Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des auf Grund und Boden entfallenden Teilwerts im Ertragswertverfahren
Leitsatz (NV)
Es bestehen ernstliche Zweifel daran, ob das Ertragswertverfahren für die Schätzung des auf Grund und Boden entfallenden Teilwerts ungeeignet ist (so aber noch BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252).
Normenkette
FGO § 69; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1; WertV 1988 §§ 7, 16
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufteilung von Anschaffungskosten auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits.
Geschäftszweck der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die Vermietung eines Kaufhausgrundstücks. Die Gründungskommanditistin hatte das entsprechende Grundstück zum überwiegenden Teil im Wege eines sog. Teilamortisations-Leasings für die Dauer von 22,5 Jahren gemietet. Sie war den im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 23. Dezember 1991 IV B 2 -S 2170- 115/91 (BStBl I 1992, 13) enthaltenen Grundsätzen zufolge nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten als wirtschaftliche Eigentümerin des Grundbesitzes anzusehen. Zu einem weiteren Teil war ihr ein Erbbaurecht an dem Grundstück eingeräumt worden. Sie leistete ihre Kommanditeinlage in Höhe von 2 329 824,95 DM durch Einbringung dieser beiden Wirtschaftsgüter.
Nach mehrfachem Wechsel der Gesellschafter erwarb die X-GmbH & Co. KG 99 % der Kommanditanteile der Antragstellerin. Diese verteilte den den Buchwert des Kapitalkontos übersteigenden Kaufpreisanteil in Höhe von 83 612 973,89 DM auf Grund und Boden sowie Gebäude des Kaufhausgrundstücks und wies ihn in einer Ergänzungsbilanz aus. Die Teilwerte von Grund und Boden sowie Gebäude ermittelte die Antragstellerin nach dem Ertragswertverfahren auf rund 82 Mio. DM, rechnete davon rund 34 Mio. DM (41,5 %) dem Grund und Boden und rund 48 Mio. DM (58,5 %) dem Gebäude zu. Nach diesem Maßstab teilte sie den Kaufpreis auf und nahm dementsprechend für Erbbaurecht und Gebäude Absetzungen für Abnutzung (AfA) von jährlich insgesamt 4 911 155,39 DM in Anspruch.
Anläßlich einer Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1995 gelangte der Prüfer zu einer anderweitigen Aufteilung der Werte zwischen Grund und Boden und Gebäude. Da die Antragstellerin hiermit nicht einverstanden war, holte sie in Absprache mit dem Prüfer und dem Bausachverständigen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) beim Gutachterausschuß der Stadt … ein Gutachten über den Verkehrswert ein. In diesem Gutachten kam der Gutachterausschuß zu folgenden Werten:
WirtschaftsgutErtragswertSachwert
Grund und Boden 43 999 792 (58,39 %) 43 999 792 (65,98 %)
Erbbaurecht 2 251 457 (3,35 %) 2 521 457 (3,78 %)
Gebäude 28 835 270 (38,26 %) 20 169 815 (30,24 %)
Summe 75 356 519 (100 %) 66 691 064 (100 %)
Der Prüfer folgte der Sachwertmethode und errechnete für die Ergänzungsbilanz der Kommanditistin folgende Werte:
Grund und Boden 55 164 114 DM
Erbbaurecht 3 161 240 DM
Gebäude 25 287 619 DM
83 612 973 DM
Das führte zu einer Minderung der beantragten AfA von 4 911 155 DM auf nur noch 2 576 192 DM (Gebäude 2 528 761 DM, Erbbaurecht 47 431 DM). Das FA erließ dementsprechende Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1994 und 1995, die die Antragstellerin mit dem Einspruch angefochten hat.
Nach vergeblichem Antrag beim FA begehrte die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz durch das Finanzgericht (FG).
Der Antrag hatte keinen Erfolg.
Hiergegen wendet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragstellerin.
Die Antragstellerin beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Vollziehung der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide auszusetzen, soweit das FA darin die erklärte Aufteilung der Anschaffungskosten auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits abgeändert und die AfA gemindert hat.
Das FA beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
Der angefochtene Beschluß ist aufzuheben. Dem Aussetzungsantrag war teilweise stattzugeben. Im übrigen war er abzulehnen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehen ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn bei der (überschlägigen) Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Sachverhaltsfragen bewirken; andererseits ist nicht erforderlich, daß die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Anm. 77, m.w.N.). In diesem Sinn ergeben sich hier ernstliche Zweifel.
a) Tritt jemand in eine bestehende Personengesellschaft als weiterer Gesellschafter ein und übersteigen seine Aufwendungen für den entgeltlichen Erwerb seines Gesellschaftsanteils den Betrag des für ihn in der Steuerbilanz der Personengesellschaft ausgewiesenen Kapitalkontos, so sind die Mehranschaffungskosten auf die der prozentualen Beteiligung des neuen Gesellschafters entsprechenden Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens, die stille Reserven aufweisen, zu verteilen und in der Ergänzungsbilanz zu aktivieren (ständige Rechtsprechung, vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 15 Rdnr. 462, m.w.N.).
