Begünstigungstransfer aufgrund Erbauseinandersetzung

Der Transfer der Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen, für vermieteten Wohnraum und für das selbstgenutzte Familienheim unter Miterben setzt voraus, dass die Übertragung der Vermögenswerte im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Teilung des Nachlasses mehr als sechs Monate nach dem Erbfall erfolgt (entgegen H E 13a.11 der Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019).

Hintergrund: Erbauseinandersetzung und erbschafsteuerliche Begünstigungen

Das ErbStG kennt u.a. Steuerbegünstigungen für das selbstgenutzte Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG), für das Betriebsvermögen (§ 13a ErbStG) und für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13c a.F. bzw. § 13d n.F. ErbStG). Im Urteilsfall stritten die Beteiligten über die Frage, ob die Erbauseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Bruder für die Anwendung der Begünstigungsvorschriften §§ 13 Abs. 1 Nr. 4c, 13a, und 13c bzw. 13d n.F. ErbStG zu berücksichtigen ist.

Nach § 13a Abs. 3 Satz 2 a.F. (§ 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG n.F.) kann ein Erwerber die Begünstigungen beim Betriebsvermögen nicht (mehr) in Anspruch nehmen, soweit er begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13b ErbStG im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Miterben überträgt. Gibt der Miterbe („Dritte“) dabei nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Miterben um den Wert des hingegebenen Vermögens. Der Begünstigungstransfer führt danach zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Steuerbefreiung und nicht zu einer Veränderung der Zurechnung der Erwerbsgegenstände.

Eine entsprechende Regelung enthält das ErbStG für das sog. Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG) sowie für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13d Abs. 2 Satz 3 ErbStG).

Der von dem BFH zu entscheidende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

Die Eltern des Klägers starben im Dezember 2015. Der Kläger und sein Bruder beerbten sowohl die Mutter als auch den Vater (Erblasser) je zur Hälfte. Zum Nachlass der Mutter gehörten u. a. Grundstücke, zum Nachlass des Erblassers gehörten Grundstücke, eine 20%ige Kommanditbeteiligung an einer gewerblich tätigen GmbH & Co. KG (KG) sowie eine 20%ige Beteiligung an der Komplementärgesellschaft der KG (GmbH). Die übrigen Beteiligungen von 80 % an der KG und der GmbH hielt im Zeitpunkt des Erbfalls der Kläger. Mit Feststellungsbescheid vom 12.7.2017 wurde der Wert des KG-Anteils des Erblassers auf 312.256 EUR festgestellt.

Das Finanzamt (FA) setzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) stehendem Bescheid vom 2.3.2018 die Erbschaftsteuer aufgrund des Erwerbs nach dem Erblasser gegen den Kläger fest. Es berücksichtigte dabei für den KG-Anteil die Begünstigung nach § 13a ErbStG. Für einzelne Grundstücke wurde die Begünstigung nach § 13c a.F. (§ 13d n.F.) ErbStG teilweise gewährt. Für die vom Kläger nach dem Erbfall bewohnte Wohnung wurde zudem die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG gewährt. Der Bescheid wurde formell bestandskräftig.

Im Jahr 2018 übertrugen der Kläger und sein Bruder untereinander zum Zwecke der Erbauseinandersetzung mehrere Grundstücke. Zudem übertrug der Bruder den mit dem Erbfall auf ihn entfallenden Anteil von 10 % an der KG unentgeltlich auf den Kläger. Für die Übertragung der GmbH-Beteiligung leistete der Kläger eine Abfindung an seinen Bruder. Ergebnis der Erbauseinandersetzung war, dass der Bruder ein Grundstück und der Kläger die Gesellschaftsbeteiligungen und die anderen Grundstücke jeweils zum Alleineigentum erhielten.

Der Kläger beantragte daraufhin die Änderung des Erbschafsteuerbescheids nach § 164 AO, da aufgrund der Erbauseinandersetzung die erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen neu zuzuordnen und bei seiner Erbschaftsteuerfestsetzung zu berücksichtigen seien.

Das FA lehnte die Änderung mit der Begründung ab, eine Erbauseinandersetzung könne steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zeitnah nach dem Erbfall erfolge. Als zeitnah werde dabei ein Zeitraum von 6 Monaten angesehen (H E 13a.11 ErbStH). Der Erbfall sei aber bereits 2015 eingetreten, die Auseinandersetzung erst 2018 erfolgt.

Gegen die Ablehnung der Änderungen legte der Kläger Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt.

Entscheidung: BFH weist Revision des FA als unbegründet zurück

Der BFH hat entschieden, dass dem Kläger die Steuerbegünstigung für das Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG), für Wohnraum (§ 13c ErbStG a. F. bzw. § 13d ErbStG n.F.) und für das eigengenutzte Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) aufgrund des sog. Begünstigungstransfers in dem beantragten Umfang zu gewähren ist.

