Finanzielle Eingliederung bei unterjähriger Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft
Erlischt der Gewinnabführungsvertrag vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit durch sogenannte Konfusion (hier: Verschmelzung der Organgesellschaft mit dem Organträger), ist dies ein „wichtiger Grund“, so dass die Nichteinhaltung der Mindestvertragslaufzeit die steuerrechtliche Anerkennung nicht hindert.
Hintergrund: Gesetzliche Regelungen
Zu diesen Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft gehört u. a., dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Darüber hinaus muss der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG). Die Beteiligung an der Organgesellschaft muss zudem ununterbrochen während der gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO des Organträgers zuzuordnen sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG).
Für die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft sieht § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG vor, dass das dem Organträger zuzurechnende Einkommen und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft gesondert und einheitlich festzustellen sind. Diese Feststellungen sind nach § 14 Abs. 5 Satz 2 KStG für die Besteuerung des Einkommens des Organträgers und der Organgesellschaft bindend.
Sachverhalt: Organschaft zwischen der B-GmbH und einer AG
Die A-GmbH, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entsprach, gründete im August 2014 u. a. die B-GmbH, deren Wirtschaftsjahr vom 1.09. bis 31.8. lief. Im Februar 2015 schloss die A‑GmbH mit der B-GmbH einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV), der im März 2015 in das Handelsregister eingetragen wurde und rückwirkend ab dem Beginn des Geschäftsjahres der B-GmbH galt. Gegenstand des Unternehmens der B-GmbH war die Vercharterung eines Seeschiffes.
Im Mai 2015 wurde die A-GmbH auf die Klägerin – eine AG – verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war nach dem Verschmelzungsvertrag der 1.1.2015. Im Juni 2017 wurde auch die B‑GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Verschmelzungsstichtag war hier der 1.9.2017.
Die B-GmbH ging in ihren Steuererklärungen für das Streitjahr 2015 bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer von einer Organschaft mit der Klägerin als Organträgerin aus. Dem entsprechend erklärte sie für die Körperschaftsteuer ein zu versteuerndes Einkommen von 0 EUR und gab die Anlage OG ab. Darüber hinaus beantragte sie die Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos.
Das Finanzamt (FA) erkannte die Organschaft nicht an und erließ gegenüber der B-GmbH entsprechende Bescheide über Körperschaftsteuer, über den Gewerbesteuermessbetrag sowie über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG. Der wegen der Nichtanerkennung der Organschaft eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Klage hatte teilweise Erfolg
Die von der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH eingereichte Klage, die sich mit Zustimmung des FA im Wege der Sprungklage auch gegen den während des Klageverfahrens vom FA erlassenen Bescheid über die Feststellung des Nichtbestehens einer Organschaft zwischen der Klägerin und der B-GmbH für den Zeitraum 1.9.2014 bis 31.8.2015 richtete und von der Klägerin insoweit sowohl als Organträgerin als auch als Rechtsnachfolgerin der Organgesellschaft (B-GmbH) eingelegt wurde, hatte dagegen teilweise Erfolg. Das FG ging seinem Urteil von dem Bestehen einer Organschaft aus und änderte den festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag auf 0 EUR. Außerdem verpflichtete es das FA, einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG zu erlassen und für das Streitjahr das der Klägerin als Organträgerin zuzurechnende Einkommen der B-GmbH sowie die Minderabführungen aus organschaftlicher Zeit festzustellen.
Entscheidung: BFH bestätigt im Wesentlichen Auffassung der Vorinstanz
Der BFH hat die auf die Revision des FA hin die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der BFH bestätigt die Auffassung des FG, dass die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG auch die Statusfrage des Bestehens oder Nichtbestehens einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nach § 14 KStG erfasst und im Streitfall die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG vorlag. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichten aber nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob im Streitjahr sämtliche Voraussetzungen einer körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Klägerin als Organträgerin und der B-GmbH als Organgesellschaft erfüllt gewesen seien.
Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Die vom FG tenorierten Feststellungen seien von dem Gesetzesbefehl des § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG erfasst. Die gesonderte Feststellung des der Klägerin als Organträgerin zuzurechnenden Einkommens sei in § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG (ausdrücklich) angeführt. Zusätzlich ordne § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG die Feststellung „damit zusammenhängende(r) andere(r) Besteuerungsgrundlagen“ an. Hiervon werde auch die vom FG geforderte Feststellung der Minderabführungen aus organschaftlicher Zeit nach § 14 Abs. 4 KStG erfasst. Auch der zwischen den Beteiligten allein streitige Status des Bestehens oder Nichtbestehens einer Organschaft sei – zumindest „incidenter“ – Gegenstand der in § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG angeordneten Feststellung der „damit“ (Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens) „zusammenhängende(n) andere(n) Besteuerungsgrundlagen“. Denn ohne das Bestehen einer Organschaft könne kein dem Organträger zuzurechnendes Einkommen festgestellt werden. Die Statusfeststellung sei als Vorbedingung für die Feststellung des zuzurechnenden Einkommens die stärkste Form „damit zusammenhängender Besteuerungsgrundlagen“.
Finanzielle Eingliederung bereits zu Beginn des Jahres
Der Senat habe bereits in der Vergangenheit zu den Auswirkungen umwandlungssteuerrechtlicher Vorgänge auf das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG erkannt und für den Fall der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 entscheidend auf die Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 abgestellt. Aus diesen Vorschriften folge, dass die übernehmende Körperschaft umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintrete (sog. Fußstapfentheorie). Dies gelte auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen. Deshalb sei es ausreichend, wenn ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger bestehe. Ob die finanzielle Eingliederung rechtlicher oder rein tatsächlicher Natur sei und ob dieses Merkmal von der umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 erfasst werde, sei in diesen Urteilen offen geblieben.
BFH hält an dieser Rechtsprechung fest
Obwohl vorliegend – abweichend zu den bereits entschiedenen Sachverhalten – der Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (1.9.2014) nicht mit dem umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtag (1.1.2015) zusammenfalle, halte der Senat an seiner (bisherigen) Rechtsprechung fest. Denn der übernehmende Rechtsträger trete hinsichtlich der finanziellen Eingliederung auch dann nach § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen werde.
Allein die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG könne zur finanziellen Eingliederung in den übernehmenden Rechtsträger (Organträger) führen. Es müssten nicht zusätzlich die Voraussetzungen einer umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen. Die Rechtsinstitute der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge und der umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung stünden gleichberechtigt nebeneinander; sie könnten den gleichen Zeitraum betreffen, müssten es aber nicht.
Zwar folge aus dem Ausnahmecharakter der Organschaft eine grundsätzlich strenge Auslegung der gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft. In Umwandlungsfällen würden diese Regelungen aber durch die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften ergänzt. Diese sähen in § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG eine umfassende umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge vor. Selbst eine grundsätzlich enge Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen könne nicht dazu führen, diese umwandlungssteuerrechtlichen Sonderregelungen zu negieren, zumal das Merkmal der finanziellen Eingliederung nicht personengebunden sei, sondern der Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft anhafte, die mit der Umwandlung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehe. Aus Sicht der Organgesellschaft ändere die Umwandlung auf der Ebene des Organträgers nichts an der „Eingliederung“ in ein anderes Unternehmen.
Durch die Verschmelzung der Organgesellschaft (B-GmbH) auf die neue Organträgerin (Klägerin) im Jahr 2017 sei während der Mindestvertragslaufzeit des EAV eine sog. Konfusion eingetreten. Dadurch sei der EAV vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG erloschen. Das FG sei aber zutreffend davon ausgegangen, dass dies in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG unschädlich gewesen sei. Die Konfusion stelle einen wichtigen Grund für die Nichteinhaltung der Mindestvertragslaufzeit dar.
Ungeachtet des Umstands, dass zwischen den Beteiligten mit Blick auf die von ihnen erörterten weiteren Voraussetzungen einer körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft kein Streit bestehe und der Senat insoweit von Ausführungen absehen könne, sei die Sache nicht spruchreif, da das FG keine tatsächlichen Feststellungen zur Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers getroffen habe (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG). Daher sei die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Hinweis: BFH folgt abweichender Auffassung der Verwaltung nicht
Für die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die Voraussetzungen einer Organschaft vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft erfüllt seien, wenn dem übernehmenden Rechtsträger z. B. nach §§ 2, 20 Abs. 5 und 6 oder § 24 Abs. 4 UmwStG auch die Beteiligung an der Organgesellschaft steuerlich rückwirkend zum Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft zuzurechnen sei (vgl. BMF, Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, S. 1314, Rz Org.02 Satz 2 und 02.03), seien nach Auffassung des BFH im Wortlaut des § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG und im Zweck dieser Regelungen keine Anhaltspunkte erkennbar.
BFH, Urteil v. 11.7.2023, I R 36/20; veröffentlicht am 23.11.2023
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