Die Aufteilung hat im Zweifel nach dem Verhältnis der Teilwerte der zu aktivierenden Wirtschaftsgüter zu erfolgen (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, 526, BStBl II 1978, 620, 625).
b) Handelt es sich bei den zu aktivierenden Wirtschaftsgütern um Grundbesitz, so ist eine Aufteilung in Grund und Boden einerseits sowie Gebäude andererseits erforderlich. Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung sind zunächst der Bodenwert und der Gebäudewert gesondert zu bewerten und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Bodenanteil und Gebäudeanteil aufzuteilen.
c) Für die Schätzung des Teilwerts des Boden- und des Gebäudeanteils kann die Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung ―WertV―) i.d.F. vom 6. Dezember 1988 (BGBl I, 2209), die zur Ermittlung von Grundstückswerten nach dem Bundesbaugesetz und dem Städtebauförderungsgesetz ergangen ist, entsprechend herangezogen werden (BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252).
Die WertV sieht für die Verkehrswertermittlung in § 7 Abs. 1 das Vergleichswert-, das Ertragswert- oder das Sachwertverfahren vor. In seinem Urteil in BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252 hat der BFH im Hinblick auf die Aufteilung des für eine Eigentumswohnung gezahlten Kaufpreises entschieden, daß das Vergleichswertverfahren zur Ermittlung des Verkehrswerts des Boden- und des Gebäudeanteils nicht brauchbar sei. Denn diese Bewertungsmethode erlaube nur, die Eigentumswohnung als eine Einheit von Miteigentumsanteil und Sondereigentum zu bewerten. Das gleiche gelte für das Ertragswertverfahren. Somit verbleibe als Schätzungsgrundlage für die Aufteilung einheitlicher Anschaffungskosten für eine Eigentumswohnung nur eine Teilung nach dem Verhältnis des Sachwerts des Miteigentumsanteils am Grund und Boden zum Sachwert des Miteigentumsanteils am Gebäude (ähnlich Urteil des FG Düsseldorf vom 12. Juni 1997 14 K 6480/93 E,G, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1997, 1302).
d) Dem FA ist zuzugeben, daß der BFH entgegen der Auffassung der Antragstellerin diese Aussage nicht auf die Aufteilung des Kaufpreises bei Eigentumswohnungen beschränken wollte. Vielmehr liegt es nahe, daß er das Ertragswertverfahren deswegen für ungeeignet hielt, den Aufteilungsmaßstab zu bestimmen, weil bei diesem Verfahren der Gebäudewert lediglich unter Einbeziehung des "Verzinsungsbetrages des Bodenwertes" - mithin also nicht unabhängig vom Grund und Boden ermittelt werden kann (ebenso Glanegger in Schmidt, a.a.O., § 6 Rdnr. 118). Denn der Ertragswert des Gebäudes wird in der Weise ermittelt, daß der Reinertrag des Gesamtgrundstücks um die Bodenwertverzinsung gekürzt und der verbleibende Gebäudeertrag nach Maßgabe der Restnutzungsdauer des Bauwerks kapitalisert wird (§ 16 WertV).
e) Es bestehen aber ernstliche Zweifel daran, ob an dieser Auffassung festzuhalten ist. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, daß bei einer Aufteilung nach der Sachwertmethode der Anteil des Kaufpreises, der wegen der guten Vermietbarkeit der Immobilie gezahlt wird, allein dem Grund und Boden zugerechnet wird. Denn der Bodenwert wird bei jeder der genannten Wertermittlungsmethoden nach dem Vergleichswertverfahren, also entweder anhand von Kaufpreisen vergleichbarer Grundstücke oder auf der Grundlage von Bodenrichtwerten ermittelt (§ 15 Abs. 2 i.V.m. § 13 WertV).
