Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von Wandeldarlehen
Leitsatz (NV)
Bei summarischer Prüfung bestehen Zweifel an der Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG auf Einnahmen an der Veräußerung von Wandeldarlehen.
Normenkette
FGO §§ 69, 128 Abs. 3; EStG § 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 7, Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 4, § 52 Abs. 37b; AktG §§ 192, 221
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurden für die Streitjahre 2000 und 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. 1998 war der Antragsteller Geschäftsführer und Komplementär der I-KG (KG), die Antragstellerin deren Leiterin der Produktionsentwicklung und Kommanditistin. Im Mai 1998 vereinbarte die E-AG (AG) mit der KG, dass sie im September 1998 --nach Umwandlung der KG in eine GmbH-- die Mehrheit der Geschäftsanteile an der GmbH übernehmen werde (von der AG entrichteter Kaufpreis: 2,7 Mio. DM). Ab 1. August 1998 waren die Antragsteller Angestellte der mit Beschluss vom 27. August 1998 rückwirkend auf den 1. Januar 1998 umgewandelten GmbH.
Zuvor hatte die Hauptversammlung der AG am 17. September 1997 beschlossen, den Vorstand zu ermächtigen, bis zum 28. Oktober 1997 mit 2 v.H. verzinsliche, auf den Inhaber lautende Wandelschuldverschreibungen im Gesamtnennbetrag von bis zu 750 000 DM zu begeben und diese dem Vorstand und Aufsichtsrat sowie den Arbeitnehmern der AG und den Arbeitnehmern der mit der AG verbundenen Unternehmen anzubieten. Der entsprechende Vorstandsbeschluss datiert vom 10. Oktober 1997. Die AG gab jedoch keine Wandelschuldverschreibungen aus, sondern schloss an deren Stelle Wandeldarlehensverträge.
Am 27. Mai 1998 schlossen die Antragsteller mit der AG zwei inhaltsgleiche Darlehensverträge, wonach sie der AG jeweils ein mit einem Wandlungsrecht ausgestattetes Darlehen in Höhe von 15 000 DM gewährten. Die Darlehen waren mit jährlich 2 v.H. zu verzinsen und spätestens am 13. Mai 2008 bzw. --entsprechend einer später erstellten und auf den 13. Mai 2008 rückdatierten Fassung der Verträge-- spätestens am 28. Oktober 2007 in Höhe des Nennbetrags zurückzuzahlen, falls die Antragsteller nicht vorher von ihrem Wandlungsrecht Gebrauch gemacht haben sollten. Gemäß § 5 der Darlehensverträge waren die Antragsteller berechtigt, von dem gewährten Darlehen je 5 DM Darlehensteilbetrag in eine Aktie der AG im Nennbetrag von gleichfalls 5 DM zu wandeln. Im Fall der Ausübung des Wandlungsrechts war außerdem eine Barzuzahlung in Höhe des Wandlungspreises zu leisten, verringert um den Nennbetrag des umzutauschenden Darlehens. Das Wandlungsrecht konnte erstmals am 13. Mai 2000 für maximal 50 v.H. der zu beziehenden Aktien und für die weiteren 50 v.H. frühestens am 13. März 2002 ausgeübt werden (§ 6 der Darlehensverträge). Die Antragsteller durften die Rechte aus dem Darlehensvertrag nur ausnahmsweise in Absprache mit der AG zu Sicherungszwecken abtreten (§ 4 der Darlehensverträge). Nach der Ausgabe von Berichtigungsaktien 1998 und eines Aktiensplits im Verhältnis 1:25 konnten die Antragsteller ihre Darlehen in jeweils insgesamt 150 000 Aktien wandeln.
Nach einer Vervielfältigung des Kurswerts der Aktien der AG verkauften die Antragsteller am 23. Mai 2000 jeweils einen Teilbetrag des Wandeldarlehens in Höhe von 7 500 DM mit allen Rechten mit Zustimmung der AG an eine Bank. Hieraus erzielten die Antragsteller nach Abzug der Barzuzahlung nach § 5 der Darlehensverträge Erlöse in Höhe von jeweils 9 251 858 DM (4 730 400 €).
