Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten
Leitsatz (NV)
Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind nur Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar in Widerspruch stehen.
Normenkette
FGO § 107 Abs. 1
Tatbestand
I. Im Urteil vom 22. Juni 2001 hatte das Finanzgericht (FG) tenoriert: "Unter Änderung des Bescheids vom …2.1998 wird der verbleibende Verlustabzug des Klägers … zum 31.12.1994 auf … DM festgestellt." Bei dieser Tenorierung war das FG von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem Objekt C in Höhe von 89 367 DM ausgegangen, ohne zu berücksichtigen, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) negative Einkünfte in Höhe von 53 554 DM bereits angesetzt hatte, der verbleibende Verlust also nur um den Differenzbetrag hätte erhöht werden dürfen. Das Urteil wurde den Beteiligten im Juli 2001 zugestellt.
Auf den Antrag des FA vom 15. November 2001 berichtigte das FG den Tenor gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO); dem Gericht sei bei der Tenorierung eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 Abs. 1 FGO unterlaufen.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben Beschwerde erhoben und tragen im Wesentlichen vor:
1. Das FG habe sich geirrt, wenn auch nicht verrechnet, als es den vom FA bereits abgezogenen Verlust nicht berücksichtigt habe.
2. Fraglich bleibe aber, ob es sich um einen der Korrektur zugänglichen offensichtlichen Rechenfehler handele und ob der Berichtigungsantrag rechtzeitig gestellt worden sei. Das FA habe sich mit seinem Antrag monatelang Zeit gelassen. Wenn auch das Gesetz für einen solchen Antrag keine Frist ausdrücklich normiere, dürfte gleichwohl im Interesse der formalen Rechtssicherheit eine Antragstellung von weniger als der Frist der formalen Rechtsbehelfe (hier ein Monat) zu fordern sein.
Die Kläger beantragen sinngemäß, den Beschluss aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Nach § 107 FGO dürften Schreib- oder Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit berichtigt werden.
2. Aus den Unterlagen folge, dass der Tenor des Urteils vom 22. Juni 2001 auf einem Rechenfehler beruhe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat die Voraussetzungen des § 107 FGO für eine Berichtigung des Urteilstenors zutreffend als erfüllt angesehen.
1. Der Rechtsstreit ist gemäß § 6 FGO dem Einzelrichter übertragen worden. Die Übertragung umfasst den gesamten Rechtsstreit. Dazu gehören auch unselbständige Nebenverfahren, wie etwa die Berichtigung des Urteils gemäß § 107 FGO (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 6 Rz. 19). Der Einzelrichter war daher zur Entscheidung über die Urteilsberichtigung berechtigt.
2. Im Unterschied zu den Fällen der Tatbestandsberichtigung und der Urteilsergänzung (§§ 108 und 109 FGO) kann die Berichtigung nach § 107 FGO jederzeit und ohne Antrag durch das Gericht vorgenommen werden (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 107 Rz. 6). Die Berichtigung nach § 107 FGO kann auch noch durch die Revisionsinstanz vorgenommen werden und ist auch nach Eintritt der Rechtskraft zulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. Februar 2000 V R 89/98, BFHE 191, 84, BStBl II 2000, 278). Eine Verfristung scheidet daher aus.
3. Gemäß § 107 Abs. 1 FGO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht berichtigt werden. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind nur Erklärungsmängel, die zu dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar in Widerspruch stehen. Wie bei der vergleichbaren Vorschrift des § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) schließt die Möglichkeit eines Rechtsirrtums die Berichtigung nach § 107 FGO aus (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. März 2000 IX B 111/99, BFH/NV 2000, 1127, m.w.N.). Nur mechanische Fehler, die ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, fallen unter diese Berichtigungsvorschriften. Ein offenbarer Fehler liegt vor, wenn er auf der Hand liegt, wenn er durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IV B 140/00, BFH/NV 2002, 1306).
Im Streitfall ist diese Voraussetzung erfüllt. Es liegt nach der Begründung im Urteil vom 22. Juni 2001 auf der Hand, dass das FG die negativen Einkünfte aus dem Objekt C insgesamt nur mit einem Betrag von 89 367 DM berücksichtigen wollte; denn nach seiner Auffassung waren statt der vom FA ―quotenmäßig― anerkannten Werbungskosten im Wesentlichen die erklärten Werbungskosten abzuziehen. Diese ergaben die negativen Einkünfte von 89 367 DM. Dass das FG bei der Berechnung des verbleibenden Verlustabzugs die vom FA bereits angesetzten negativen Einkünfte von 53 554 DM nicht berücksichtigt hat, kann danach nur auf einem Versehen beruhen. Ein Rechtsirrtum ist ausgeschlossen.
4. Der Fehler im Urteilstenor war auch offenbar. Offenbar ist eine Unrichtigkeit selbst dann, wenn sie aus dem Urteil nicht unmittelbar erkennbar ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1306). Im Streitfall ergibt sich der Fehler eindeutig aus dem Urteil in Verbindung mit dem Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 15. Oktober 1996.
Fundstellen