Frist für die Teilung des Nachlasses

Der sog. Begünstigungstransfer setzt nach § 13b Abs. 3 ErbStG a. F. (§ 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG n.F.) voraus, dass die Übertragung des Betriebsvermögens auf den Miterben „im Rahmen der Teilung des Nachlasses“ erfolgt. Die Begünstigung wirkt nur insoweit, als im Gegenzug nicht begünstigtes Vermögen hingegeben wird.

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (H E 13a.11 ErbStH), nach der die Auseinandersetzungsvereinbarung innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall erfolgen muss, ist eine zeitliche Beschränkung für die Teilung des Nachlasses in § 13b Abs. 3 ErbStG a. F. nicht vorgesehen. Ausreichend ist, dass ein innerer Zusammenhang zum Erbfall besteht.

Ob die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt, ist im Wege der Auslegung des ihr zugrunde liegenden Erbteilungsvertrags unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei bildet der zeitliche Abstand zwischen dem Anfall des Nachlasses und der Übertragung der Vermögensgegenstände nur ein Indiz dafür, ob die Übertragung noch im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Je nach dem Umfang des Nachlasses und den Schwierigkeiten bei der Bewertung einzelner Vermögensgegenstände kann im Einzelfall auch bei einem über 6 Monate hinausgehenden Zeitraum zwischen Erbfall und Übertragung des Vermögens noch von einer Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses ausgegangen werden.

Begünstigungszeitraum im Streitfall (noch) eingehalten

Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Begünstigungstransfer nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die Erbauseinandersetzung erst etwas mehr als 2 Jahre nach dem Tod des Erblassers erfolgte. Dies führt dazu, dass

  • die Übertragung des zunächst vom Bruder des Klägers im Wege der Erbfolge erlangten anteiligen KG-Anteils nach § 13b Abs. 3 ErbStG a. F. (§ 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG n.F.) „im Rahmen der Teilung des Nachlasses“ erfolgte und für den übernommenen Anteil die Begünstigung des Betriebsvermögens zu gewähren ist, denn die klare Zuordnung des Betriebsvermögens war von Anfang an gewollt gewesen. Die Dauer der Erbauseinandersetzung sei damit zu erklären, dass nach dem plötzlichen Tod beider Elternteile eine Vielzahl von steuerrechtlichen und bewertungsrechtlichen Fragen aufgekommen sei, die zunächst hätten beantwortet werden müssen;
  • die Steuerbegünstigung für Wohnraum (§ 13c Abs. 1 ErbStG a. F. bzw. § 13d Abs.2 ErbStG) ebenfalls im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen worden ist. Das ErbStG verlangt auch hier, dass die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt und benennt dafür keinen konkreten Zeitraum;
  • die Steuerbegünstigung für das selbstgenutzte Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) in dem beantragten Umfang zu gewähren ist. Nutzt der erwerbende Dritte (Miterbe) die vormals vom Erblasser genutzte Wohnung innerhalb angemessener Zeit für eigene Wohnzwecke, ist der Begünstigungstransfer unabhängig davon zu gewähren, ob die anderen Miterben, die ihren Miteigentumsanteil zum Zwecke des Begünstigungstransfers auf den das Familienheim allein nutzenden Miterben übertragen, selbst einen Selbstnutzungswillen haben und unverzüglich in das Familienheim einziehen. Zudem ist eine zeitliche Nähe zum Erbfall für die Teilung des Nachlasses nicht vorgeschrieben. Deshalb kann bei einer Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften eine Begünstigung auch zu gewähren sein, wenn die Auseinandersetzungsvereinbarung nicht innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall geschlossen wird. Ob die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt, ist auch im Rahmen dieser Vorschrift durch eine Gesamtwürdigung aller Tatsachen zu prüfen.

Hinweis: Neue Willensbildung schädlich

Der BFH weist in der o.g. Entscheidung (2. Leitsatz) auch darauf hin, dass die Übertragung nicht im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt und der Begünstigungstransfer damit ausgeschlossen ist, sofern der Entschluss, den Nachlass zu teilen und dabei begünstigtes (Betriebs-)Vermögen gegen nicht begünstigtes Vermögen zu übertragen, auf einer neuen Willensbildung der Erbengemeinschaft beruht, die den Nachlass zunächst willentlich ungeteilt belassen hat.

BFH, Urteil v. 15.5.2024, II R 12/21; veröffentlicht am 5.9.2024

Alle am 5.9.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


Schlagworte zum Thema:  Erbschaftsteuer, Betriebsvermögen, Grundstück