Mit Ergänzungsvereinbarung vom 17. Januar 2001 wurde den Antragstellern gestattet, ihre Rechte aus dem Darlehen jederzeit abzutreten.
Am 13. Juni 2001 wurden aufgrund eines Beschlusses des Vorstands der AG vom 2. Juni 2001 die Wandeldarlehensverträge mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Als Gegenleistung hierfür verpflichtete sich die AG zur Zahlung von insgesamt 150 000 DM an die Antragsteller. Die Zahlung erfolgte am 2. Juli 2001.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung bei den Antragstellern davon aus, dass es sich bei den Wandeldarlehen um sog. Umtauschanleihen handle und der Gewinn aus dem Veräußerungs- bzw. Abtretungsgeschäft vom 23. Mai 2000 gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu besteuern sei (Gewinn 9 244 358 DM = 4 730 400 €). Die aus dem Aufhebungsvertrag resultierende Zahlung in 2001 zähle zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Veräußerungserlös 135 000 DM). Entsprechend wurde die Einkommensteuer für die Streitjahre festgesetzt. Wegen eines Verlustrücktrags aus 2002 änderte der Antragsgegner die Einkommensteuerfestsetzung 2001 mit Bescheid vom 15. September 2004 zugunsten der Antragsteller. Im Hinblick auf die angesetzten Einkünfte aus Kapitalvermögen aus den Wandlungsdarlehen wurden von den einbehaltenen und anrechenbaren Steuern 25 525,74 € nicht erstattet.
Das Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Antragsteller haben Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide beantragt, welche das FA mit Schreiben vom 2. September 2004 abgelehnt hat. Auch das Finanzgericht (FG) hat den Antrag auf Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung unter Berufung auf den Beschluss des FG Schleswig-Holstein vom 5. April 2005 5 V 285/04 zurückgewiesen.
Mit ihrer Beschwerde machen die Antragsteller geltend, dass es sich im Streitfall um ein --rechtlich bis auf die Verbriefung mit einer Wandelanleihe identisches-- Wandeldarlehen auf Aktien an der AG aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung auf der Grundlage von §§ 221, 192 des Aktiengesetzes --AktG-- (Schaffung eines bedingten Kapitals zur Bedienung der Umtauschrechte im Fall ihrer Ausübung) handele. Die Begebung des Wandeldarlehens und die spätere Lieferung der Aktien stellten einen einheitlichen Rechtsvorgang dar. Angesichts der wirtschaftlichen Identität von Wandeldarlehen und Aktie liege kein gewinnrealisierender Tausch und keine Anschaffung der Aktien vor. Es fehle am Zufluss einer Einnahme. Die Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG stelle im Übrigen eine unzulässige echte Rückwirkung dar.
Im Übrigen bedeute die Vollziehung für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte. Die erzielten Wandlungsgewinne seien im Wesentlichen für den Aufbau des Unternehmens der AG und den erfolglosen Versuch verwendet worden, diese zu retten und die Insolvenzantragstellung abzuwenden. Verblieben seien bei den Antragstellern ein Wohnhaus in Österreich (Verkehrswert geschätzt 1 000 000 €, dinglich gesicherte Belastungen 1 226 000 €) sowie ein unbebautes Gewerbegrundstück (Verkehrswert geschätzt 80 000 €). Die Antragsteller hätten aus der Umwandlung der KG in die GmbH unter mehrheitlicher Beteiligung der AG einen Kaufpreis vom 2,7 Mio. DM erzielt, der als Kapitalerhöhung ganz im Unternehmen verblieben sei. 2000 sei bei der GmbH aus dem Erwerb von Lizenzen ein Verlust von ca. 4,4 Mio. DM entstanden. Die GmbH sei in eine T-AG umgewandelt worden. Die Antragsteller hätten eine Kapitalerhöhung von 3 250 000 DM geleistet, finanziert durch persönliche Darlehen.
