Finanzielle Eingliederung bei unterjährigem qualifizierten Anteilstausch
Die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge in die finanzielle Eingliederung setzt nicht voraus, dass beim übertragenden Rechtsträger sämtliche Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft erfüllt waren.
Hintergrund: Gesetzliche Regelungen
Zu diesen Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft gehört u. a., dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG).
Darüber hinaus muss der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG).
Sachverhalt: Unterjähriger qualifizierter Anteilstausch
Die Klägerin, eine im Jahr 2008 gegründete GmbH, war zunächst zu jeweils 30 % an der D‑KG als Kommanditistin und an deren Komplementär-GmbH als Gesellschafterin beteiligt. Alleingesellschafter der Klägerin war C, der auch die übrigen 70 % an der D‑KG und deren Komplementär-GmbH als Kommanditist beziehungsweise Gesellschafter hielt.
Mit Vertrag aus dem Januar 2010 brachte C seine Kommanditbeteiligung an der D KG und seine Anteile an der Komplementär-GmbH rückwirkend zum 1.1.2010 (00:00 Uhr) zu Buchwerten in die Klägerin ein.
Ebenfalls im Januar 2010 gründete er als Alleingesellschafter die B GmbH und erbrachte die Stammeinlage durch Einbringung seiner Beteiligung an der Klägerin mit wirtschaftlicher Wirkung zum 15.1.2010. Darüber hinaus schloss die B GmbH im Januar 2010 mit der Klägerin einen „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“ (EAV), der im Februar 2010 in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Verpflichtung zur Gewinnabführung galt erstmals für den gesamten Gewinn des Geschäftsjahres, in dem der EAV wirksam wurde. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin entsprach im Streitjahr dem Kalenderjahr.
Das Finanzamt (FA) erkannte die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft für das Streitjahr nicht an. Da die B GmbH erst im Streitjahr gegründet worden sei und das Gesetz für den Fall des Anteilstauschs keine Möglichkeit einer steuerlichen Rückwirkung regele, fehle zum Beginn des Streitjahres der Organgesellschaft (Klägerin) die finanzielle Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG). In der Folge qualifizierte das FA die Gewinnabführung der Klägerin als Gewinnausschüttung an die B GmbH. Ein Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
FG gibt Klage statt
Das FG gab der Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid mit der Begründung statt, dass die Klägerin aufgrund der vom BFH angewendeten sog. Fußstapfentheorie nach § 12 Abs. 3 i. V. m. § 23 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG umfassend in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers eingetreten sei. In der Folge werde in der Zeit vom 1.1.2010 bis zum 14.1.2010 die finanzielle Eingliederung zwischen der Klägerin und C (auch) der B GmbH als Rechtsnachfolgerin des C zugerechnet. Dass § 21 UmwStG für den Fall eines reinen Anteilstauschs nicht auf die Regelungen zur umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG verweise, sei unerheblich.
Entscheidung: BFH weist Revision des FA zurück
Der BFH hat entschieden, dass das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass zwischen der B GmbH als Organträgerin und der Klägerin als Organgesellschaft für das Streitjahr eine wirksame Organschaft i. S. v. § 14 KStG bestanden habe. Insbesondere sei die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) schon vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Klägerin (1.1.2010) an erfüllt.
Der Senat habe bereits in der Vergangenheit zu den Auswirkungen umwandlungssteuerrechtlicher Vorgänge auf das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG erkannt und für den Fall der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 entscheidend auf die Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 abgestellt.
Aus diesen Vorschriften folge, dass die übernehmende Körperschaft umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintrete (sog. Fußstapfentheorie). Dies gelte auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen. Deshalb sei es ausreichend, wenn ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger bestehe. Ob die finanzielle Eingliederung rechtlicher oder rein tatsächlicher Natur sei und ob dieses Merkmal von der umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 erfasst werde, sei in diesen Urteilen offen geblieben.
