Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz nur bei abweichenden Rechtssätzen; grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
Fehler bei der Tatsachenwürdigung führen nicht zur Zulassung der Revision wegen Abweichung.
Inwieweit Wettbewerb durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bei Erfüllung steuerbegünstiger Zwecke ,,unvermeidbar" i. S. des § 65 Nr. 3 AO 1977 ist, ist nicht mehr grundsätzlich klärungsbedürftig.
Normenkette
FGO § 115; AO 1977 § 65
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) - ein Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) - dient gemäß § 2 seiner Satzung der Wohlfahrt und Gesundheit des Volkes und vertritt in Wort, Schrift und Tat die Ideen der Nächstenliebe, der Völkerverständigung und des Friedens.
Weitere Aufgaben sind:
Erste Hilfe bei Notständen und Unglücksfällen,
Rettungsdienst in Stadt und Land, auf dem Wasser und in den Bergen,
Mitwirkung bei der Vorbereitung und den Durchführungsmaßnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung,
Ausbildung der Bevölkerung in Erster Hilfe und Gesundheitspflege, Wohlfahrtspflege durch Fürsorge für Kinder, Mütter, Invaliden, Heimatvertriebene, Auswanderer und andere Hilfsbedürftige,
Krankenpflege und Krankentransport,
Durchführung des Blutspendedienstes,
Gesundheitspflege und Ergänzung der öffentlichen Gesundheitsfürsorge,
Durchführung des Suchdienstes,
Betreuung von Kriegsgefangenen und Kriegsopfern,
Unterhaltung caritativer Einrichtungen,
Ausbildung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen haupt- und ehrenamtlichen Kräfte,
Sammlung von Spenden und
Bereitstellung von Hilfsmitteln.
Der Kläger erzielte Einnahmen (Bruttoentgelte) aus Bewirtungsleistungen seines Verpflegungszuges bei öffentlichen Veranstaltungen wie Schulfesten, Vereinsfesten, Sportveranstaltungen und Fastnachtsveranstaltungen (Umzüge). Dabei wurden geboten: Erbsen-, Gemüse-, Linseneintopf (etwa 80 v. H.), Mehrtopfgerichte (etwa 10 v. H.), Grillwürste und belegte Brote (etwa 10 v. H.). Getränke wie Tee, Kaffee, Sprudel und Bier wurden nur im Auftrag des Bestellers, nicht auf eigene Rechnung, ausgegeben. Das vom Verpflegungszug zubereitete Essen wurde im sog. Einweggeschirr gereicht.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) erfaßte die Umsätze mit dem vollen Steuersatz, wobei er davon ausging, daß die Umsätze im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erzielt worden seien.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 527).
Das FA beantragt Zulassung der Revision.
Zum einen macht es geltend, das FG-Urteil weiche vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. August 1986 II R 246/81 (BFHE 147, 299, BStBl II 1986, 831) ab und beruhe auf dieser Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der BFH habe entschieden, ein Zweckbetrieb sei nur dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit der Körperschaften bei Erfüllung der gemeinnützigen oder kirchlichen Zwecke unvermeidbar sei.
Dem widerspreche die Rechtsauffassung des FG, wonach die Einsätze des Verpflegungszugs des Klägers einem gemeinnützigen Sektor eines Zweckbetriebs zuzuordnen seien. Nach Auffassung des FA ist die vom BFH geforderte Unvermeidbarkeit dann nicht erfüllt, wenn die Körperschaft durch eine ganz bestimmte Tätigkeit ihre eigenen Zielsetzungen besonders wirksam verwirklichen kann, nämlich durch die übungsweise entgeltliche Abgabe von Essen. Die dadurch entstandene Konkurrenzlage im Sinn des § 65 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) sei nicht unvermeidbar.
Zum anderen stützt das FA die Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Es hält aus Gründen der Rechtsklarheit eine Entscheidung des BFH für erforderlich, weil der Gesetzgeber keine eindeutige Regelung für die Abgrenzung des Zweckbetriebs vom wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb getroffen habe und - soweit ersichtlich - BFH- Entscheidungen und FG-Entscheidungen zu der Frage, ob die Verpflegungszüge der Kreis- bzw. Ortsverbände des DRK dem gemeinnützigen Sektor eines Zweckbetriebs zuzuordnen seien, nicht vorlägen.
