Entscheidungsstichwort (Thema)
Im NZB-Verfahren: Unzuständigkeit eines FA zum Erlaß eines Steuerbescheids; Begründungsanforderungen bei grundsätzlicher Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. November 1977 V R 67/75 (BFHE 124, 299, BStBl II 1978, 310) und vom 15. Dezember 1971 I R 5/69 (BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438) enthalten keine entscheidungserheblichen Aussagen zu der Rechtsfrage nach den Auswirkungen der Unzuständigkeit eines Finanzamts auf den von ihm erlassenen Steuerbescheid. Die beiden Entscheidungen befassen sich lediglich mit den verfahrensrechtlichen Auswirkungen auf die Beteiligtenfähigkeit des Finanzamts, wenn während eines finanzgerichtlichen Verfahrens eine Änderung in der Zuständigkeit des beklagten FA durch Veränderung der Bezirksgrenzen eintritt.
2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. BFH- Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605 m. w. N.). Diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Erforderlich ist vielmehr die schlüssige und substantiierte Darlegung der bezeichneten Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Der Beschwerdeführer muß dabei konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Allein der Hinweis, es handele sich "soweit ersichtlich" um eine bisher nicht höchstrichterlich entschiedende Frage, deren Klärung "wünschenswert" sei, reicht nicht aus. Auch die bloße Bezugnahme auf die allgemeine wirtschaftliche Bedeutung entspricht nicht dem Konkretisierungserfordernis.
3. Liegt Rechtsprechung zu der vom Beschwerdeführer für grundsätzlich gehaltenen Frage (hier: nach den Auswirkungen der Unzuständigkeit eines Finanzamts auf den von ihm erlassenen Steuerbescheid; vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1987 II R 172/85, BFH/NV 1989, 254 sowie die BFH- Beschlüsse vom 18. Dezember 1991 II B 91/91, BFH/NV 1992, 771; vom 29. Januar 1992 II B 139/91, BFH/NV 1993, 399, und II B 132/91, BFH/NV 1992, 788) vor, ist ferner eine grundlegende Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung des BFH sowie eine Erörterung der Frage, ob durch diese Entscheidungen die für grundsätzlich angesehenen Fragen bereits als geklärt angesehen werden können, erforderlich.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger behauptete Divergenz des finanzgerichtlichen Urteils zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. No vember 1977 V R 67/75 (BFHE 124, 299, BStBl II 1978, 310) bzw. zum BFH-Urteil vom 15. Dezember 1971 I R 5/69 (BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438) besteht nicht.
Eine Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) in einer Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH. Das FG muß seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden rechtlichen Erwägungen ("Rechtssatz") einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt (vgl. ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschluß vom 18. Ja nuar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309, 310). Aus den vom Kläger bezeichneten BFH-Entscheidungen läßt sich für die im Streitfall maßgebliche Frage nach den rechtlichen Auswirkungen der Unzuständigkeit des Finanzamts A auf den von ihm erlassenen Grunderwerbsteuerbescheid nichts herleiten. Denn in den beiden Entscheidungen ging es um die verfahrensrechtlichen Auswirkungen auf die Beteiligtenfähigkeit des Finanzamts, wenn während eines finanzgerichtlichen Verfahrens eine Änderung in der Zuständigkeit des beklagten FA durch Veränderung der Bezirksgrenzen eintritt. Für diesen Fall hat der BFH entschieden, daß das bislang be klagte FA im Zeitpunkt der Zuständigkeitsveränderung seine Beteiligtenfähigkeit verliert und das neu zuständig gewordene FA in die Beklagtenrolle eintritt (gesetzlicher Parteiwechsel). Da die Beteiligtenfähigkeit bei Änderung der Zuständigkeit eines Finanzamts in jedem Fall auf das neu zuständige Finanzamt übergeht, brauchte der BFH in diesen Entscheidungen nicht danach zu differenzieren, ob es sich um eine Änderung der örtlichen oder auch der sachlichen Zuständigkeit handelt. Soweit der Kläger meint, aus den Urteilsgründen der von ihm angeführten BFH-Urteile Ab grenzungskriterien hinsichtlich der Frage ableiten zu können, ob im Streitfall eine lediglich örtliche oder auch sachliche Unzuständigkeit des Finanzamts A vorlag, handelt es sich zumindest nicht um die die Entscheidung tragenden rechtlichen Erwägungen. Denn auf eine derartige Differenzierung kam es in den genannten BFH-Entscheidungen nicht an.
2. Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Beschwerde unzulässig, da die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. BFH- Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605 m. w. N.). Diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Erforderlich ist vielmehr die schlüssige und substantiierte Darlegung der bezeichneten Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Der Beschwerdeführer muß dabei konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.
Der Kläger behauptet lediglich, daß die von ihm angesprochenen Fragen solche von grundsätzlicher Bedeutung sind. Konkrete Ausführungen dazu, inwieweit über den konkreten Einzelfall hinaus eine Klärungsbedürftigkeit im Interesse der Allgemeinheit besteht, enthält die Beschwerdebegründung nicht. Allein der Hinweis, es handele sich "soweit ersichtlich" um eine bisher nicht höchstrichterlich entschiedene Frage, deren Klärung "wünschenswert" sei, reicht nicht aus. Auch die bloße Bezugnahme auf die allgemeine wirtschaftliche Bedeutung entspricht nicht dem Konkretisierungserfordernis. Schließlich fehlt es auch an der grundlegenden Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den vom Kläger angesprochenen Problemkreisen sowie der Erörterung der Frage, ob durch diese Entscheidungen die vom Kläger angesprochenen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung bereits als geklärt anzusehen sind. Dies gilt insbesondere für das BFH-Urteil vom 22. Juli 1987 II R 172/85 (BFH/NV 1989, 254) sowie die BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1991 II B 91/91 (BFH/NV 1992, 771); vom 29. Januar 1992 II B 139/91 (BFH/NV 1993, 399), und II B 132/91 (BFH/NV 1992, 788).
Fundstellen
Haufe-Index 420402 |
BFH/NV 1995, 624 |