BFH hält an dieser Rechtsprechung fest
Obwohl vorliegend – abweichend zu den bereits entschiedenen Sachverhalten – der Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (1.1.2010) nicht mit dem umwandlungssteuerlichen Übertragungsstichtag (15.1.2010) zusammenfalle und ein Fall des Anteilstauschs nach § 21 UmwStG vorliege, bei dem wegen des fehlenden Verweises auf § 20 Abs. 5 und 6 UmwStG in § 21 Abs. 2 Satz 6 UmwStG eine umwandlungssteuerliche Rückwirkung auch nicht möglich gewesen wäre, halte der Senat an seiner (bisherigen) Rechtsprechung fest.
Denn der übernehmende Rechtsträger trete hinsichtlich der finanziellen Eingliederung auch dann nach § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen werde oder werden könne. Dies gelte durch den Verweis in § 23 Abs. 1 UmwStG auf § 12 Abs. 3 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG auch in der Konstellation des Streitfalls.
Allein die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG könne zur finanziellen Eingliederung in den übernehmenden Rechtsträger (Organträger) führen. Es müssten nicht zusätzlich die Voraussetzungen einer umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen. Die Rechtsinstitute der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge und der umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung stünden gleichberechtigt nebeneinander; sie könnten den gleichen Zeitraum betreffen, müssten es aber nicht.
Die Regelungen über die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge würden nach § 23 Abs. 1 UmwStG auch für die Fälle des Anteilstauschs (§ 21 UmwStG) gelten, wenn – wie im Streitfall – ein qualifizierter Anteilstausch i. S. d. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG vorliege und die übernehmende Gesellschaft (B GmbH) einen Antrag gestellt habe, die Anteile mit einem unter dem gemeinen Wert liegenden Wert anzusetzen.
Zwar folge aus dem Ausnahmecharakter der Organschaft eine grundsätzlich strenge Auslegung der gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft. In Umwandlungsfällen würden diese Regelungen aber durch die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften ergänzt. Diese sähen in § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG eine umfassende umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge vor, die durch den Verweis in § 23 Abs. 1 UmwStG auch für den Streitfall gelten würden.
Selbst eine grundsätzlich enge Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen könne nicht dazu führen, diese umwandlungssteuerrechtlichen Sonderregelungen zu negieren, zumal das Merkmal der finanziellen Eingliederung nicht personengebunden sei, sondern der Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft anhafte, die mit der Umwandlung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehe. Aus Sicht der Organgesellschaft ändere die Umwandlung auf der Ebene des Organträgers nichts an der „Eingliederung“ in ein anderes Unternehmen.
Dabei sei der Umstand, dass die B GmbH zum 1.1.2010 noch nicht rechtlich existierte, für das Konzept der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG unerheblich. Maßgebend sei allein die Stellung des übertragenden Rechtsträgers, in die der übernehmende Rechtsträger zum Zeitpunkt der Rechtsnachfolge eintrete.
Einwand des FA zum tauglichen Organträger verfängt nicht
Der (weitere) Einwand des FA, eine umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge helfe im Streitfall schon deshalb nicht weiter, weil C eine Privatperson und mangels gewerblicher Tätigkeit kein tauglicher Organträger sei, berücksichtige das Senatsurteil vom 24.7.2013, I R 40/12, BStBl II 2014 S. 272 nicht ausreichend. Danach müsse die gewerbliche Tätigkeit des Organträgers nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen. In der Folge sei es nicht erforderlich, der B GmbH zusätzlich zur finanziellen Eingliederung auch eine gewerbliche Tätigkeit des übertragenden Rechtsträgers zuzurechnen.
Hinweis: BFH folgt abweichender Auffassung der Verwaltung nicht
Für die Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die Voraussetzungen einer Organschaft vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft erfüllt seien, wenn dem übernehmenden Rechtsträger z. B. nach §§ 2, 20 Abs. 5 und 6 oder § 24 Abs. 4 UmwStG auch die Beteiligung an der Organgesellschaft steuerlich rückwirkend zum Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft zuzurechnen sei (vgl. BMF, Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, S. 1314, Rz Org.02 Satz 2 und 02.03), seien nach Auffassung des BFH im Wortlaut des § 12 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG und im Zweck dieser Regelungen keine Anhaltspunkte erkennbar.
BFH, Urteil v. 11.7.2023, I R 40/20; veröffentlicht am 23.11.2023
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