Das FA führt weiter aus, das FG hätte selbst die Revision zulassen müssen, weil es im Hinblick auf die BFH-Urteile vom 21. August 1985 I R 3/82 (BFHE 145, 40, BStBl II 1986, 92) und I R 60/80 (BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88) selbst Zweifel an der Zurechnung zum gemeinnützigen Sektor gehabt habe. Die Rechtsfrage, ob die Entgelte aus der Tätigkeit der ,,Verpflegungszüge" der Kreis- bzw. Ortsverbände des DRK allein deswegen dem gemeinnützigen Sektor zugerechnet werden könnten, weil sie auch der Erprobung und Wartung des Geräts für den Katastropheneinsatz dienten, sei grundsätzlich zu klären.
Bei einer Tätigkeit wie derjenigen der Verpflegungszüge des Klägers sei das Erfordernis des § 65 Nr. 3 AO 1977 - Beschränkung des (abstrakten) Wettbewerbs auf das zur Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbare Maß - nicht gewahrt: Der Verpflegungszug habe zwar lt. Schreiben des Amts für Zivilschutz laufend theoretisch und praktisch zu üben und ein Ausbildungslimit von etwa 120 Stunden im Jahr zu absolvieren. Als solche Übungen könnten die hier streitigen ,,Einsätze" aber nicht angesehen werden, weil die Aufgabenstellung bei Katastrophen sich wesentlich von einer Bewirtung bei Vereinsfesten, Einweihungsfesten von Unternehmen, Stadtfesten, Wahlveranstaltungen und ähnlichem unterscheiden dürfte. Daß die sog. Einsätze der Verpflegungszüge zum Teil geeignet gewesen seien, als Übung für den Katastrophenschutz zu dienen, könne nicht dazu führen, sie insgesamt dem gemeinnützigen Sektor des Zweckbetriebs zuzuordnen. Z. B. unterscheide sich der Verkauf von Erbseneintopf bei einem Stadtfest oder Jubiläum des Vereins nicht von der Bewirtung der Besucher eines Waldfestes, wie im Fall des Urteils in BFHE 145, 40, BStBl II 1986, 92.
Die Höhe der Erlöse spreche für eine nachhaltige und auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeit. Es sei davon auszugehen, daß die Beteiligung des Klägers an zahlreichen Festen dazu gedient habe, die Vereinskasse aufzufüllen. Der Umfang der Betätigung sei auch so erheblich, daß der Verein in zahlreichen Fällen in Konkurrenz zu Gastwirten und ähnlichen Unternehmen getreten sei.
Der Kläger beantragt, die Beschwerde des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des FA ist unbegründet.
1. Die geltend gemachte Abweichung des FG-Urteils vom Urteil in BFHE 147, 299, BStBl II 1986, 831, liegt nicht vor. Der Rechtssatz des BFH-Urteils, zu dem eine Abweichung behauptet wird, nämlich daß ein Zweckbetrieb nur dann gegeben sei, wenn die Tätigkeit der Körperschaft bei Erfüllung der gemeinnützigen oder kirchlichen Zwecke unvermeidbar sei, ist im wesentlichen eine Wiedergabe des Wortlauts des § 65 Nr. 3 AO 1977. Davon ist auch das FG ausdrücklich ausgegangen (S. 5/6 des Urteils). Bei der vom FA als eine abweichende vorgetragenen Rechtsauffassung des FG handelt es sich um keinen abweichenden Rechtssatz, sondern um ein Entscheidungsergebnis aufgrund einer Sachverhaltswürdigung, die das FA für unzutreffend hält. Fehler bei der Tatsachenwürdigung können aber nicht zur Zulassung der Revision wegen Abweichung führen (BFH-Urteil vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211).
2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet ebenfalls aus. Die angeschnittene Rechtsfrage, ob der Kläger mit den Einsätzen seines Verpflegungszugs (als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) zu nichtbegünstigten (Gastronomie-)Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb trete, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar sei (§ 65 Nr. 3 AO 1977), ist nicht mehr grundsätzlich klärungsbedürftig. Die Rechtsprechung des BFH hat dazu wiederholt Auslegungsgrundsätze aufgestellt. Das FG hat insoweit zutreffend auf die Urteile in BFHE 145, 40, BStBl II 1986, 92; in BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88; und vom 28. Oktober 1960 III 134/56 U (BFHE 72, 292, BStBl III 1961, 109), der Kläger zusätzlich auf das Urteil in BFHE 147, 299, BStBl II 1986, 831, Bezug genommen.
Ob das FG die von ihm selbst herangezogene BFH-Rechtsprechung zutreffend auf den festgestellten Sachverhalt angewendet hat, insbesondere, ob seine Sachverhaltswürdigung zutreffend ist, berührt die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht.
Fundstellen