Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis: Organschaft
Leitsatz (NV)
In einem Rechtsstreit um die Zurechnung von Gewerbeerträgen und Gewerbekapitalien in entsprechender Anwendung von § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 (“Mehrmütterorganschaft”) ist die Organträgerin einer an der Mehrmütter-GbR beteiligten Gesellschaft nicht klagebefugt.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist vorrangig die Zulässigkeit einer Klage (Klagebefugnis).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war in den Streitjahren 1988 bis 1999 Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der X-Aktiengesellschaft (AG). Die AG war mit anderen Gesellschaften Gesellschafterin einer GmbH; alle Gesellschafter der GmbH waren zugleich Gesellschafter einer GbR, die Trägerin des gemeinsamen Willens der GmbH war und daneben die GmbH mit Betriebskapital ausgestattet hat. Zwischen der GmbH und der GbR bestand ein Ergebnisübernahmevertrag. In den für die Streitjahre ergangenen Gewerbesteuermessbescheiden wurde die GbR von dem Beschwerdegegner und Beklagten (Finanzamt --FA--) im Einklang mit den bis dahin ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Mehrmütterorganschaft als Organträgerin, die GmbH als Organgesellschaft angesehen. Auf dieser Grundlage wurden bei der GbR Gewerbeerträge bzw. Gewerbekapitalien ermittelt und für die Erhebungszeiträume ein einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag festgestellt. Nach der Änderung der Rechtsprechung zur Mehrmütterorganschaft stellten einerseits die AG und andererseits die Klägerin bei dem FA die Anträge, die für die Mehrmütter-GbR ergangenen Messbescheide aufzuheben und die gewerbesteuerlichen Besteuerungsgrundlagen einheitlich und gesondert festzustellen. Das FA lehnte diese Anträge ab.
Die Klagen der AG und der Klägerin blieben erfolglos; die Klage der Klägerin wurde durch Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 5. April 2005 8 K 3815/01 G,F (Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1243) als unzulässig abgewiesen. Das FG hat die Revision (nur) gegen das gegenüber der AG ergangene Urteil zugelassen (die Revision ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 55/05 anhängig).
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) vorliegt; zugleich habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor; darüber hinaus hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
1. Das FG hat die Klage nicht objektiv verfahrensfehlerhaft durch Prozessurteil abgewiesen und damit einen die Zulassung der Revision begründenden Verfahrensfehler (s. insoweit allgemein Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 80; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 88, jeweils m.w.N.) begangen. Eine Klagebefugnis der Klägerin i.S. des § 40 Abs. 2 FGO lag nicht vor, da die Klägerin nicht geltend machen kann, durch die unterbliebene Feststellung in ihren Rechten verletzt zu sein.
a) Im Senatsurteil vom 9. Juni 1999 I R 43/97 (BFHE 189, 518, BStBl II 2000, 695) zur Zurechnung der Beteiligungen bei so genannter Mehrmütterorganschaft ist ausgeführt, dass die den jeweiligen Muttergesellschaften zuzurechnenden Gewerbeerträge und Gewerbekapitalien in entsprechender Anwendung von § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) einheitlich und gesondert festzustellen sind. Letztlich sollte eine Zurechnung der Gewerbeverluste der Organgesellschaft auf die tatsächlich als Organträger in Erscheinung tretende Person --bei einer Mehrheit von Personen durch ein Verfahren wie bei einer einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften-- erfolgen. War der GbR eine lediglich koordinierende Funktion zugewiesen (Einschaltung "zum Zwecke der Sicherung eines einheitlichen Betätigungswillens"), war die Organgesellschaft unmittelbar in das Unternehmen der jeweiligen Gesellschafter der GbR eingegliedert und folglich waren die Gewerbeverluste diesen Gesellschaftern zuzurechnen. Dabei sollte durch die gesonderte und einheitliche Feststellung "die einheitliche Rechtsanwendung" sichergestellt und das Verfahren vereinfacht werden.
b) Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gilt eine Kapitalgesellschaft, die derart in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert ist, dass die Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) erfüllt sind, als Betriebsstätte des anderen Unternehmens (gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Trotz dieser Fiktion bilden die eingegliederten Kapitalgesellschaften (die Organgesellschaften) und das andere Unternehmen (der Organträger) allerdings kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768). Die Organschaft führt zwar dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaft für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (s. Senatsurteil in BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768, m.w.N.). Diese materiell-rechtliche Zurechnung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Beteiligtenstellung in einem der Steuerfestsetzung vorgelagerten Feststellungsverfahren nach § 180 AO 1977. Vielmehr ist ein Feststellungsbescheid in einer solchen Situation gegenüber der Organgesellschaft zu erlassen (ebenso zur Feststellung nach § 18 des Außensteuergesetzes schon Senatsurteil vom 29. August 1984 I R 21/80, BFHE 142, 376, BStBl II 1985, 119), und nur diese kann den Bescheid als davon unmittelbar Betroffene angreifen. Die Rechtslage ist insoweit mit derjenigen bei Vorliegen eines Treuhandverhältnisses vergleichbar, das ebenfalls nicht dazu führt, dass der Treugeber einen nicht unmittelbar an ihn gerichteten Feststellungsbescheid aus eigenem Recht anfechten kann (vgl. dazu Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO Rz. 225 ff., m.w.N.).
c) Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin unter diesen Maßgaben nicht Beteiligte des im Senatsurteil in BFHE 189, 518, BStBl II 2000, 695 angesprochenen Feststellungsverfahrens sein kann. Denn an der GbR ist die Klägerin nicht als Gesellschafterin beteiligt. Das FG hat auch zutreffend darauf verwiesen, dass die rechtsverbindliche Prüfung der steuerrechtlichen Anerkennung des Organschaftsverhältnisses zwischen der AG und der Klägerin dem jeweiligen Betriebsfinanzamt obliegt und nicht dem Finanzamt des Feststellungsverfahrens --als Vorfrage einer Beteiligtenstellung im Rahmen der von der Klägerin begehrten Feststellung und in der Folge mit einer Bindungswirkung gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ausgestattet-- überantwortet werden kann. Dies begründet den rechtserheblichen Unterschied zur (wahlrechtsverbundenen) Einbeziehung eines Dritten in eine anderweitige Feststellung auf der Grundlage des § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977, da dort die Beteiligtenstellung des mittelbar Beteiligten nicht Gegenstand der verbindlichen Feststellung ist.
2. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin mit der Formulierung der von ihr als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage ein über die Entscheidung des konkreten Einzelfalls hinausgehendes Allgemeininteresse an der Klärung der Rechtsfrage dargelegt hat (s. dazu z.B. Ruban in Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 23), handelt es sich bei Fragen zur Mehrmütterorganschaft unter Zwischenschaltung einer Willensbildungs-GbR mittlerweile um "ausgelaufenes Recht", was einer Eröffnung des Revisionsverfahrens entgegensteht (vgl. allgemein Ruban in Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 35). Soweit die Klägerin über die konkret formulierte Rechtsfrage hinausgehend geltend macht, unabhängig von der Situation einer Mehrmütterorganschaft sei die Beteiligtenstellung in ertragsteuerlichen Feststellungsverfahren bei mehrstufigen Organschaftsverhältnissen klärungsbedürftig, fehlt es schon an einer Darlegung, inwieweit eine solche Frage im konkreten Fall (der sich auf die gewerbesteuerrechtliche Organschaft im Bereich einer entsprechenden Anwendung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 bezieht) klärungsfähig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1692583 |
BFH/NV 2007, 729 |