Der Zusammenbruch des neuen Marktes sowie diverse weitere für die T-AG verlustbringende Entscheidungen des Mehrheitsgesellschafters hätten 2000 zu einem Verlust von 9,2 Mill. DM geführt. 2001 hätten die Antragsteller alle Anteile an der T-AG zurückerworben und insgesamt 7 000 000 DM als Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt aus ihrem Privatvermögen in die Gesellschaft eingebracht. Gleichwohl sei es 2002 zur Insolvenz der T-AG gekommen.
Nach dem Zusammenbruch der T-AG sei es den nunmehr 52 bzw. 47 Jahre alten Antragstellern bislang nicht gelungen, ein angemessenes Erwerbseinkommen zu erzielen. Ihr derzeitiges Erwerbseinkommen liege jeweils bei 820 € netto. Die Zahlung der festgesetzten Steuern aus dem Vermögen der Antragsteller sei nicht möglich. Es bestünden keine Kreditaufnahmemöglichkeiten. Die Durchsetzung der Steueransprüche würde nicht nur zum Verlust des den Antragstellern verbliebenen Vermögens führen. Es würde sich unausweichlich der Anschluss einer Privatinsolvenz ergeben müssen. Hinsichtlich der Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt.
Unter dem 17. Juni 2005 hat das FA hinsichtlich eines Betrages von 6 018 446,02 € die Vollstreckung angekündigt, sofern der Betrag nicht bis zum 4. Juli 2005 beglichen sei. Außerdem erging am 21. Dezember 2004 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA hinsichtlich eines Betrags von 301 535,60 €. Nach Auskunft des FA wurden von den Antragstellern bislang keine Gelder eingezogen. Hinsichtlich des bislang unbelasteten und von Vollstreckungshandlungen nicht betroffenen Gewerbegrundstücks der Antragsteller haben sich diese gegenüber dem FA bereit erklärt, eine Eigentümergrundschuld einzutragen, die an das Land abgetreten werde, um ggf. einen möglichst hohen Preis für den Verkauf der Immobilie zu erzielen und so Steuerforderungen begleichen zu können.
Die Antragsteller beantragen,
1. die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 8. Juli 2004 unter Aufhebung der Entscheidung des FG vom 23. Mai 2005 bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren in Höhe von 4 835 050,08 € Einkommensteuer, 652 731 € Zinsen zur Einkommensteuer und 265 927,13 € Solidaritätszuschlag ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, sowie
2. die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 8. Juli 2004 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. September 2004 unter Aufhebung der Entscheidung des FG vom 23. Mai 2005 bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren in Höhe von 25 525,74 € Einkommensteuer, 637 € Zinsen zur Einkommensteuer und 1 150,60 € Solidaritätszuschlag ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Den Antragstellern ist Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung zu gewähren (§ 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts soll auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 und 3 FGO). Eine unbillige Härte i.S. von § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative FGO setzt voraus, dass dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder schwer wieder gutzumachen wären, oder dass seine wirtschaftliche Existenz durch die Zahlung gefährdet würde (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. August 1987 V B 57/86, BFH/NV 1988, 174, unter I.2.a der Gründe, m.w.N.).
Die Antragsteller haben vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Vollziehung der angefochtenen Bescheide eine unbillige Härte zur Folge hätte. Sie haben insoweit ihre wirtschaftliche Lage im Einzelnen dargelegt (BFH-Beschluss vom 21. Oktober 1993 IV S 4/93, BFH/NV 1994, 788). Durch die Vollziehung der angefochtenen Bescheide würde die wirtschaftliche Existenz der Antragsteller gefährdet, da sie die streitbefangenen Erträge erfolglos in den erhofften Fortbestand ihres Unternehmens (T-AG) investiert haben und derzeit über kein das Existenzminimum übersteigendes Einkommen verfügen. Sie haben glaubhaft gemacht, dass eine positivere Einkommensentwicklung in naher Zukunft nicht absehbar ist.
2. Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte kommt jedoch nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht nahezu ausgeschlossen sind (BFH-Beschluss in BFH/NV 1988, 174, unter I.2.b der Gründe).
Im Rahmen der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen Zweifel an der Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG auf die streitigen Einnahmen aus der Veräußerung der Wandeldarlehen.
a) Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c Alternative 2 EStG zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag; bei Kapitalforderungen in einer ausländischen Währung ist der Unterschied in dieser Währung zu ermitteln. Dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend für die Einlösung bei Endfälligkeit. Diese durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StÄndG) 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) eingeführte Fassung von § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist gemäß § 52 Abs. 37 b EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Sie kommt auch im Streitfall zur Anwendung.
b) Der Senat hat jedoch ernstliche Bedenken, ob die streitigen Wandeldarlehen mit Aktienoptionsrecht die Voraussetzung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG erfüllen. Zwar handelt es sich bei der Darlehensforderung um eine Kapitalforderung. Deren Zinsertrag ist jedoch fest bestimmt und insoweit nicht ungewiss. Hingegen ergibt sich nicht zwingend, dass ein ungewisser Ertrag aus dem zur Darlehensforderung hinzutretenden Optionsrecht auf den Aktienerwerb folgt.
Vielmehr spricht bei wirtschaftlicher Betrachtung viel dafür, dass die streitige Veräußerung vom 23. Mai 2000 der nicht steuerbaren Vermögenssphäre der Antragsteller zuzuordnen ist. In dem Entgelt für die Veräußerung ist wirtschaftlich der potentiell aus der Wahrnehmung des Wandlungsrechts zu erzielende Erlös vorweggenommen. Es bestehen Zweifel daran, ob dieser sog. Wandlungsgewinn als Entgelt für die Kapitalüberlassung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu beurteilen ist.
Das vereinbarte Darlehen besteht aus einem festverzinslichen Darlehen verbunden mit einer Kaufoption (Wandlungsrecht). Nutzungsentgelt ist der fest vereinbarte Zins von 2 v.H. Ob auch das Recht auf Erwerb von Aktien als Entgelt für die Überlassung des Darlehensbetrags einzuordnen ist, erscheint dem Senat zweifelhaft. Denn in den Fällen, in denen einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ein Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien seines Arbeitgebers zu einem verbilligten Übernahmepreis eingeräumt wird (vgl. dazu Urteile des BFH vom 23. Juni 2005 VI R 124/99, BFHE 209, 549, BStBl II 2005, 766; vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, und vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689; FG München, Urteil vom 11. Dezember 2002 1 K 1882/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 616), ergibt sich die Steuerbarkeit aus der Zuordnung zum steuerpflichtigen Arbeitslohn i.S. von § 19 EStG. Nicht aber ist die Einräumung des Optionsrechts veranlasst durch die Kapitalüberlassung, auch wenn diese zu einem sehr niedrigen Zinssatz, etwa 2 v.H. wie im Streitfall, erfolgt. Ähnlich liegt die Situation hier. Auch hier ist bei summarischer Beurteilung davon auszugehen, dass die Einräumung der Kaufoption nicht als Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung erfolgt ist, sondern im Hinblick auf die Verbundenheit der Antragsteller zum Unternehmen.
c) Bei summarischer Prüfung bestehen gegen eine Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG auf die streitigen Veräußerungsentgelte auch gleichheitsrechtliche Bedenken (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--). Die fehlende Unterscheidung zwischen Vermögens- und Ertragsebene im Rahmen von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG bedeutet eine Systemabweichung, die der Rechtfertigung aus der besonderen wirtschaftlichen Struktur der erfassenden Finanzinnovationen bedarf. Dies bestimmt auch die Grenzen der tatbestandlich erfassten Anlageformen.
