Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerstreitende Steuerfestsetzungen - Beiladung
Leitsatz (NV)
Für eine Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 reicht die Möglichkeit aus, daß bei einem Erfolg der Klage eine Steuerfestsetzung gegenüber dem Dritten wegen nunmehr anderer Beurteilung des Sachverhalts geändert wird. Bei Beschwerde gegen den Beiladungsbeschluß des FG ist demnach auch das Beschwerdegericht nur zu Erwägungen darüber verpflichtet und befugt, ob eine derartige Änderung in Betracht kommt.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 5
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin zu einem von den Klägern angestrengten Verfahren des Finanzgerichts (FG) gemäß § 175 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) beizuladen ist.
Im Rahmen der zur ,,Erleichterung künftiger Erbteilung" gemäß notariellem Vertrag erfolgten Hofübernahme hatte sich der Kläger gegenüber seiner Schwester, der Beschwerdeführerin, zur Zahlung von 2 500 DM verpflichtet. Dem Vertrag zufolge sollte es der Beschwerdeführerin freistehen, statt dessen nach dem Tode der Eltern die Übertragung einer ,,Baustelle" zur Errichtung eines Wohnhauses zu verlangen, und zwar in der Größe von 1 200 qm. Hiervon hat die Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht.
Das Finanzamt - FA - hat den Vorgang als Entnahme des Klägers beurteilt und den hieraus resultierenden Entnahmegewinn dem Gewinn 1980/81 des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft zugerechnet.
Die Kläger sind der Ansicht, daß der Entnahmegewinn - den sie im übrigen insbesondere der Höhe nach bestreiten - der Beschwerdeführerin zugerechnet werden müsse. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lägen Erbfall und Erbauseinandersetzung zwischen Miterben auf privatem Gebiet. Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung werde aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterstellt, daß die dem einzelnen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung aus dem Nachlaß zugeteilten Gegenstände auf ihn unmittelbar vom Erblasser mit dinglicher Wirkung übergegangen sind. Es entstehe dann grundsätzlich bei demjenigen, der einen Nachlaßgegenstand auf einen Miterben überträgt, kein Veräußerungsgewinn. Die für die Erbauseinandersetzung geltenden Grundsätze habe der BFH auf die Vermächtnisnehmer ausgedehnt. Im Streitfall sei die Beschwerdeführerin nicht lediglich Pflichtteilsberechtigte, die abgefunden worden sei, sondern Miterbin oder wenigstens Vermächtnisnehmerin gewesen.
Das FA vertritt die Auffassung, daß im Streitfall die Rechtsprechung zur Auseinandersetzung unter Miterben nicht anwendbar sei, weil die Beschwerdeführerin im Vertrag vom 5. November 1962 auf ihr Erbrecht verzichtet habe. Das FA hat aber vorsorglich im Hinblick auf eine ggf. erforderliche Änderung gemäß § 174 AO 1977 die Beiladung der Beschwerdeführerin beantragt.
Das FG hat mit Beschluß vom 23. November 1988 die Beschwerdeführerin zum Verfahren der Kläger beigeladen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Eine Beiladung sei nur möglich, wenn die rechtlichen Interessen eines Dritten in dem Sinne berührt seien, daß das Unterliegen des Hauptbeteiligten die Rechtslage des Dritten verbessern, verschlechtern oder bestätigen würde. Dies sei hier bezüglich der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht der Fall, weil die Veranlagung 1980 der Beschwerdeführerin wegen Bestandskraft nicht mehr geändert werden könne.
In einem weiteren Schriftsatz macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die Beiladung wenigstens innerhalb der für sie gültigen Festsetzungsfrist hätte erfolgen müssen. Dies sei hier aber bezüglich ihrer Veranlagung 1980 und 1981 nicht der Fall gewesen.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beiladungsbeschluß des FG aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere fehlt der Beschwerdeführerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das FA will offensichtlich im Falle seines Unterliegens gegenüber der Beschwerdeführerin von der Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 4 AO 1977 Gebrauch machen. Diese Möglichkeit besteht nach § 174 Abs. 5 AO 1977 nur, wenn die Beschwerdeführerin im anhängigen Rechtsstreit beigeladen war.
Die Beschwerde ist aber unbegründet.
Liegt ein Antrag des FA vor, reicht es für eine Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 aus, daß sich bei einem Erfolg der Klage eine Änderung einer Steuerfestsetzung gegenüber dem Dritten wegen der nunmehr anderen Beurteilung des Sachverhalts ergeben kann. Es ist nicht zu prüfen, ob die Bescheide des Dritten geändert werden können bzw. ob eine etwaige Änderung Bestand haben wird. Für die Beiladung, die die Entscheidung der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, genügt die nicht fernliegende Möglichkeit eines Obsiegens des Klägers (BFH-Beschluß vom 19. Mai 1981 VIII B 90/79, BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633).
Hiernach kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Im Streitfall stehen die Kläger auf dem Rechtsstandpunkt, daß nicht der Kläger einen Entnahmegewinn versteuern müsse, sondern - wenn überhaupt - die Beschwerdeführerin. Das FA hat die Beiladung der Beschwerdeführerin vorsorglich beantragt, um sich ggf. die Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 ihr gegenüber offenzuhalten. Halten mithin die Hauptbeteiligten des Rechtsstreits eine Steuerpflicht der Beschwerdeführerin immerhin für möglich, bleibt dem Gericht in der Regel keine andere Wahl, als die beantragte Beiladung vorzunehmen. Daß das FG bei der Prüfung der Beiladungsvoraussetzungen der Hauptsacheentscheidung nicht vorgreifen darf, wurde bereits aufgezeigt. Erst recht ist das in materieller Hinsicht noch nicht befaßte Beschwerdegericht nicht befugt, mehr als nur globale Erwägungen anzustellen, ob gegenüber der Beschwerdeführerin die Änderung einer Steuerfestsetzung in Betracht kommen könnte. Dies kann aber schon wegen des Standpunkts der Kläger und des FA nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. Dabei ist zu bedenken, daß die Beiladung der Beschwerdeführerin Schutz bereits im Vorfeld einer denkbaren Steuerfestsetzungsänderung bieten soll und auch von daher gesehen die Anforderungen an sie nicht allzu hoch sein können, um den zutreffenden Ausgleich zwischen dem Steuergeheimnis, der richtigen Besteuerung und dem Vertrauensschutz des Dritten herbeizuführen (Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1979 IV R 56/79, BFHE 130, 1, BStBl II 1980, 314).
Regelmäßig sind Fragen, die das ggf. künftig gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 erfolgende Steuerfestsetzungsänderungsverfahren gegenüber dem Beigeladenen betreffen, für die Rechtmäßigkeit der Beiladung unmaßgeblich; sie sind erst im Verfahren über die Änderung der betreffenden Steuerfestsetzung zu klären. Folglich kann im Streitfall nicht der Frage nachgegangen werden, ob für den Streitfall das Senatsurteil vom 30. November 1987 IV R 171/85 (BFHE 152, 95, BStBl II 1988, 490) einschlägig ist. Ebenso muß offenbleiben, ob gegenüber der Beschwerdeführerin bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist und ob bei einer Änderung zu ihrem Nachteil § 174 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AO 1977 zur Anwendung käme. Jedenfalls ist die Beiladung entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch noch nach Ablauf der Festsetzungsfrist zulässig.
Fundstellen