Steuerfreiheit einer als Sonderbetriebseinnahme erfassten Aufwandsentschädigung

Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge steuerfrei, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen.
Streitfrage: Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG
Streitig ist, ob die bei einer GbR in den Streitjahren 2012 und 2013 als Sonderbetriebseinnahmen erfassten Aufwandsentschädigungen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit eines Mitgesellschafters als Präsident der X in voller Höhe nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei sind.
Sachverhalt: Mitgesellschafter einer GbR erhält Aufwandsentschädigungen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident einer Berufskammer
Der vom BFH zu beurteilende Sachverhalt stellte sich verkürzt folgendermaßen dar:
- Die Klägerin ist eine GbR und Freiberufler-Sozietät. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit für die Streitjahre wurden gesondert und einheitlich festgestellt.
- Der beigeladene A ist Mitgesellschafter der GbR und war in den Streitjahren ehrenamtlich als Präsident der X tätig. Die X ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach deren Satzung sind die Mitglieder des Vorstandes ehrenamtlich tätig.
- Seine Tätigkeit für die X umfasste im Streitjahr 2012 volle 24 Tage und im Streitjahr 2013 volle 21 Tage. Zudem hatte A fast täglich weitere Termine im Rahmen seiner Tätigkeit als Präsident (Telefonate und kurzfristig anberaumte Besprechungen). Mandantentermine für die Sozietät mussten deswegen regelmäßig verschoben werden.
- Für die Tätigkeit als Präsident legte er pro Jahr mindestens 7.000 km mit dem eigenen Personenkraftwagen zurück. Hierfür standen ihm nach der Satzung der X antragsgebundene Aufwendungserstattungsansprüche für nachgewiesene Reisekosten, Fahrtkosten in Höhe eines üblichen Kilometergelds, für die Kosten einer Wegeunfallversicherung und für eine Assessorenvertretung in der Sozietät bei Veranstaltungen der X an Werktagen zu. Den Anspruch auf Ersatz seiner Fahrtkosten machte A gegenüber der X in den Streitjahren nicht geltend.
- Im Innenverhältnis hatte A die laufenden Betriebsausgaben der GbR entsprechend seinem Gewinnanteil hälftig zu tragen.
- Er erklärte die von der X erhaltenen Aufwandsentschädigungen ursprünglich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre und machte dort geltend, sie seien gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei.
Überblick über den Verfahrensgang des vorliegenden Rechtsstreits
- Die nach erfolglosen Einsprüchen gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 des A erhobene Klage wies das FG der ersten Instanz ab.
- Auf die Revision des A hat der BFH die Sache an das FG zurückverwiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Einnahmen aus der Aufwandsentschädigung für 2012 seien nicht als einzelunternehmerische Einkünfte des A aus selbständiger Arbeit, sondern als Sonderbetriebseinnahmen auf Ebene der Sozietät zu behandeln.
- Im Rahmen der Feststellung dieser Einkünfte sei auch über die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zu entscheiden.
- Das FG müsse daher das Klageverfahren bis zum Abschluss des vorgreiflichen Feststellungsverfahrens gemäß § 74 FGO aussetzen. Für das Streitjahr 2013 wurde das FG-Urteil aus anderen verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang hat das FG die Klage des Beigeladenen gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre erneut abgewiesen. Hiergegen hat A Revision erhoben, die unter dem Aktenzeichen VIII R 19/21 beim Senat anhängig und durch Senatsbeschluss vom 21.12.2023 bis zur Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden Verfahren gemäß § 74 FGO ausgesetzt worden ist.
- Im Anschluss an das Senatsurteil vom 29.9.2020, VIII R 5/18 erließ das FA erließ geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre. Die Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit als Präsident wurden abzüglich eines steuerfreien Betrags von 2.100 EUR (2012) und 2.400 EUR (2013) als Sonderbetriebseinnahmen des A erfasst. Die vom FA als steuerfrei anerkannten Teilbeträge der Aufwandsentschädigung in den Streitjahren (2.100 EUR für 2012 und 2.400 EUR für 2013) entsprachen den in den LStR zu § 3 Nr. 12 (R 3.12 Abs. 3 Satz 3 LStR) festgelegten Pauschalbeträgen für übliche Aufwendungen von mit dem A vergleichbaren Personen und überstiegen aus Sicht des FA auch nicht die vom A selbst getragenen Fahrtkosten.
