärungen das FG zurückgewiesen hat (vgl. Klein/Ruban, a.a.O., Rdnr. 167 betreffend die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs). Wenn sie rügen wollten, das FG habe nicht ohne weitere Ermittlungen entscheiden dürfen (§ 76 Abs. 1 FGO), dann hätten sie darlegen müssen, welche angebotenen Beweise das FG nicht erhoben hat oder welche es von sich aus hätte erheben müssen (vgl. Klein/Ruban, a.a.O., Rdnr. 170 betreffend die Rüge der Sachaufklärungspflicht).
Auf die Darlegung dessen, was bei ausreichendem Gehör vorgetragen worden wäre, kann allerdings ausnahmsweise dann verzichtet werden, wenn das gesamte Vorbringen infolge eines Verfahrensfehlers ungeprüft geblieben ist (BFH-Urteil in BFHE 153, 338, BStBl II 1988, 836; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Rz. 13). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Das FG hat nämlich zum Inhalt des klägerischen Schriftsatzes vom 3. September 1984 und der Erklärung der Kläger zu 3 und 4 ausführlich Stellung genommen und ist zu dem Schluß gelangt, daß dieses Vorbringen die Klagen nicht begründen kann. Darauf ist die Revision in keiner Weise eingegangen. Sie hat auch sonst nicht dargelegt, welche Erklärungen sie abgegeben und welche Beweismittel sie angeboten hätte.
Die Revision ist auch im übrigen nicht begründet worden. Die Kläger haben insbesondere zur materiellen Begründung der Urteile keine Stellung genommen.
Fundstellen