aa) In seinem Urteil vom 2. Februar 1990 III R 173/86 (BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497) hat es der III. Senat des BFH ausdrücklich nicht beanstandet, daß das FG den Verkehrswert eines Gebäudes nicht nach dem Sachwertverfahren, sondern nach dem Ertragswertverfahren ermittelt hat. Die im BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80 (BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456) geäußerte Ansicht, daß der gemeine Wert von Grundstücken und Gebäuden regelmäßig nach dem Sachwertverfahren zu ermitteln sei, findet nach Auffassung des III. Senats in der WertV keine Grundlage. In ähnlicher Weise geht möglicherweise der IX. Senat des BFH in seinem Urteil vom 27. Juni 1995 IX R 130/90 (BFHE 178, 151, BStBl II 1996, 215) davon aus, daß die nach dem Grundsatz der Einzelbewertung vorzunehmende Wertermittlung von Grund und Boden einerseits sowie des Gebäudes andererseits nach dem Ertragswertverfahren durchgeführt werden kann, wenn die tatsächlichen Gegebenheiten dies als sinnvoll erscheinen lassen. Was für die Verkehrswertermittlung gilt muß auch für die Teilwertfindung gelten, sofern ―wie typischerweise bei vermieteten Grundstücken― dem einzelnen Wirtschaftsgut ein Ertrag zugeordnet werden kann (Erlaß des Nordrhein-Westfälischen Finanzministeriums vom 20. Januar 1994, Der Betrieb 1994, 555).
bb) Allerdings sind diese Entscheidungen ―worauf das FA hinweist― nicht zur Aufteilung eines einheitlich gezahlten Kaufpreises ergangen, sondern betreffen die Ermittlung des gemeinen Werts im Falle einer Entnahme sowie die Herauslösung des einzelne Eigentumswohnungen betreffenden Kaufpreises aus einem für mehrere Eigentumswohnungen gezahlten Gesamtkaufpreis. Andererseits will das FA die These, die Aufteilung eines einheitlichen Kaufpreises dürfe ausschließlich nach dem Verhältnis der Sachwerte erfolgen, darauf stützen, daß die anderen Methoden mit dem Grundsatz der Einzelbewertung nicht vereinbar seien (siehe oben unter 1. d). Dieser Grundsatz ist jedoch auch in den Fällen zu beachten, die den Entscheidungen in BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497 und in BFHE 178, 151, BStBl II 1996, 215 zugrunde lagen. Es ist also zumindest ernstlich zweifelhaft, ob sich die Rechtsprechung gegenüber dem im BFH-Urteil in BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252 befürworteten Vorrang der Aufteilung nach der Sachwertmethode nicht geändert hat.
cc) Der Senat hat auch Zweifel, ob es der Grundsatz der Einzelbewertung tatsächlich verbietet, einen einheitlichen Kaufpreis nach dem Verhältnis der Ertragswerte auf Grund und Boden einerseits sowie Gebäude andererseits aufzuteilen. Bei Geschäftsgrundstücken, die ―wie im Streitfall― üblicherweise vermietet werden, bietet sich das Ertragswertverfahren an, da hier der Grundstückswert im wesentlichen durch den nachhaltig erzielbaren Grundstücksertrag bestimmt wird (Urteil in BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497). Obwohl der Ertragswert des Gebäudes nur in der Weise ermittelt werden kann, daß von dem für die Vermietung des gesamten Grundstücks erzielten Reinertrag der Verzinsungsbetrag des Bodenwertes abgezogen wird, handelt es sich bei summarischer Betrachtung doch um eine Methode, mit der der Wert des Gebäudes als solches ausreichend sicher geschätzt werden kann. Insbesondere ist die Ertragswertmethode entgegen der Auffassung des FA nicht mit dem von der Rechtsprechung des BFH verworfenen "Restwertverfahren" zu vergleichen, bei dem vom gezahlten Kaufpreis zunächst der Grundstückswert abgezogen und lediglich der verbleibende Rest den Anschaffungskosten des Gebäudes zugerechnet wird. Für die Zulässigkeit einer Aufteilung nach dem Verhältnis der Ertragswerte spricht auch der Veranlassungsgedanke (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes), der für die Höhe der AfA Geltung beansprucht. Wenn nämlich der Wert eines Gebäudes primär durch den im Wege seiner Vermietung erzielbaren Ertrag bestimmt wird, wird der Erwerber gerade hierfür auch etwas zahlen.
2. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag muß so verstanden werden, daß nach ihrer Vorstellung die von der Vollziehung auszusetzenden Beträge auf der Grundlage ihrer Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ermittelt werden sollen. Diesen Erklärungen liegt jedoch die von der Antragstellerin vorgenommene Ertragswertermittlung zugrunde, die mit der des Gutachterausschusses nicht übereinstimmt. Die Beteiligten haben gegen die Feststellungen des Gutachterausschusses keine substantiierten Einwendungen erhoben. Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ist daher in folgender Höhe auszusetzen: (es folgt Berechnung).
Fundstellen
Haufe-Index 171159 |
BFH/NV 1999, 1201 |
DStRE 1999, 621 |