Klage der GbR gegen die Feststellungsbescheide hatte keinen Erfolg
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die GbR Klage erhoben, die das FG abgewiesen hat. Mit ihrer Revision beantragte die Klägerin u.a. sinngemäß, die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012 und 2013 dahingehend zu ändern, dass die Sonderbetriebseinnahmen des A für seine Tätigkeit als Präsident der X in voller Höhe als steuerfreie Einnahmen behandelt werden.
Entscheidung: Aufwandsentschädigungen in voller Höhe steuerfrei
BFH gab der Revision statt und hob das FG-Urteil auf. Entgegen der Entscheidung des FG sind die von der X erhaltenen Aufwandsentschädigungen des A in voller Höhe gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG als steuerfreie Sonderbetriebseinnahmen zu behandeln. Insoweit sind diese in Höhe von 0 EUR festzustellen.
Das FG hat die laufenden Gesamthandsaufwendungen zum Unterhalt der Sozietät nicht als steuerfrei ersetzbare Betriebsausgaben angesehen, weil es sich um keine unmittelbar durch die ehrenamtliche Tätigkeit veranlassten Aufwendungen und damit um "Sowieso-Kosten" gehandelt habe. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das FG hat verkannt, dass auch die Betriebsausgaben im Gesamthandsvermögen der Klägerin durch die ehrenamtliche Tätigkeit in hinreichender Weise veranlasst sind und daher Gegenstand einer nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfreien Aufwandsentschädigung sein können.
Einnahmen als Präsident einer Berufskammer waren Sonderbetriebseinnahmen
Die Aufwandsentschädigung, die ein Mitunternehmer als Präsident einer Berufskammer erzielt, ist durch dessen mitunternehmerische Tätigkeit veranlasst und gehört bei unmittelbarer Auszahlung an den Mitunternehmer zu dessen Sonderbetriebseinnahmen.
Die Zuordnung der Aufwandsentschädigung zu den Sonderbetriebseinnahmen beruht auf der typisierenden Annahme, dass der ehrenamtlich Tätige seine Arbeitskraft und Arbeitszeit ansonsten der mitunternehmerischen Tätigkeit widmen würde und die Aufwandsentschädigung diejenigen Nachteile und Einnahmenausfälle der Mitunternehmerschaft ausgleichen soll, die aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des Mitunternehmers erwachsen.
Aufwendungen zum Unterhalt der Sozietät durch ehrenamtliche Tätigkeit mitveranlasst
Aufwendungen der Mitunternehmerschaft zum Unterhalt einer Freiberuflerpraxis sind durch die ehrenamtliche Tätigkeit des Mitunternehmers als Präsident einer Berufskammer mitveranlasst. Die Mitveranlassung dieser Aufwendungen durch die Ausübung des Ehrenamts ist die Kehrseite des Umstands, dass die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit Bestandteil der betrieblichen Tätigkeit der Mitunternehmerschaft sind und je nach Auszahlungsform zu Betriebseinnahmen der Gesamthand oder zu Sonderbetriebseinnahmen eines Mitunternehmers führen.
Hinweis: Abgeltung der Betriebsausgaben durch die steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 3c EStG
Gegenstand des Rechtsstreits war allein die Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen des A, soweit sie auf die ehrenamtliche Tätigkeit entfallen. Mangels Mitanfechtung der Feststellung zur Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns hatte der BFH nicht zu entscheiden, ob die Gesamthandsaufwendungen der GbR im Hinblick auf § 3c Abs. 1 EStG nur oberhalb des Betrags der Aufwandsentschädigung abzugsfähig und daher die festgestellten Gesamthandsgewinne für die Streitjahre durch eine Hinzurechnung zu erhöhen sind (vgl. Rn. 38 des Urteils).
BFH, Urteil v. 19.11.2024, VIII R 29/23, veröffentlicht am 13.3.2025
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