Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter
Leitsatz (NV)
- Gegen § 6 FGO bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (st. Rspr.).
- Bei der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist eine vorherige Anhörung der Beteiligten nicht vorgesehen.
- Ausführungen zur Übertragung der Sache auf den Einzelrichter sind Teil des Übertragungsbeschlusses, der nicht begründet zu werden braucht.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 S. 1; FGO § 6 Abs. 1, 3, § 113 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nrn. 1, 5
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 Einspruch eingelegt und Untätigkeitsklage erhoben.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Entscheidung des Einzelrichters als unzulässig ab. Die Erhebung der Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) sei mißbräuchlich.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung von Bundesrecht, insbesondere der Art. 101 und 103 des Grundgesetzes (GG), sowie der §§ 119 Nr. 1 und 6 und 74 FGO.
Die Übertragung auf den Einzelrichter sei ohne Namensnennung und trotz der Unanfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses ohne Gewährung rechtlichen Gehörs erfolgt. Gegen § 6 FGO bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Ein Ermessen bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters sei unzulässig und führe zur nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 119 Nr. 1 FGO). Zudem enthielten die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung keine Ausführungen zur Frage der (ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs) erfolgten Beauftragung des Einzelrichters. Daher sei auch § 119 Nr. 6 FGO verletzt. Die Revision sei somit nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 und 5 FGO zulassungsfrei.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Vorsorglich rügen sie die Besetzung des für die Entscheidung über die Revision zuständigen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH). Das Verfahren sei bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über entsprechende Verfassungsbeschwerden zu Art. 101 GG i.V.m. § 21 g Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) auszusetzen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und daher durch Beschluß zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO).
1. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die von den Klägern erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat der Senat mit Beschluß vom heutigen Tage als unzulässig verworfen.
Der Fall einer zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 FGO, insbesondere § 116 Abs. 1 Nr. 1 und 5 FGO, liegt nicht vor.
Dem Vortrag der Kläger ist nicht zu entnehmen, daß das FG bei der Vorentscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Es war berechtigt, den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zu übertragen (§ 6 Abs. 1 FGO). Der BFH hat wiederholt entschieden, daß gegen § 6 FGO keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. März 1998 X B 161/96, BFH/NV 1998, 1487, und X R 105/96, BFH/NV 1998, 1488; eine entsprechende Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluß des BVerfG vom 15. August 1997 2 BvR 1272/97 nicht zur Entscheidung angenommen). Eine namentliche Benennung des Einzelrichters ist nicht erforderlich (BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1997 IX R 22/95, BFH/NV 1998, 720). Der Einzelrichter ist aus dem senatsinternen Mitwirkungsplan zu ersehen. Eine vorherige Anhörung der Beteiligten ist in § 6 Abs. 1 FGO ―anders als in § 6 Abs. 3 FGO― nicht vorgesehen. Im übrigen könnte ihre Unterlassung nicht die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnen (BFH-Beschluß in BFH/NV 1998, 1488).
Mängel der Begründung der Vorentscheidung (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO) sind nicht erkennbar. Ausführungen zur Übertragung der Sache auf den Einzelrichter sind nicht Teil der Vorentscheidung, sondern des Übertragungsbeschlusses, der als unanfechtbar (§ 6 Abs. 4 Satz 1 FGO) nicht begründet zu werden braucht (§ 113 Abs. 2 FGO).
Das FG war aus den von ihm angegebenen Gründen auch nicht veranlaßt, das Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen.
2. Die Besetzung des erkennenden Senats folgt dem Geschäftsverteilungsplan des BFH in Verbindung mit dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan für 1999 vom 11. Dezember 1998. Sie entspricht den Vorgaben des BVerfG-Beschlusses vom 8. April 1997 1 PBvU 1/95 (BVerfGE 95, 322, BStBl II 1997, 672). Mit diesem Beschluß ist der Antrag der Kläger auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO gegenstandslos geworden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Gründe, von der Erhebung der Kosten gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Fundstellen