Feststellung der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen
Für die Auslegung der in § 3a Abs. 2 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmale ist auf die zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. ergangenen Rechtsprechungsleitlinien zurückzugreifen (vgl. Senatsbeschluss v. 27.11.2020, X B 63/20, BFH/NV 2021, 531, Rz 7).
Das Tatbestandsmerkmal der "Sanierungsabsicht der Gläubiger" hat im Rahmen des § 3a Abs. 2 EStG eine eigenständige Relevanz (vgl. bereits Senatsbeschluss v 27.11.2020, X B 63/20, BFH/NV 2021, 531, Rz 9). Damit wäre es unvereinbar, das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals stets bereits dann zu vermuten, wenn ein einzelner Gläubiger im Zusammenhang mit einer Sanierung auf eine Forderung ganz oder teilweise verzichtet.
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des § 3a Abs. 2 EStG (Sanierungsertrag) steuerfrei. Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt nach § 3a Abs. 2 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist.
Streitfrage: Vorliegen der Voraussetzungen des § 3a EStG
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gewinn aus einem im Streitjahr 2014 ausgesprochenen Forderungsverzicht eines Gläubigers die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 3a EStG erfüllt.
Sachverhalt: Tankstellenbetreiber schließt mit seinem Lieferanten in Bezug auf dessen Forderungen einen Abfindungsvergleich
Der vom BFH zu beurteilende Sachverhalt stellte sich verkürzt folgendermaßen dar:
- Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit 2001 sowohl einziger Komplementär als auch alleiniger Treugeber der einzigen Kommanditistin einer KG, die zahlreiche Tankstellen besaß.
- Weil dem Kläger steuerrechtlich sämtliche Anteile und Einkünfte der KG zuzurechnen waren, wurde eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der KG nicht vorgenommen; diese wurden vielmehr unmittelbar im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen des Klägers ermittelt und erfasst.
- Die KG bezog die von ihr vertriebenen Kraftstoffe größtenteils von der zur A-Gruppe gehörenden A-AG.
- Nachdem die KG in wirtschaftlichen Schwierigkeiten geraten war und verschiedene Tankstellen verkauft hatte, schloss sie im Streitjahr 2014 mit der A-AG einen Abfindungsvergleich.
- Danach hatte die KG einen Abgeltungsbetrag von 50.000 EUR zu zahlen. Im Gegenzug stellte die A-AG ihre Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein, verzichtete auf alle Sicherheiten für ihre Ansprüche und verpflichtete sich, die KG und den Kläger von allen eventuellen Ansprüchen des Warenkreditversicherers freizustellen. Aus dem Forderungsverzicht der A-AG resultierte bei der KG im Jahr 2014 ein Buchgewinn von 3.693.617,05 EUR.
- Das FA behandelte den Buchgewinn aus dem Forderungsverzicht im Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid 2014 als steuerpflichtig. Der Kläger begehrte hingegen die Anwendung des § 3a EStG und des § 7b GewStG und beantragte die rückwirkende Anwendung dieser Regelungen (§ 52 Abs. 4a Satz 3 EStG).
- Im Jahr 2020 meldete die KG ihr Gewerbe ab.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus, es fehle sowohl an der von § 3a Abs. 2 EStG vorausgesetzten Sanierungseignung des Schuldenerlasses als auch an der Sanierungsabsicht der A-AG. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Wegen der Nichtzulassung der Revision erhob der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidung: BFH hält die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers für unbegründet
Der BFH hält die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers für unbegründet:
- Dies gilt zunächst insoweit, als der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt. Der Kläger formuliert (sinngemäß) die Rechtsfrage, ob die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 3a EStG ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für einen Sanierungserlass auf die in § 3a Abs. 2 EStG genannten Tatbestandsmerkmale übertragen werden kann. Er setzt sich allerdings nicht mit der zu dieser Frage bereits vorhandenen Rechtsprechung und Literatur auseinander.
- Darüber hinaus formuliert der Kläger die Rechtsfragen, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen die Existenz eines schriftlichen Sanierungskonzepts zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses sowie den Abschluss des Sanierungsprozesses innerhalb einer bestimmten maximalen Zeitdauer voraussetzt, ob Änderungen eines Sanierungsprogramms nur zwischen den jeweiligen Teilnehmern des Sanierungsprozesses abgestimmt werden müssen und ob solche Abstimmungen mündlich geschehen können. Auch insoweit fehlt es aber an einer Auseinandersetzung mit den hierzu in Rechtsprechung – auch der Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 3a EStG – und Literatur vertretenen Auffassungen.
- Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Für diesen Zulassungsgrund gilt ebenso wie für den der grundsätzlichen Bedeutung, dass die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen muss.
- Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die einzige in diesem Abschnitt formulierte abstrakte Rechtsfrage geht dahin, ob die Sanierungsabsicht stets zu vermuten ist, wenn ein Gläubiger auf eine Forderung im Zusammenhang mit der Sanierung eines Unternehmens ganz oder teilweise verzichtet. Auch insoweit fehlt es aber an jeglicher Auseinandersetzung mit der hierzu vorhandenen Rechtsprechung und Literatur.
BFH, Beschluss v. 9.8.2024, X B 94/23, veröffentlicht am 9.1.2025.
Alle am 9.1.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen
Anmerkung: Entscheidung nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt
Die Entscheidung wurde am 9.1.2025 nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; sie war seit dem 29.8.2024 als NV-Entscheidung abrufbar. Als NV-Entscheidung ist sie u.a. in der Zeitschrift BFH/NV 2024 S. 1151 abgedruckt. Dass der BFH einen Beschluss über die Ablehnung einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen nicht ausreichender Darlegung der Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) nachträglich amtlich veröffentlicht, ist in der Praxis unüblich. Das Vorgehen beruht wohl darauf, dass der BFH außerhalb eines Revisionsverfahrens Hinweise zur Auslegung der in § 3a EStG genannten „Sanierungseignung“ und „Sanierungsabsicht der Gläubiger“ geben will (vgl. Leitsätze 2 und 3 des Beschlusses).
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