Die Abschöpfung auch von Kursdifferenzen bedeutet eine Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG, soweit auch Wertveränderungen ohne den Charakter eines Nutzungsentgelts als Kapitalertrag gelten (Senatsurteil vom 24. Oktober 2000 VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, unter 3.a).
Finanzinnovationen stellen eine Anlageform dar, über die typischerweise für eine Überlassung von Kapital auf Zeit ein möglichst hohes Entgelt im wirtschaftlichen Sinne erzielt werden soll. Diese Überlassung geschieht --entsprechend der grundsätzlichen Systematik von § 20 Abs. 2 EStG-- im Wege einer Anschaffung und Veräußerung. Der Anleger stellt dem Emittenten in Gestalt des Entgelts für den Erwerb Kapital zur Verfügung und erhält dieses Kapital jedenfalls bei Endfälligkeit zurück, wobei das wirtschaftliche Entgelt für die Nutzungsüberlassung typischerweise --ggf. unterschiedlichen Ausmaßes-- von einem ungewissen Ereignis abhängt. Konstruktiver Bestandteil einer solchen Finanzinnovation ist die Einbindung von Kursgewinnen. Dabei besteht die Besonderheit gerade derartiger Gestaltungen darin, dass der Kursgewinn im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung der Parteien untrennbar mit einem Nutzungsentgelt für die Kapitalüberlassung im weitesten Sinne verwoben ist. Insoweit unterscheiden sich die steuerbaren Kursgewinne von dem allgemeinen Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen der Kapitalanlage als solcher, die typischerweise in einem Veräußerungsgeschäft manifest werden.
Dabei steht die wirtschaftliche Intention der Finanzinnovation gerade einer rechnerischen Differenzierung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn entgegen. Entsprechend bedeutet eine solche Differenzierung, wollte man sie gleichwohl durchführen, im Verwaltungsvollzug einen erheblichen Aufwand, zumal das Spektrum möglicher Finanzinnovationen eine Fülle unterschiedlich enger Verkoppelungen von ausgrenzbarem Nutzungsentgelt und Kursgewinn birgt. Im Hinblick darauf liegt es bei summarischer Prüfung im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit hinsichtlich solcher wirtschaftlicher Fallgestaltungen, bei denen eine Differenzierung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn typischerweise besonders große Schwierigkeiten bereitet, den Kursgewinn als Nutzungsentgelt zu erfassen. Insoweit kann der Kursgewinn bei wirtschaftlicher Betrachtung ggf. als verdeckter Zinsertrag qualifiziert werden (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2001 VIII R 22/99, BFH/NV 2001, 1555, unter 1.b bb).
Im Streitfall bestehen bei der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel, die streitige Verbindung eines festverzinslichen Darlehens mit einer Kaufoption als Finanzinnovation im dargelegten Sinne einzuordnen. Denn das Entgelt für die Nutzung des Kapitals ist im Streitfall nicht modellhaft mit einem etwaigen Kursgewinn aus dem überlassenen Kapital verwoben.
Inwieweit die Erfassung des Streitfalls durch § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 ggf. eine unzulässige gesetzliche Rückwirkung bedeutet, kann dahinstehen.
d) Bei summarischer Prüfung ist auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht einschlägig, da die Ausübung der Kaufoption nicht zu einer Vermögensminderung bei der GmbH geführt hätte.
e) Da Zweifel an der Zuordnung der mit den streitigen Wandeldarlehen verbundenen Erwerbsoption zu den Finanzinnovationen i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG bestehen, ist bei summarischer Prüfung auch nicht von der Steuerbarkeit des Entgelts für die Aufgabe dieses Optionsrechts im Rahmen der Aufhebungsvereinbarung vom 13. Juni 2001 gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG auszugehen. Denn auch insoweit kommt es maßgeblich darauf an, dass das fragliche Entgelt für die Überlassung von Kapital geleistet wird (vgl. etwa Hamacher in Korn, § 20 EStG Rz. 175, 178). § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG knüpft explizit an Abs. 1 und 2 an (vgl. Geurts in Bordewin/Brandt, § 20 EStG Rz. 146, m.w.N.).
