Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe für Beschwerdeverfahren - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn Beschwerde von einem nicht postulationsfähigen Steuerpflichtigen erhoben wurde
Leitsatz (NV)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist kann ein Beteiligter, der nicht über ausreichende Mittel verfügt, nur dann beanspruchen, wenn er spätestens am letzten Tag der Rechtsmittelfrist derart um PKH nachgesucht hat, daß er mit deren Bewilligung rechnen konnte. Dies setzt grundsätzlich voraus, daß er seinem Antrag die nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderlichen Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beigefügt hat.
Normenkette
FGO §§ 56, 129, 142; ZPO §§ 114, 117; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller wurde durch Beschlüsse des Finanzgerichts (FG) zu den Klageverfahren seiner Ehefrau betreffend die Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1986 beigeladen.
Gegen diese Beschlüsse erhob der Antragsteller persönlich Beschwerde. Unter Vorlage eines nur unvollständig ausgefüllten Erklärungsvordrucks (vgl. § 117 Abs. 2 und 4 der Zivilprozeßordnung - FPO - i. V m. § 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) beantragte er gleichzeitig, ihm für die Durchführung der Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Auf das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 12. April 1989, mit dem auf die Bestimmung des § 117 ZPO sowie auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) hingewiesen wurde, hat der Antragsteller geltend gemacht, daß er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben habe und er vor Ablauf der Rechtsmittelfrist auf die einschlägigen Verfahrensvorschriften hätte hingewiesen werden müssen. Außerdem reichte er Kopien der Mitteilungen der Oberfinanzdirektion (OFD) . . . betreffend die Versorgungsbezüge 1986 und 1989 ein.
Entscheidungsgründe
Die Anträge auf PKH sind zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Zulässigkeit der Anträge steht nicht entgegen, daß der Antragsteller sich nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer hat vertreten lassen. Nach § 78 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 155 FGO entfällt der Vertretungszwang für alle Prozeßhandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, also auch für den Antrag auf PKH (§ 117 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO i. V. m. § 142 FGO). Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) hat hinsichtlich dieses Antrags hieran nichts geändert (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1976 V S 2/76, BFHE 118, 300, BStBl II 1976, 386).
2. Die Anträge sind jedoch abzulehnen, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO ist einem Beteiligten, der außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, PKH zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Gesuch sind nach § 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen.
Da die vom Antragsteller innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist (§ 129 FGO) persönlich erhobenen Beschwerden (§ 60 Abs. 4 i. V. m. § 128 FGO; vgl. Beschluß des BFH vom 14. Januar 1987 II B 108/86, BFHE 148, 444, BStBl II 1987, 268) unzulässig sind (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG), kann die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, daß ihm nach Bewilligung der PKH für die Durchführung der Beschwerdeverfahren durch einen dazu befugten Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) gewährt wird. Im Streitfall kommt eine Wiedereinsetzung aber nicht in Betracht.
Ein Beteiligter, der nicht über ausreichende Mittel zur Übernahme der Kosten einer Prozeßführung verfügt, hat zwar grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist, wenn er sein PKH-Gesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hat und über dieses Gesuch erst nach Ablauf dieser Frist entschieden wird (Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. Juli 1981 VII ZR 127/81, Versicherungsrecht - VersR - 1981, 884). Dies gilt jedoch nur, wenn der Beteiligte alles in seinen Kräften Stehende getan hat, um das der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels entgegenstehende Hindernis zu beheben (BFH-Beschluß vom 22. November 1977 VII S 5-6, 9 /77, BFHE 123, 436, BStBl II 1978, 72). Soweit er fehlende eigene Mittel durch PKH ersetzen will, gehört dazu, daß er spätestens am letzten Tag der Rechtsmittelfrist in solcher Weise um die Bewilligung der PKH nachsucht, daß er - von seinem Standpunkt aus gesehen - damit rechnen kann, ihm werde PKH bewilligt werden. Dies erfordert grundsätzlich, daß er seinem Antrag die nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderlichen Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beigefügt hat (vgl. BGH-Beschluß in VersR 1981, 884; Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 13. April 1981 11 BA 46/81, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1981, 1052; BFH-Beschluß vom 1. September 1982 I S 4/82, BFHE 136, 354, BStBl II 1982, 737).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn abgesehen davon, daß der Erklärungsvordruck nur unvollständig ausgefüllt wurde (keine Angaben bezüglich Bruttoeinkünften und etwaigen Abzugsbeträgen, keine sachliche und zahlenmäßige Substantiierung der Angaben über das Vermögen und die Verbindlichkeiten) und die Eintragungen aus sich heraus nicht verständlich sind, da den angegebenen Nettoeinkünften in Höhe von monatlich insgesamt 1 250 DM Unterhaltsleistungen an die beiden Töchter des Antragstellers in Höhe von monatlich 1 350 DM gegenüberstehen sollen, kann sich der Senat bereits deshalb keine ausreichende Gewißheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers verschaffen, weil dieser innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Belege einreichte.
Die Vorlage einer Erklärung i. S. von § 117 Abs. 2 und 4 ZPO und der entsprechenden Belege war auch nicht deshalb entbehrlich, weil auf die Einreichung dieser Unterlagen verzichtet werden kann, wenn der Beteiligte unter Bezugnahme auf eine frühere Erklärung versichert, daß sich die Verhältnisse nicht geändert haben (vgl. Beschluß des BGH vom 13. November 1985 IV ZB 76/85, VersR 1986, 342; Beschlüsse des BFH vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62; vom 2. Dezember 1987 II S 7/87, BFH / NV 1989, 191). Denn der Antragsteller hat eine solche Erklärung nicht abgegeben.
Schließlich scheidet auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen Versäumung der Frist zur Einreichung der Erklärung sowie der erforderlichen Belege über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus. Abgesehen davon, daß das Verschulden an einer solchen Fristversäumnis nicht ausgeschlossen wird, wenn eine Belehrung darüber unterbleibt, daß die Erklärung i. S. von § 117 Abs. 2 und 4 ZPO sowie die entsprechenden Belege innerhalb der Rechtsmittelfrist einzureichen sind (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. Juni 1983 1 BvR 277 /83, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 33, Beschluß des BFH vom 30. Juli 1985 VII S 4-5/85, BFH / NV 1985, 47), hat der Antragsteller auch auf das Hinweisschreiben des Senatsvorsitzenden vom 12. April 1989 seine Angaben nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO in der erforderlichen Weise ergänzt, sondern lediglich Kopien der Mitteilungsschreiben der OFD . . . vorgelegt, aus denen sich die dem Antragsteller zustehenden Bruttoversorgungsbezüge und die in den Jahren 1986 und 1989 auszuzahlenden Beträge ergeben.
Fundstellen