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG stellt klar, dass zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen alle Vermögensmehrungen gehören, die unabhängig vom jeweiligen Rechtsgrund bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für Kapitalnutzung sind (vgl. Geurts in Bordewin/Brandt, a.a.O., § 20 Rz. 400, m.w.N.), begründet aber keine Steuerpflicht für im Übrigen nicht steuerbare Veräußerungsvorgänge.
3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sind auch nicht im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass die Erfassung der Gewinne aus der Abtretung bzw. Veräußerung der Wandeldarlehen unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung eines geldwerten Vorteils (Einkünfte i.S. von § 19 EStG) gerechtfertigt sein könnten. Denn bei summarischer Betrachtung ist nicht davon auszugehen, dass die Einräumung der Kaufoption bzw. das Recht auf Aktienerwerb im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft der Antragsteller gegenüber der KG bzw. der GmbH zu bewerten ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726, 728, m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung zählen zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Das setzt u.a. voraus, dass die Vorteile durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind, d.h. der Vorteil muss mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt werden und die Leistung muss sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 209, 549, BStBl II 2005, 766, und vom 23. Juni 2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770, jeweils m.w.N.). Zudem führen Leistungen durch einen Dritten (hier: die AG) nur dann zu Arbeitslohn, wenn der Arbeitnehmer den jeweiligen Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachten kann (BFH-Urteil vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707, unter 1. der Gründe; Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Aufl., § 19 Rz. 37, m.w.N.).
Im Streitfall ist bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung nicht davon auszugehen, dass die Einräumung der Kaufoption im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis der Antragsteller erfolgt ist. Zwar könnten die Darlehen (theoretisch) Einnahmen im Hinblick auf das künftige Dienstverhältnis der Antragsteller mit der GmbH darstellen (§ 2 Der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung). Angesichts der Tatsache, dass die Antragsteller im Zeitpunkt des Abschlusses der Darlehensverträge aber Gesellschafter der KG waren, auch wenn deren Umwandlung in die GmbH bereits in Aussicht genommen war, ist bei summarischer Gesamtwürdigung der Umstände jedoch davon auszugehen, dass die Einräumung der Kaufoption ihren Grund allein in der Verbundenheit der Antragsteller mit dem Unternehmen hatte. Dass die Vorteile aus der Gewährung der Wandeldarlehen in der Einkommensteuererklärung 1998 der Antragsteller bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfasst wurden, steht dem nicht entgegen, denn daraus folgt nicht die Richtigkeit dieser Zuordnung.
4. Der Aufhebung der Vollziehung bedarf es insoweit, als im geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 vom 15. September 2004 einbehaltene bzw. vorausbezahlte und anrechenbare Steuern nicht zurückerstattet wurden. Sind an Stelle der festgesetzten 30 344,15 € im Hinblick auf die dargelegten ernstlichen Zweifel an der Besteuerung der streitigen Kapitalerträge nur 4 818,41 € vollziehbar, so sind von den einbehaltenen und anrechenbaren Steuern weitere 25 525,74 € zu erstatten.
5. Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung ist abzusehen. Durch eine solche sollen etwaige Steuerausfälle bei einem für die Antragsteller ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403, unter II.1.b aa und ee, m.w.N.). Bei summarischer Prüfung erscheint eine Vollstreckung bei den Antragstellern nicht aussichtsreich. Damit wird der Steueranspruch auch nicht durch die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung gefährdet.
Fundstellen
Haufe-Index 1496293 |
BFH/NV 2006, 1081 |
NWB 2006, 1280 |
NWB 2006, 9 |
NWB direkt 2006, 5 |